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01.04.2015 17:50 Alter: 10 yrs

Fernleitungsnetzbetreiber als Partner der Energiewende

Beim Thema Energiewende führt Erdgas meist ein Schattendasein. Obwohl schon seit Jahren Erdgas in Kombination mit regenerativen Energien für niedrigere CO2-Emissionen sorgt und das Gasnetz neben Erdgas in zunehmendem Maße auch regenerative Gase wie Bioerdgas und Wasserstoff aus Power-to-Gas-Anlagen transportiert, meint Energiewende nach wie vor im Wesentlichen den Strombereich. Dabei sind Gas und die intelligente Konvergenz von Gas- und Stromnetzen der Schlüssel für eine bezahlbare CO2-arme Energieversorgung in der Zukunft. Ein Gastbeitrag von Ralph Bahke, Geschäftsführer ONTRAS Gastransport GmbH.


Foto: ONTRAS

Schon wenige Fakten zeigen, dass Gas eine führende Rolle in der Energieversorgung einnimmt und damit bei der Energiewende eine tragende Rolle spielen sollte: Im Jahr 2014 war der Gasverbrauch in Deutschland mit 823 Milliarden kWh 1,5mal höher als der Stromverbrauch (534 Milliarden kWh). Jährlich transportiert das Gasnetz etwa doppelt so viel Energie wie das Stromnetz. Und soll der künftige Energiemix nicht – wie in den Vorjahren – aufgrund übermäßiger Nutzung von Kohlekraftwerken wieder zu mehr anstatt weniger CO2-Emissionen führen, sind Gaskraftwerke noch für viele Jahre unverzichtbar. Mittlerweile hat zumindest die Europäische Kommission die Bedeutung von Erdgas für die Energiewende erkannt und dem Energieträger in ihrem Strategiepapier zur European Energy Union einen entsprechend großen Raum eingeräumt. Darin steht Erdgas bei den 15 „action points“ noch vor Strom, gleich an zweiter Stelle.

Strompartner Gasinfrastruktur

Betrachten wir die Energiewende über alle vorhandenen Energieträger und -systeme, birgt das Gasnetz noch eine positive Eigenschaft: Im Gegensatz zum Stromnetz kann es jederzeit mit stark fluktuierenden Gasmengen umgehen, über längere Zeit als Puffer wirken und damit Speicherfunktion übernehmen.

Zusammen mit den an das Netz angeschlossenen Gasspeichern in Deutsch land besitzt die Gasinfrastruktur damit eine Speicher- kapazität von jährlich etwa 220 TWh. Somit kann das Gasnetz für den Strombereich eine zentrale Funktion übernehmen, indem es Überschussstrom – z. B. stofflich umgewandelt mittels Power-to-Gas in Wasserstoff oder synthetisches Methanbeliebig lange speichern kann.

Durch diese Systemdienstleistung für die Strom netzbetreiber ließen sich Leistungs- spitzen abbauen und die Abregelung von Solar- oder Windkraftanlagen verringern. Gekoppelt mit Biogasanlagen könnten zudem die CO2-Emissionen noch weiter gesenkt werden. Das bei der Biogasaufbereitung anfallende CO2 wird beim Methanisieren von Wasserstoff verbraucht.

Unabdingbare Voraussetzung dafür ist eine intelligente Konvergenz von Strom- und Gasnetzen. Erst diese Kopplung von Energieträgern macht die Volatilität beherrschbar. Das erfordert künftig eine enge Zusammenarbeit zwischen der Strom- und der Gasbranche, z. B. beim Erstellen der jeweiligen Netzentwicklungspläne, beim Entwickeln von Regelwerken, aber auch konkret bei einzelnen Projekten. Der Dachverband der europäischen Gasinfrastrukturbetreiber GIE (Gas Infrastructure Europe) empfiehlt ebenfalls, die Verordnungen für Gas wie für Strom koordiniert weiterzuentwickeln. Darüber hinaus fordert GIE, auch die Regeln für die Sicherheit der Gasversorgung mit voller Berücksichtigung ihrer möglichen Auswirkungen auf den Strommarkt und umgekehrt festzulegen.

