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< Ampel fährt beim Energiesparen nur auf Sicht
23.08.2023 10:09 Alter: 1 year

Gebäudeenergiegesetz wirtschaftlich und sozial ausgestalten

„Die Ampelregierung sollte die Zwangspause nutzen, um sich noch einmal mit dem Gesetz zu befassen und um sich ein paar Gedanken darüber zu machen, wie sie Gesetzesvorhaben künftig gestalten will.“


Axel Gedaschko, Präsident Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW

Das Bundesverfassungsgericht hat die geplante Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Deutschen Bundestag in einem Eilverfahren gestoppt. Die sozial orientierte Wohnungswirtschaft im GdW und die weiteren Verbände in der Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) fordern die Regierung auf, die Zeit für das Erstellen eines wirtschaftlich und sozial gerechten Förderkonzepts zu nutzen. THEMEN!magazin sprach mit Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW zu den Anforderungen an das GEG.

Herr Gedaschko, ist die Aufregung um das Gebäudeenergiegesetz berechtigt?

Absolut. Der bisherige Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens rund um das GEG war chaotisch und vollkommen inakzeptabel. Das politische Ziel eines annähernd klimaneutralen Gebäudebestandes wurde erstmals im Ende September 2010 veröffentlichten Energiekonzept der damaligen Bundesregierung festgeschrieben. Das Ziel ist also seit knapp 13 Jahren bekannt; diverse Nachfolgeregierungen hatten Zeit, die Weichen für das Erreichen zu stellen. Die amtierende Ampelkoalition hat nun beim GEG so viel Tempo gemacht, dass sie die Fristen der Bundestagsgeschäftsordnung nicht mehr auch nur annähernd einhalten konnte. Das ist völlig unangemessen. Auf ein paar Wochen mehr oder weniger kommt es nach fast 13 Jahren eindeutig nicht mehr an. 

War das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichtes notwendig?

Das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts in das Gesetzgebungsverfahren zum GEG war leider notwendig. Der bisherige Verlauf des Verfahrens war für eine parlamentarische Demokratie und die Bürger unzumutbar. Wer versucht, Regelungen mit solch tiefgreifenden Veränderungen für die Menschen und Unternehmen in unserem Land einfach ‚durchzuziehen‘, erweist der Sache und der Demokratie einen Bärendienst. Das GEG wird als abschreckendes Beispiel für Hauruck-Gesetzgebung in die Parlamentsgeschichte eingehen. Das schadet der Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor. Sinnvoll wäre eine Beratung des Gesetzes nach der Sommerpause im September, denn selbst unter Experten sind noch viele Punkte unklar und strittig. Die verbleibende Zeit bis zur zweiten und dritten Lesung des GEG muss jetzt unbedingt genutzt werden, um dringend notwendige Anpassungen vorzunehmen und das Gesetz sowohl wirtschaftlich als auch sozial gerecht zu gestalten. 

Im Gesetzentwurf wird ein fehlendes Förderkonzept bemängelt, warum?

An allererster Stelle muss eine funktionierende Fördersystematik stehen, um die Wärmewende nicht nur für selbstnutzende Eigentümer, sondern auch für alle Mieter bezahlbar zu machen. Vermieter und Mieter dürfen hier nicht benachteiligt werden, was nach den aktuellen Vorhaben eindeutig der Fall wäre. Zusätzlich werden vor allem Vermieter größerer Mehrfamilienhäuser bei der Förderung benachteiligt. Dem GEG-Entwurf fehlt ein klares, belastbares und mit EU-Beihilferecht abgestimmtes Förderkonzept. Es ist unfassbar, dass bei diesem elementaren Thema nicht parallel der wichtigste Baustein für eine sozial und wirtschaftlich faire Umsetzung vorbereitet und zeitgleich vorgelegt wurde. Die soziale Gerechtigkeit wurde von der sozial-grün-liberalen Koalition vollkommen vergessen. Für die Bürger und die Wohnungsunternehmen bedeutet dies eine weitere enorme Verunsicherung. Durch die Erfahrungen mit der KfW-Förderung im Jahr 2022 besteht massive Skepsis, dass die in Aussicht gestellten Förderinstrumente längerfristig zur Verfügung stehen werden. Die Mittel aus dem Energie- und Klimafonds (EKF) sind dafür jedenfalls nicht längerfristig in ausreichender Größenordnung vorhanden. Der Gesetzgeber muss hier für Planungssicherheit sorgen und deshalb einen gesetzlichen Förderanspruch für mindestens 10 Jahre verankern. So wird es beispielsweise auch beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) gehandhabt, um den Ländern langfristige Planungssicherheit zu geben. Und in der Industrie erhalten die Unternehmen entweder massive Einzelsubventionen oder längerfristig verbilligte Strompreise. Die Bürger haben hier nicht weniger Sicherheit verdient. Und ergänzend sollten Bundesbürgschaften über die KfW erfolgen, die durch die Landesförderinstitute ausgereicht werden können, um die Finanzierung der Maßnahmen zu erleichtern. 

