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Flexibilität in den Mittelpunkt rücken
Als Dienstleister mit regionaler Ausrichtung gestaltet die Oldenburger EWE AG mit den Menschen vor Ort die Energiezukunft. Der kommunale Konzern vereinigt die Geschäftsfelder Energie, Telekommunikation und IT – Schlüsselkompetenzen für intelligente Systeme. Mit mehr als 9.000 Mitarbeitern und über acht Milliarden Euro Umsatz ist EWE eines der größten kommunalen Unternehmen Deutschlands.
Zu wichtigen Eckpunkten für den Energiemarkt der Zukunft sprach themen|:magazin Energie mit Dr. Werner Brinker, Vorsitzender des Vorstandes der EWE AG.
Herr Dr. Brinker, Sie kennzeichnen die Energiewende oft als Mannschaftssport, warum?
Keiner kann sie im Alleingang gestalten – denn die Investitionen sind hoch und die Rechnung geht nur auf, wenn alle Elemente ineinander greifen. Bürger, Kommunen und Unternehmen der Region müssen zusammenarbeiten und Lösungen finden, die vor Ort akzeptiert werden und von denen möglichst viele profitieren. Wer etwas zur Energiewende beitragen kann und will, muss sich auch einbringen können – zum einen mit Ideen, zum anderen aber auch durchaus unternehmerisch, zum Beispiel durch Beteiligungen an Windparks und Lastverschiebungen beziehungsweise mehr Flexibilität beim Verbrauch.
Nicht zuletzt ist die Energiewende ein politisches Projekt, dessen Rahmenbedingungen aus Berlin und Brüssel kommen. Diese müssen dringend reformiert werden, damit die Zahnräder ineinander greifen. Es gilt, Erneuerbare sukzessive aus der Förderung an den Markt zu führen, intelligente Stromnetze zu etablieren, Anreize für flexible Kraftwerke zu schaffen, die Schwankungen aus Wind und Sonne auszugleichen, die CO2-Mengen richtig zu setzen und die Kosten für Erneuerbare und Netze gerechter zu verteilen.
EWE hat eigene Eckpunkte für den Energiemarkt der Zukunft fixiert, warum?
Allen Beteiligten ist klar: Eine umfassende Reform der Energiemärkte ist nötig, um die Energiewende nicht auszubremsen. Zuletzt wurde jedoch fast nur über hohe Kosten, Verzögerungen und die ungenügende Verzahnung der verschiedenen Komponenten diskutiert. Deshalb sehen wir es als notwendig an, dass EWE sich konstruktiv an der politischen Debatte beteiligt und das eigene Knowhow in diese einbringt. Denn EWE agiert in einer Region, in der hohe EE-Anteile vorliegen und die Energiewende bereits weit fortgeschritten ist.
Wir begleiten den Meinungsbildungsprozess, der 2016 in ein neues Energiewirtschaftsgesetz münden soll, mit konstruktiven Vorschlägen aus der Praxis. Im Zentrum steht für uns der Gedanke, durch maximale Flexibilität und intelligente Steuerung die Infrastruktur so gut wie möglich auszulasten, um unnötige Kosten zu vermeiden. Auch ist es uns wichtig, alle Akteure fair in die Chancen und Herausforderungen der Energiewende einzubinden.
Es wird stark über den Kapazitätsmarkt diskutiert, ist ein solcher gesamtwirtschaftlich zu rechtfertigen?
Wir unterstützen die Idee der Weiterentwicklung des bestehenden mengenbasierten Strommarktes (so genannter Energy-only- Markt), der von einer Kapazitätsreserve flexibler Erzeugungsanlagen für den Notfall flankiert wird. Der von weiten Teilen der Energiewirtschaft geforderte Aufbau eines zusätzlichen Kapazitätsmarktes, auf dem die Vorhaltung gesicherter Leistung separat vergütet wird, ist nach unserer Ansicht nur zu rechtfertigen, wenn die Versorgungssicherheit in Deutschland auf anderem Wege nicht wirtschaftlich zu gewährleisten ist.
