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02.05.2024 16:31 Alter: 169 days

Hamburger Energiewerke: Wärmeplanung verlangt Systemansatz

„Eine systematische Potenzialanalyse der lokalen Wärmequellen aus Erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme ist essentiell für die Transformation unserer Wärmenetze.”


Foto: Hamburger Energiewerke GmbH Christian Heine, Geschäftsführer, Hamburger Energiewerke GmbH

Das Wärmeplanungsgesetz ist zusammen mit dem Gesetz für erneuerbares Heizen am 1. Januar 2024 in Kraft getreten. Damit wird die rechtliche Basis für eine flächendeckende Wärmeplanung geschaffen, um die Dekarbonisierung von Wärmenetzen in Deutschland voranzutreiben. Wie reagieren Stadtwerke auf diese Herausforderung und welche Maßnahmen sind zu ergreifen? In einem Gastbeitrag für THEMEN!magazin reflektiert Christian Heine, Geschäftsführer der Hamburger Energiewerke GmbH erste Erfahrungen zum Prozess der Wärmeplanung.

Die Hamburger Energiewerke betreiben mit zirka 860 Kilometern Länge eines der größten städtischen Fernwärmenetze in Deutschland. Seit der Rekommunalisierung im Jahr 2019 stehen wir als städtischer Energieversorger in der besonderen Verantwortung. Denn mit dem Ausstieg aus der kohlebefeuerten Wärmeerzeugung leisten wir den größten Einzelbeitrag, um die Hamburger Klimaziele zu erreichen. Darüber hinaus erstellen wir einen Transformationsplan für das Hamburger Fernwärme-Stadtnetz, der den Weg zur Klimaneutralität bis 2045 aufzeigt. Wir können mit Stolz sagen, dass wir zu den ersten Netzbetreibern in Deutschland gehören, die hierfür eine Förderbestätigung im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) erhalten haben.

Lokale Vorteile nutzen

Als Millionenmetropole und Industriestandort wollen wir uns für die Wärmedekarbonisierung den Vorteil zunutze machen, dass noch viele ungenutzte klimaneutrale Wärmequellen im Hafengebiet schlummern. So lösen wir unsere beiden Heizkraftwerke (HKW) Wedel und Tiefstack durch modulare Erzeugerparks – den Energiepark Hafen und den Energiepark Tiefstack – ab, indem wir die Sektoren Industrie, Müll- und Abwasserverwertung und Wärmeversorgung geschickt miteinander koppeln. Die klimaneutrale Wärme für die Versorgung unserer Stadt wollen wir künftig aus Industrieprozessen und der thermischen Abfallbehandlung sowie über Großwärmepumpen (Abwasser, Flusswasser) gewinnen. Der Energiepark Hafen wird Ende 2025 das HKW Wedel ablösen. Als Herzstück bauen wir eine neue Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (KWK). Sie dient dazu, die klimaneutrale Wärme aus den unterschiedlichen Wärmequellen zu ergänzen und abzusichern. Das ermöglicht zu jeder Jahreszeit ein Maximum an Flexibilität und dient der Versorgungssicherheit. Schon heute ist die GuD-Anlage auf die anteilige Verwertung von synthetischem Gas ausgelegt, um auf Basis klimaneutraler Brennstoffe arbeiten zu können. Der geplante modulare Energiepark Tiefstack setzt auch auf Abwärme aus Industrie und Müllverwertung, eine Wind-zu-Wärme-Anlage sowie zwei große Flusswasser-Wärmepumpen. Dazu zählt auch die Transformation unserer existierenden Tiefstack KWK-Anlage. Sie soll auf eine bivalente Befeuerung aus Gas und nachhaltiger, holzartiger Biomasse umgestellt werden, um die Wärmeversorgung bedarfsabhängig und damit vorwiegend im Winter abzusichern.

Regulatorische Rahmenbedingungen

Essenziell für die Heizkraftwerke ist das KWK-Gesetz (KWKG). Es unterstützt den Neubau und die Modernisierung von KWK-Anlagen, Wärmenetzausbau und Wärmespeicher, um die Wärmeversorgung klimafreundlich umzustellen. Bisher hat die EU-Kommission das KWK-Gesetz nur bis 2026 beihilferechtlich genehmigt, die Verlängerung bis mindestens 2030 wurde damals in Aussicht gestellt. Damit die Branche Planungssicherheit hat, ist nun das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefragt, bei der EU-Kommission diese Verlängerung zu erbeten. Eine wichtige Ergänzung zum KWKG ist die Bundesförderung Effiziente Wärmenetze (BEW). Hier braucht die Branche ein eigenes Gesetz und langfristige Planungssicherheit, denn bisher muss seine Finanzierung in der Regel jährlich im Bundeshaushalt bestätigt werden.

