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Fünf Punkte – eine Quote!
Thüga ruft die Politik auf zu handeln: In einem Positionspapier schlägt sie fünf Maßnahmen vor, wie durch mehr erneuerbares Gas weniger CO2 im Wärme- und Verkehrsbereich ausgestoßen werden kann. Gefordert wird die Einführung einer Quote für erneuerbare Gase und die Gleichbehandlung aller Sektoren in Sachen CO2-Emissionen.
Michael Riechel, Vorsitzender des Vorstands der Thüga Aktiengesellschaft, im Gespräch über den Fünf-Punkte-Plan für erneuerbares Gas, den mehr als 60 Partnerunternehmen des Stadtwerkeverbunds unterstützen.
Herr Riechel, was gab den Anstoß für diese Initiative der Thüga-Gruppe?
Dafür gab es eine Reihe von Auslösern: Die Bundesregierung und die EU streben eine deutliche Reduktion der Treibhausgase an. Aktuell sind alle Mitgliedsstaaten aufgefordert, individuelle Ziele und Maßnahmen zu entwickeln. Außerdem müssen Länder, die ihren CO2-Ausstoß nicht schnell genug reduzieren, einen Ausgleich an erfolgreiche EUMitgliedstaaten zahlen. Schon in diesem Jahr sind dafür 100 Mio. Euro im Bundeshaushalt eingestellt und bis 2030 könnten die Zahlungen laut Schätzungen auf 11 Mrd. Euro pro Jahr ansteigen. Damit steht die Politik massiv unter Druck, konkrete Maßnahmen umzusetzen. Diese Entwicklungen, die mit dem aktuellen Klimapaket ja nicht abgeschlossen sind, werden sich langfristig auf das Kerngeschäft der Stadtwerke und auf die Thüga-Gruppe auswirken.
Das hat die Thüga frühzeitig erkannt und sich in die politische Debatte eingebracht. Im Juli veröffentlichte sie ein Positionspapier, dass detailliert aufzeigt, wie die CO2-Emissionen in Deutschland durch den Einsatz erneuerbarer Gase zügig und kostengünstig reduziert werden können. Mit den von uns vorgeschlagenen Maßnahmen lassen sich die Treibhausgasemissionen insbesondere im Gebäudeund Verkehrsbereich effektiv und effizient senken. Damit könnte Deutschland die drohenden Ausgleichszahlungen beim Verfehlen der CO2-Minderungsziele zu großen Teilen vermeiden.
Wie sollen die Maßnahmen funktionieren?
Das Positionspapier enthält einen Fünf- Punkte-Plan für die Markteinführung von erneuerbarem Gas. Alle Maßnahmen funktionieren sowohl im Zusammenspiel als auch jede für sich.
Die in dieser konkreten Form erstmals geforderte Quote sieht für Sektoren, deren CO2- Emissionen nicht über den Emissionshandel ausgeglichen werden, einen stetig steigenden Anteil erneuerbarer Gase auf bis zu 25 Prozent im Jahr 2030 vor. Die verbindliche Quote wird über den Gas-Vertrieb abgewickelt und kann durch nachhaltig erzeugtes Biomethan oder Wasserstoff aus erneuerbarem Strom erfüllt werden. Wir gehen davon aus, dass die Quote zunächst vor allem über Biomethan aus Deutschland erfüllt wird. Damit schaffen wir Wertschöpfung vor Ort und geben den Landwirten eine langfristige Absatzperspektive. Gleichzeitig sollen auch Regeln für den Import erneuerbarer Gase geschaffen werden. Denn insbesondere nach 2030 wird Deutschland erneuerbares Gas aus dem Ausland benötigen.
Auch zum Thema Abgaben und Umlagen haben wir klar Position bezogen. Wir schlagen vor, dass der gleiche CO2-Preis im EUEmissionshandel und im Effort Sharing gelten sollte. Damit werden faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen. Die Abwicklung sollte über einen neuen Aufpreis für die Sektoren im Effort Sharing erfolgen. Dieser kann dann z. B. jährlich an das CO2-Preisniveau im EU-Emissionshandel angepasst werden. Alle Sektoren würden damit beim Ausstoß von CO2 gleichbehandelt.
