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01.02.2019 16:53 Alter: 6 yrs

Grüner Wasserstoff: Vom Nischen-Dasein zum Zugpferd?

Die Entscheider in Wirtschaft und Politik haben erkannt: Ohne Gas keine Energiewende. Im Zwischenbericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung vom November 2018 in Kapitel 4 heißt es: „Damit die betroffenen Regionen auch zukünftig Energieregionen bleiben können, soll der Einsatz von erneuerbaren Energien, Speichern und grünem Wasserstoff (Power-to-Gas) als Zukunftstechnologien in den betroffenen Regionen verstärkt gefördert werden.“ Damit erhält Power-to-Gas für die Energiewende eine Schlüsselrolle. Es geht also schon längst nicht mehr darum, ob, sondern wie und in welchem Umfang Grüne Gase künftig zur Energiewende beitragen.


Der politische Boden für eine Energiewende unter Nutzung Grüner Gase und der Gasinfrastruktur ist bereitet. Jetzt ist es erforderlich, die Saat aufgehen zu lassen und nachzuweisen, dass dies über Pilotprojekte hinaus auch im industrieellen Maßstab funktioniert z. B. in Reallaboren und dann beim Markthochlauf, unterstreicht Ralph Bahke, Geschäftsführer ONTRAS Gastransport GmbH in seinem Gastbeitrag.

Fotos: Ontras

Grüngas-Favorit: Wasserstoff

Was Grüne Gase heute schon leisten, wird am Beispiel Mobilität deutlich. Die etwa 100.000 CNG-Fahrzeuge (CNG = auf ca. 200 bar komprimiertes Erdgas mit Biomethan-Anteilen) in Deutschland vermeiden jährlich nach Angaben des DVGW mehr als 300.000 Tonnen CO2. Hätten wir bei allen Autos reines Biomethan im Tank, wären die Gesamtemissionen dem eines mit reinem EE-Strom betriebenen Fahrzeugs ebenbürtig. Für mit Wasserstoff fahrende Autos gilt dies von vornherein. Derzeit fahren schon einige hundert Wasserstoffautos in Deutschland und konnten bis Ende 2018 bereits 60 Wasserstofftankstellen nutzen. Weitere H2-Zapfsäulen sind in Bau oder Planung. Solch einen H2-Wagen zu fahren ist Klimaschutz zum Anfassen, wie eine Fahrt vom Flughafen ins österreichische Linz belegt. Dort hatte sich ONTRAS Gastransport im September 2018 der europäischen Wasserstoff- Initiative angeschlossen und wir konnten im Rahmen einer hochkarätig besetzten Energiekonferenz unter der Österreichischen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union die gemeinsame Deklaration als Mitglied unterzeichnen. Anschließend haben auch die europäischen Energieminister diese Erklärung mit verabschiedet.

Auch Europa auf dem Wasserstoff-Pfad

Die europäische Wasserstoff-Initiative will die nachhaltige Wasserstofftechnologie dafür nutzen, Europas Energiesysteme CO2-frei zu machen und damit zugleich eine nachhaltige und sichere Energieversorgung zu schaffen. Für die Unterzeichner ist grüner Wasserstoff ein Bindeglied zwischen den Sektoren Elektrizität, Industrie und Mobilität. Konkret sehen sie Wasserstoff als kurz- und langfristigen Energiespeicher und unterstützen dessen Direkteinspeisung ins Gasnetz sowie die Umwandlung von Wasserstoff in regeneratives Methan. Die Initiatoren wollen zudem den Einsatz von regenerativem Wasserstoff sowie daraus abgeleiteten Produkten in industriellen Prozessen fördern. Für die Mobilität soll die heutige Wasserstoff-Tankstelleninfrastruktur erheblich ausgebaut werden. Um dabei die Wasserstofftechnologie in den verschiedenen Sektoren europaweit etablieren zu können, sind zudem multilaterale Rahmen und Standards zu setzen.