Zusammenspiel mit der Kommunalen Wärmeplanung

Unser umfassender Transformationsplan für das Fernwärme-Stadtnetz wird aufzeigen, wie dieses bis 2045 zu einem treibhausgasneutralen Wärmenetzsystem umgebaut werden kann – bei Berücksichtigung langfristig gesicherter, rechtlicher Rahmenbedingungen. Bestandteil unserer Wärmenetzplanung ist eine IstAnalyse des Betrachtungsgebietes: Stadtnetz inklusive Wachstumszonen. Dazu zählt die Ermittlung des Wärmeverbrauchs und Wärmebedarfs, eine Analyse des Wärmenetzes und der zentralen Wärmeerzeugung. Wir erfassen, welche Wärmequellen aus erneuerbaren Energien und von unvermeidbarer Abwärme aus unserer Sicht genutzt werden können. Ziel ist es, diese Potenziale räumlich, d. h. gebietsscharf zu erfassen und in einem Kataster grafisch darzustellen. Auch das Potenzial der Energieeinsparung durch einen geringeren Wärmebedarf aufgrund energetischer Sanierung wird abgeschätzt. Im Entwicklungspfad skizzieren wir, wie wir unser Zielszenario „Klimaneutrales Stadtnetz 2045“ erreichen wollen. Dafür stellen wir den IST-Zustand als auch die Stützjahre 2030, 2035, 2040, 2045 dar. Wesentliche Bestandteile des Zielszenarios sind eine Gebietskulisse sowie eine räumlich differenzierte Darstellung der bevorzugten Wärmeversorgungslösungen für das Zieljahr 2045. In Hamburg haben wir den großen Vorteil, dass die Stadt bereits frühzeitig mit der Kommunalen Wärmeplanung angefangen hat. So konnten wir bei unserer Bedarfs- und Potenzialanalyse bereits auf ein Wärmekataster der Stadt zurückgreifen, das Informationen zur Wärmenachfrage, -erzeugung und -verteilung in ihrer geographischen Verteilung bereitstellt. Im Februar 2024 hat die Stadt mit der Wärmenetzeignungskarte einen Zwischenstand der Kommunalen Wärmeplanung vorgelegt. Die Karte dient als Grundlage für die weitere Wärmeplanung und zeigt auf, wo es bereits Fernwärmenetze gibt, wo ein Ausbau bzw. Neubau möglich erscheint und wo aus wirtschaftlicher Sicht aufgrund einer niedrigen Wärmebedarfsdichte kein Eignungsgebiet besteht.

Akteure einbinden

Auf dieser Basis kann die Stadt mit den städtischen Akteuren wie Energieversorgern und der Wohnungswirtschaft in den Austausch gehen, welche Wärmelösungen in welchen Gebieten sinnvoll erscheinen. Denn auch die Wohnungswirtschaft steht vor der herausfordernden Aufgabe, rechtzeitig die passenden Schritte einzuleiten, um die Wärmeversorgung ihrer Immobilien klimaneutral umzustellen. Wichtig bleibt in diesem Zusammenhang, die Wärmelieferverordnung (WLV) zukunftsgerichtet anzupassen. Sie behindert den Anschluss der Fernwärme an ein Bestandsgebäude, da ein rückwirkender Kostenvergleich erfordert wird. Fossile Brennstoffe, die in Öl- und Gasheizungen eingesetzt werden, sind aktuell wegen der erst langsam steigenden nationalen CO2 -Bepreisung hierbei immer noch im Vorteil. Die Transformationspläne der Energieversorger und die Kommunale Wärmeplanung der Städte werden dann erfolgreich sein, wenn die Immobilienwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage erhält, sich auch bei Bestandsgebäuden für Fernwärme entscheiden zu können. Mit Fernwärme haben wir einen großen Hebel, die Wärmeversorgung von vielen Gebäuden umfassend zu dekarbonisieren.

www.hamburger-energiewerke.de