Es wird vorgeschlagen, den Anteil von Wasserstoff in der Gasinfrastruktur zu steigern und Power-to-X-Anlagen auszubauen. Welche Erfahrungen besitzt Thüga auf diesem Gebiet?
13 Unternehmen aus der Thüga-Gruppe haben bereits 2013 eine Demonstrationsanlage für Power-to-Gas in Frankfurt in Betrieb genommen, Wasserstoff ins Verteilnetz eingespeist und die Technologie auf Herz und Nieren getestet. Dabei wurden unsere Erwartungen übertroffen. Mit diesen Erfahrungen aus der Praxis sind wir Mitglied der Power-to- X-Allianz geworden, die sich in Berlin für den Einsatz von Power-to-X-Technologien engagiert und im April 2019 der Politik konkrete Vorschläge für ein entsprechendes Markteinführungsprogramm unterbreitet hat. Diese Ideen finden sich natürlich auch in unserem Fünf-Punkte-Plan. Wir hoffen, dass die Politik im Rahmen der Wasserstoffstrategie, die für Ende des Jahres angekündigt ist, unsere Vorschläge aufgreift und weiterentwickelt.
Zusätzlich sollten die Gasnetze durch die entsprechende Technik auf die steigenden und schwankenden Wasserstoffanteile vorbereitet werden. Der DVGW arbeitet bereits sehr intensiv an dieser Thematik, gleichzeitig gilt es nun, weitere Akteure wie z. B. die BNetzA, Gasanlagenhersteller und Verbraucherschützer für das Thema Wasserstoff zu gewinnen und ein gemeinsames Verständnis für die anstehende Transformation zu schaffen.
Erneuerbares Gas im Wärme- und Verkehrssektor soll in den Regelwerken anerkannt werden, mit welchem Ziel?
Wir schlagen vor, dass der Nutzen von erneuerbarem Gas im Wärme- und Verkehrssektor in den Regelwerken anerkannt wird. Damit entstehen für den Kunden Anreize, mehr erneuerbares Gas zu nutzen, als von der Quote verbindlich vorgegeben. Das ist eine alte Forderung der Gaswirtschaft, die leider immer noch aktuell ist, und die wir daher in unserem Fünf-Punkte-Plan erneut aufgegriffen haben. Die Politik verschenkt hier große Potenziale nicht nur für eine effektive und effiziente CO2-Minderung, sondern auch für heimische Wertschöpfung und Innovationen.
Das Positionspapier unterstützen über 60 Unternehmen der Thüga-Gruppe, war dies ein leichter Prozess?
Wenn man neue Gedanken formuliert, dann führt das natürlich immer zu kontroversen Diskussionen. Schlussendlich geht es darum, unterschiedliche Perspektiven zusammenzubringen und berechtigte Einwände konstruktiv gemeinsam auszuräumen. Das ist die Stärke der Thüga. Das Papier wurde zunächst in einem kleinen Kreis mit Vertretern aus 15 Partnerunternehmen erarbeitet, dieser Prozess hat vier Monate gedauert. Dabei wurde jede unserer Forderungen gründlich aus unterschiedlichen Blickwinkeln geprüft und hinterfragt. So ist ein fundiertes Papier entstanden, das große Unterstützung in der Thüga-Gruppe erfahren hat.
Thüga will mit diesen Forderungen den Dialog mit der Politik intensivieren. Sind Sie hier guter Hoffnung?
Wir, d. h. unsere Partnerunternehmen sowie die Stabsstelle Energiepolitik der Thüga in München, führen seit der Veröffentlichung im Juni viele Gespräche mit der Landes- und Bundespolitik sowie den Ministerien. Dabei stößt das Papier bisher immer auf großes Interesse und überwiegend auch auf Befürwortung. Gleichzeitig ist das Thema erneuerbares Gas noch ein neues Feld, bei dem es viel Überzeugungsarbeit bedarf.