Sie sehen auch Fehlstellen beim Thema Modernisierung?

Förderung und Modernisierungsumlage sollten wirtschaftlich und sozial gerecht erfolgen. Es ist ein Skandal, dass die Förderung ausgerechnet bei größeren Mehrfamilienhäusern stark eingeschränkt werden soll. Dadurch fehlt den sozial orientierten Wohnungsunternehmen schlicht Eigenkapital, so dass Investitionen in die energetische Sanierung der Gebäude erschwert werden und für den notwendigen Wohnungsneubau kein Geld mehr übrig bleibt. Für Modernisierungen sind bei der Mietanpassung nun starre Kappungsgrenzen von 50 Cent pro Quadratmeter vorgesehen. Diese und die ebenfalls vorgesehene zusätzliche 10-Prozent-Modernisierungsumlage sind allein auf den Austausch des Heizungs-Gerätes beschränkt. Vermieter mit bezahlbaren Mieten werden so nicht genügend Eigenkapital für die Finanzierung der aufwändigen Modernisierungsmaßnahmen zur Verfügung haben. Dies betrifft besonders sozial orientierte Vermieter mit geringen Mieten. Die Kosten für den Einbau von Wärmepumpen und für die gleichzeitig notwendigen Zusatzmaßnahmen wie Dämmung sind für sie schlicht nicht finanzierbar, wenn gleichzeitig auch noch ihre Investitionsfähigkeit beschnitten wird. 

Welche Vorschläge unterbreitet die Immobilienwirtschaft?

Die Förderquote muss mindestens 50 Prozent betragen, damit die Finanzierbarkeit des Heizungstauschs sichergestellt werden kann. Zudem muss sich die Förderung auf die Vollkosten der Investition beziehen. Dabei ist es unbedingt notwendig, dass der vorgesehene Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent auch für Wohnungsunternehmen vorgesehen wird. Der Speed-Bonus sollte bis 2030 in voller Höhe gewährt werden, so dass mit Abschluss der Wärmeplanung 2028 noch eine Planungszeit berücksichtigt wird. Wohngebäude mit günstigen Mieten bis zu 7 Euro pro Quadratmeter müssen ebenfalls den 30-Prozent-Sozialbonus erhalten, damit aufgrund noch geringerer Investitionsmittel eine Finanzierung gewährleistet werden kann. Zudem sollte die 50-Cent-Kappungsgrenze indexiert und auf die geltende 2- bzw. 3-Euro-Grenze auf dann maximal 2,50 bzw. 3,50 Euro pro Quadratmeter aufgeschlagen werden. Nur so lässt sich die Investitionsfähigkeit für die Finanzierung der ambitionierten Klimaschutzmaßnahmen sichern. Gasetagenheizungen und Erdwärmepumpen und vergleichbare Fälle mit höheren Investitionskosten benötigen zudem eine höhere Förderung, wenn die Kappungsgrenze von 50 Cent pro Quadratmeter bestehen bleibt und wenn Ausnahmen wegen Härtefall nach GEG vermieden werden sollen.

Die im GdW organisierten Wohnungsunternehmen sind bislang der Garant für bezahlbare Mieten in Deutschland – mit Angebotsmieten bei Erst- und Wiedervermietung, die deutlich unter dem bundesweiten Schnitt liegen. Die wichtige mietdämpfende Wirkung der Wohnungsunternehmen ist aber in Gefahr, da die Kosten an allen Ecken und Enden steigen und die Regierung die Förderung gleichzeitig deutlich verschlechtert hat.

Was erwartet die Branche von einem qualifizierten GEG?

Es kommt darauf an, teure Fehlentscheidungen für Bürger und Unternehmen auszuschließen. Das GEG funktioniert nur mit einer sozial gerechten Fördersystematik und muss zwingend gemeinsam damit sowie mit dem Wärmeplanungsgesetz und der Wärmelieferverordnung verabschiedet werden. Andernfalls werden teure Fehlentscheidungen auf Seiten der Bürger gefördert. Es kann nicht sein, dass Bürger und Unternehmen in die Umsetzung des GEG gezwungen werden, ohne dass die von der Kommune gesetzlich geforderte Wärmeplanung auf dem Tisch liegt. Dem Staat kommt hier eine Vorbildfunktion zu. Außerdem muss die Digitalisierung der Heizkostenverordnung und der Betriebskostenverordnung gestartet werden. Wenn die Ampel-Koalition es mit der Energiewende ernst meint und gleichzeitig soziale Spaltung verhindern will, muss sie die entsprechenden  

Stellschrauben dringend anpassen. Herr Gedaschko, wir bedanken uns für das Gespräch.  

 

www.gdw.de; www.bid.info