Markthochlauf und Reallabore

Auch die EU-Kommission will Grüne Gase und die Gasinfrastruktur intensiv zur Gestaltung der Energiewende nutzen, womit der politische Boden bereitet wäre. Jedoch muss die Power-to-Gas-Technologie endlich aus der Pilotphase hinaus und im Rahmen von sogenannten Reallaboren in großtechnische Anwendungen überführt werden. Und wir als Fernleitungsnetzbetreiber müssen unsere Netze und Anlagen entsprechend fit für H2 machen. Wobei Gasleitungen in den neuen Bundesländern bereits wesentliche technische Voraussetzungen erfüllen, da das Gas der Stadtgas- Ära bis zu 50 Prozent Wasserstoff enthielt. Anpassungen z. B. bei der Messtechnik lassen sich so leicht und kostengünstig umsetzen. Wo noch zu forschen ist, sind wir aktiv mit dabei, u. a. in den jeweiligen Fachgruppen und –ausschüssen des BDEW und DVGW oder bei der Forschungsinitiative Hypos.

Rechtlich-regulatorischer Rahmen

Damit wir eine Energiewende mit Grünen Gasen hinbekommen, ist der rechtliche Rahmen zu modernisieren. Die SMARAGD-Studie des DVGW zeigt, hierzu sind zeitlich befristete Mechanismen notwendig. Am effektivsten wäre eine Grüngasquote. Dieser Anschub des Markthochlaufs von grünen Gasen würde bei überschaubarem und zeitlich begrenztem Aufwand zu deutlich schnelleren, nachhaltigen CO2-Einsparungen führen.

Auch auf technischer Seite nimmt insbesondere das Thema Wasserstoff deutlich Fahrt auf. Der DVGW wird Wasserstoff ins Regelwerk integrieren und kümmert sich um eine Festlegung des beim Einspeisen ins Gasnetz maximal zulässigen Wasserstoffanteils. Experten prognostizieren, dass unsere Infrastruktur schon heute bis zu zehn Prozent Wasserstoff als Zumischung zum Erdgas vertragen würde. Anders sieht es noch bei den Anwendungen aus, von denen einige keinen, andere wie die Erdgasmotoren der CNG-Fahrzeuge max. zwei Prozent Wasserstoff verkraften.

Grüne Gase auch EU-Top-Thema

Auf dem 31. Madrid Forum, dem jährlichen Treffen aller europäischen Regulierer, wesentlicher europäischer Gasverbände und Vertreter der Wirtschaftsministerien der Länder unter Leitung der EU-Kommission, standen auch Grüne Gase und Klimaschutz im Fokus. ONTRAS nahm für die Green Gas Initiative (GGI) teil, dem Zusammenschluss von sieben europäischen Gasinfrastrukturbetreibern, die eine CO2-neutrale Energieversorgung bis 2050 wollen. Mit der in Madrid angekündigten Studie „Value of the Gas Infrastructure in Europe“ der Green Gas Initiative werden die Potenziale der europäischen Gasinfrastruktur für das Erreichen der Pariser Klimaziele analysiert. Die Studie wird Fallbeispiele aus bei der Energiewende führenden Ländern aufzeigen, Vorschläge bei der Gasmarkregulierung skizzieren sowie die Richtung einer künftigen Entwicklung der Gasinfrastruktur benennen. Die Ergebnisse sollen im 2. Quartal 2019 veröffentlicht werden. Aufbauend auf den Ergebnissen einer ähnlichen Studie in Deutschland zeichnet sich schon ab, dass die darin ermittelten Vorteile auch auf europäischer Ebene gelten: Mit grünen Gasen und Gasinfrastruktur sind die Klimaziele erreichbar, die Kosten überschaubar und die Kunden weniger unter Druck – und das alles bei Gewährleistung einer hohen Versorgungssicherheit.

Nun müssen dafür konkrete Änderungen am gesetzlichen und regulatorischen Rahmen erfolgen, damit die dafür notwendigen Technologien möglichst schnell und kostengünstig zum Einsatz gelangen können. Hierzu erarbeitet die Europäische Kommission aktuell einen entsprechenden Vorschlag. Die Aufgabe für uns als Netzbetreiber besteht in dem Nachweis der Wasserstoffverträglichkeit unserer Netze und der Umsetzung entsprechender Projekte als Reallabore.

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