Power-to-Gas macht Klimaschutz bezahlbar

In Diskussionen wird Power-to-Gas als das Verfahren, nicht nutzbaren Überschussstrom in Synthesegas umgewandelt langfristig zu speichern und zu beliebigen Zeiten wieder zu nutzen, allenfalls als künftige Option gesehen, um umfangreiche Abregelungen im Strombereich zu verringern. „Nicht wirtschaftlich“ und „durch intelligentes Lastmanagement und Kurzfristspeicher überflüssig“ sind Argumente dagegen. Doch lassen sich Ab schal tungen nicht vermeiden. Das belegen die per manent steigenden Eingriffe ins Strom netz: 2014 mussten Regenerativ strom erzeu ger in Höhe von fast 13.000 MWh abgeregelt werden, zudem waren über 8.000 Redispatch-Stunden nötig, um das Stromnetz stabil zu halten. Und mit jedem Jahr steigt der Anteil von Regenerativ strom und damit der Anteil volatiler Energie erzeugung, der abzuregeln ist.

Power-to-Gas bietet gegenüber anderen Möglichkeiten deutliche Vorteile. Das belegt auch eine aktuelle Studie des Fraunhofer- Instituts für Solare Energiesysteme ISE1 . Ein Zentrales Ergebnis: Durch den kommerziellen Einsatz der Technologie Power-to-Gas sind die Klimaschutzziele der Bundesregierung, Treibhausgasemissionen in Deutschland bis zum Jahr 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, kostengünstiger zu erreichen. Sinken z. B. mit Hilfe des Ausbaus von Power-to-Gas die CO2- Emissionen bis 2050 um 80 Prozent, ließen sich im Vergleich zu Energiesystemen ohne die Speicher tech no logie jährlich 60 Milliarden Euro einsparen. Die Investitionen zum Aufbau der Kapazitäten amortisieren sich schon nach weniger als fünf Jahren. Bei einer kostenoptimierten CO2-Reduktion von 81 Prozent ergibt sich ein Energiemix aus 45 Prozent fossilem Erdgas, 40 Prozent synthetischem erneuerbarem Erdgas und 15 Prozent Biogas. Große Teile des synthetischen erneuerbaren Erdgases werden in diesem Modell im Mobilitätssektor genutzt. CO2-Minderungsziele von mehr als 82 Prozent lassen sich nur durch den Einsatz von Power-to-Gas erreichen.

Diese Ergebnisse untermauern die bereits in der Fraunhofer ISE-Studie „Energiesystem Deutschland 2050“ im Jahr 2013 gewonnenen Erkenntnisse. Der als volkswirtschaftlich sinnvoll betrachtete Ausbau des Power- to-Gas Pfades setzt voraus, dass wir heute anfangen, diese Technologie zu etablieren, damit wir sie rechtzeitig und technologisch hochentwickelt in den erforderlichen Größenordnungen bereit stellen können. Die von vielen Kritikern ins Feld geführten, angeblich immensen Kosten für Power-to-Gas werden sich mit steigender Anlagenzahl sehr schnell relativieren. Denken wir an die Photovoltaik: Dort sanken die Kosten von 2005 mehr als 40 Eurocent pro Kilowattstunde (ct/kWh) auf heute durchschnittlich 9 ct/kWh. Für 2050 werden 2-4 ct/kWh prognostiziert.

Fazit

Wollen wir die Energiewende volkswirtschaftlich tragbar gestalten, sollten wir möglichst zügig Rahmenbedingungen gestalten, um eine intelligente Konvergenz von Gas- und Stromnetzen voran zu bringen. Power-to-Gas sollte dabei als eine wesentliche, langfristig erhebliche Kosten einsparende Technologie einbezogen sein. Wesentlich wäre es, den Bau solcher Anlagen an entsprechende Standortfaktoren zu binden. So sollten die Anlagen nur an geeigneten Schnittpunkten zwischen Gas- und Stromnetzen stehen. Bei einer Methanisierung sind Standorte mit geringerer Auslastung des Gasnetzes in der Nähe einer Biogasanlage als CO2-Quelle sowie mit ausreichendem Wärmebedarf anzustreben, damit anfallende Prozesswärme mit genutzt werden kann. Die Einspeisung von Wasserstoff sollte sich auf den „Anfang“ eines Leitungssystems (in Strömungsrichtung) konzentrieren und sich auf Leitungen mit annähernd konstantem und hohem Erdgas-Volumenstrom beschränken.

www.ontras.com

1 „The role of power to gas in achieving Germany’s climate policy targets with a special focus on con- cepts for road based mobility”, März 2015