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Kategorie: Klimaschutz
Gasinfrastruktur: Europäischer und nationaler Netzentwicklungsplan gefordert
Die Infrastruktur zur Weiterentwicklung des europäischen Gasmarkts verlangt mehr Tempo, wie es auch EU-Energiekommissar Oettinger kürzlich gefordert hat. Denn die Ferngasleitungsnetze erhalten im Energie-Mix eine Schlüsselrolle für die europäische Energieversorgung. Einmal verlegt, transportieren diese unsichtbaren Energieautobahnen das Gas von den Lieferquellen bis zu den Verbrauchern in die einzelnen Regionen eines Landes. Erdgasanwendungen erreichen höchste Wirkungsgrade, besonders wenn sie Strom und Wärme in einem gekoppelten Prozess erzeugen. Sie lassen sich problemlos mit Solarzellen oder Fotovoltaikanlagen kombinieren. Die ohnehin günstige CO2-Bilanz beim Verbrennen des Gases lässt sich mit steigendem Anteil von Biogas im Gasnetz weiter verbessern, so wie heute schon beim Einsatz als Kraftstoff. Zusätzlich kann das Gasnetz auch als Stromspeicher genutzt werden, wenn mit der „Power to Gas“-Technologie Wind- oder Solarstrom in Wasserstoff oder weiter in synthetisches Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, umgewandelt und ins Gasnetz eingespeist wird. Daraus ergeben sich jedoch zusätzliche Anforderungen an das Gasnetz, die von allen Beteiligten neue Herangehensweisen erfordern.
Energiepolitische Weichenstellungen
Die Politik entwickelt derzeit entsprechende Regeln, um diese Entwicklungen in bestehende Konzepte einzubinden und voranzutreiben. Eine Basis dafür sind mehrjährige Netzentwicklungspläne für Strom und Gas auf europäischer, regionaler wie nationaler Ebene. Sie sollen zu einer bedarfsgerechten Optimierung der Netze durch gezielten Ausbau führen und dabei sowohl eine weiterhin gesicherte Versorgung ermöglichen als auch einen zuverlässigen Netzbetrieb gewährleisten. Für Europa hat das Europäische Netzwerk der Fernleitungsnetzbetreiber für Gas (ENTSOG) den ersten Netzentwicklungsplan Gas Ende 2009 veröffentlicht und eine aktualisierte Version im Februar 2011 vorgestellt. Dieser europäische Zehn-Jahres-Netzentwicklungsplan (TYNDP = ten year network development plan) beschreibt unterschiedliche Szenarien für die Jahre 2011 bis 2020 und wird künftig alle zwei Jahre neu erstellt.
Der TYNDP ist unverbindlich. Da jedoch die Ferngasnetzbetreiber (FNB) darin angeführte Vorhaben mit nationalen Maßnahmen abgleichen müssen, verpflichtet er indirekt zum Umsetzen. In Deutschland verpflichtet § 15a der EnWG-Novelle die zwölf Ferngasnetzbetreiber, erstmals zum 1. April 2012 gemeinsam einen nationalen Netzentwicklungsplan (NEP) für die Jahre 2013-2022 vorzulegen. Danach ist dieser jährlich fortzuschreiben.
Entwicklungspfade für den Gasbedarf
Der aktuelle TYNDP prognostiziert, dass die für Deutschland vorgesehenen und teilweise bereits durchgeführten Investitionsprojekte ausreichen, um den Kapazitätsbedarf für die kommenden zehn Jahre zu decken. Für den NEP ergeben sich daraus einige wesentliche Indikationen. So kann es durch die Nord Stream, die Opal und die NEL-Pipelines bereits 2013 zum Verlagern von Gasströmen und damit zu anderen Auslastungen der Grenzkopplungspunkte kommen. Die aus dem TYNDP resultierenden Einspeisemengen an den Grenzkopplungspunkten zu Deutschland können als Grundlage für die weiteren Modellierungen des deutschen NEP verwendet werden. Es bleibt bei den heutigen Hauptlieferrichtungen aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Das EnWG fordert jedoch als Grundlage für den NEP zunächst verschiedene Szenarien zum Prognostizieren des künftigen Gasbedarfs. Dieser sogenannte Szenariorahmen berücksichtigt neben demografischen und wirtschaftlichen Parametern auch Prognosen zur Entwicklung von Gasförderung und -erzeugung, Liefer- und Transportwegen sowie des Gasbedarfs. Zudem fließen bereits geplante Investitionsvorhaben und denkbare Störungen der Gasversorgung mit ein. Auch bereits geplante Gaskraftwerke und Biogasanlagen werden mit einbezogen. Im Juli 2011 beauftragten die 12 deutschen FNB die Prognos AG, diesen Szenariorahmen zu entwickeln und gemäß EnWG im Markt zu konsultieren. Der aktuelle Arbeitsstand lässt sich seit August 2011 jederzeit auf www.netzentwicklungsplan-gas.de nachverfolgen. Parallel zur Konsultation haben die FNB zudem die Liste bestehender wie geplanter Gaskraftwerke mit den Übertragungsnetzbetreibern abgeglichen und aktualisiert. Die Ergebnisse aus diesen Konsultationen flossen in einen überarbeiteten Szenariorahmen ein. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat diesen bestätigt. Damit bildet er die Basis für die umfangreichen Simulationsrechnungen der FNB. Erst aus den Ergebnissen dieser Modellrechnungen werden die FNB den eigentlichen NEP Gas für die Jahre 2013 bis 2022 erstellen.