Um das Niveau der Versorgungssicherheit stets im Blick zu haben, sollte ein kontinuierliches Monitoring durchgeführt werden, das die europäische Dimension mit einbezieht. Bei der Ausgestaltung des künftigen Strommarktes sollte auf klare Anreize für flexibles Verhalten aller beteiligten Akteure geachtet werden: Flexibilität ist für mich der Problemlöser der Energiewende. Wir müssen deshalb diejenigen belohnen, die Strom dann erzeugen, wenn er benötigt wird – und auch jene, die ihn vorrangig verbrauchen, wenn viel bereitgestellt werden kann.
Also sehen Sie den Kapazitätsmarkt nur als letztes Mittel?
Ja. Das bedeutet allerdings, dass die Politik auch im Falle extremer Knappheitspreise staatliche Interventionen konsequent unterlässt. Wer sich richtigerweise gegen den Kapazitätsmarkt entscheidet, muss kurzzeitige extreme Preisspitzen am Strommarkt hinnehmen – denn nur diese sind dann noch Anreiz für Investitionen in klimaschonende und flexible Technik. Bislang wird der Markt nur in eine Richtung beeinflusst: Durch das erhebliche Angebot an gefördertem EEG-Strom sinkt der Börsenpreis, bei einem Überangebot rutscht er sogar mitunter ins Minus. Nach oben ist der Börsenpreis technisch begrenzt, nach unten offen – das passt nicht zusammen.
Denn wird der Großhandelspreis künstlich niedrig gehalten, investiert niemand in moderne Technik oder betreibt den Aufwand, seine Stromproduktion oder -nachfrage flexibel zu gestalten. Im Gegenteil: Flexible Gaskraftwerke, Biogasanlagen oder intelligente Verbraucher erhalten keine ausreichenden monetären Anreize. Stellvertretend steht dafür aktuell der Stilllegungsantrag für Europas modernstes Gaskraftwerk Irsching.
Die Energiewende wird so viel teurer, weil die Erneuerbaren weiterhin subventioniert werden und ohne intelligente Technik viel mehr Netzausbau nötig ist. Die Zeche zahlen am Ende die Bürger in Form höherer Umlagen.
Wie steht es aus Sicht von EWE um Netzausbau und intelligente Netze?
Um Strom aus Erneuerbaren Energien effizient ins Energiesystem zu integrieren und dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird, müssen Verteil- und Übertragungsnetze zügig ausgebaut werden. Hierbei gilt es auch stärker den europäischen Kontext zu betrachten. Die Netzregulierung muss diesen Herausforderungen Rechnung tragen: Es ist nötig, den in der Anreizregulierung verankerten Zeitverzug bei der Anerkennung von Investitionen in die Verteilernetze zügig zu beseitigen und Investitionen in intelligente Netze bei der Regulierung zu berücksichtigen. Denn besonders für die Verteilernetze ist die Ausrüstung mit intelligenter Mess- und Steuertechnik wichtig – ein intelligentes Netzmanagement senkt die Notwendigkeit von teurem konventionellem Netzausbau.
Beispielsweise können mit dem von EWE entwickelten Konzept des intelligenten Einspeisemanagements 70 Prozent konventioneller Ausbaukosten vermieden werden, wenn Netzbetreiber im Falle von Netzengpässen in letzter Instanz bis zu fünf Prozent der Jahresproduktionsmenge aus EEG-Anlagen flexibel abregeln dürfen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat diesen Ansatz aufgegriffen, aber die regelbare Strommenge auf drei Prozent begrenzt. Damit verschenkt die Regierung Potenzial, doch der Schritt geht in die richtige Richtung.
Wir schaffen eine effiziente Energiewende nur, wenn das ganze System intelligenter und flexibler wird. Wichtig ist uns auch, dass die Netzentgelte gerade im Hinblick auf die starke Zunahme der Prosumer verursachergerecht gestaltet und EEG-bedingte Netzausbaukosten bundesweit umgelegt werden – denn die Akzeptanz für das Jahrhundertprojekt steht und fällt mit dem Eindruck der Bürger, dass es dabei fair zugeht und jeder einen angemessenen Beitrag leistet.
Das komplette EWE-Positionspapier zum Strommarkt-Grünbuch des Bundeswirtschaftsministeriums auf: www.ewe.com/energiemarkt