Drei Entwicklungspfade, ein Trend: Der Gasbedarf sinkt
Vorhandene Studien und Prognosen zur Entwicklung einzelner Marktsegmente wie für den Gesamtenergiebedarf Deutschlands dienten als Basis für drei verschiedene Entwicklungspfade – Szenarios - für den künftigen Gasbedarf. Szenario I beschreibt einen konventionellen Weg, der aus der Fortschreibung der Energiepolitik von 2010 resultiert, jedoch die wirtschaftliche und demografische Entwicklung optimistischer betrachtet. Szenario II unterscheidet sich in der Einschätzung des Gasbedarfs zur Stromerzeugung. Szenario III berücksichtigt die energiepolitischen Ansätze nach der Energiewende und kommt zu den niedrigsten Gasbedarfswerten.
Ergebnis aller drei Szenarien ist ein drastischer Rückgang des Gesamt-Gasbedarfs gegenüber 2009. Wesentliche Ursachen neben dem generell prognostizierten Rückgang des Primärenergiebedarfs sind eine bessere Wärmedämmung und effizientere Gasgeräte in der Gebäudebeheizung. Zudem führen regional der Rückgang der Bevölkerung, eine zunehmende Überalterung und ein geringeres Wirtschaftswachstum zu geringerem Gasbedarf. Auch Gaskraftwerke tragen weniger zum Gasbedarf bei als allgemein angenommen, da sie nur für Spitzenlast und als Back-up für Wind- und Solarenergie eingesetzt werden.
Neben Eingangsdaten für den NEP bietet der Szenariorahmen zusätzliche Hinweise für alle Marktteilnehmer, gerade auch für Nicht-Netzbetreiber, z. B. welche Gasströme künftig zu erwarten sind oder wie sich der Gas-/Transportbedarf regional/ nach Marktsegmenten verändern wird.
Ausblick
Grundsätzlich ist ein gemeinschaftlicher NEP aller FNB sinnvoll. Dieser sollte praxisnah gestaltet werden und mehr als Planungshilfe und Richtschnur für eine wirtschaftlich optimierte und mögliche konvergente Entwicklung der Strom- und Gasinfrastruktur aufgefasst werden, weniger als administratorisch-planwirtschaftliche Vorgabe. So kann das Ferngasnetz seine Rolle im Rahmen der Energiewende trotz eines tendenziell sinkenden Gasbedarfs optimal erfüllen und Biogas wie auch „Strom zu Gas“ den Weg bereiten. Schon jetzt stehen die Inhalte des Konsultationspapiers auch allen Nicht-Netzbetreibern zur Verfügung.
Für eine politisch angestrebte Konvergenz der Strom- und Gasnetze sind weiterhin regelmäßige Abstimmungen zwischen Strom und Gas erforderlich. Beim Verteilen von Kosten für neue Technologien sollten Gaskunden nicht einseitig belastet werden. Anzustreben wäre ein eigener Fördermechanismus für Power-to-Gas-Anlagen, der zum einen die Wahl des volkswirtschaftlich sinnvollsten Standortes fördert und zum anderen die Nutzer dieser Anlagen, also letztendlich die Stromwirtschaft, auch an den Kosten angemessen beteiligt. Ohne gerechte Kostenwälzung nämlich würde Gas als Energieträger im Wettbewerb noch mehr benachteiligt.
Weitere Informationen unter www.ontras.com