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Energy Transformation ist ein globales Thema
„License to operate“ – die Herausforderung für Energieversorger
Die Energiewende ist kein deutsches Thema. Viele Länder der Welt stehen vor einer umfangreichen Transformation ihrer Energiewirtschaft - aus den unterschiedlichsten Gründen. Zukünftig geht es darum, den Mix aus dezentraler und zentraler Erzeugung bei gleichzeitig zunehmendem Anteil grüner Energie zu managen – auf Ebene der Volkswirtschaften wie auf Ebene der Unternehmen. Dies sind wesentliche Ergebnisse des 13. Global Power & Utilities Survey von PricewaterhouseCooopers AG WPG.
Dr. Norbert Schwieters, Global Energy Leader bei PwC nennt in seinem Beitrag die wichtigsten Fakten.
Im „magischen Ziel - Dreieck der Energiepolitik“ setzen die einzelnen Länder unterschiedliche Schwerpunkte. Viele stellen Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund und setzen weiterhin auf Kernenergie, zum Teil auch auf Schiefergas. Demgemäß ist die Zielgewichtung in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Deutschland legt einen Schwerpunkt auf Umweltverträglichkeit und Klimaschutz. Hier urteilen derzeit viele, das energiepolitische Dreieck sei gefährdet, vor allem mit Blick auf den Anstieg der Strompreise und die Versorgungssicherheit. Aus Sicht der Unternehmen sowohl der Energiewirtschaft als auch anderer Branchen ist das größte Problem der Energiewende derzeit die Unsicherheit über die künftigen Rahmenbedingungen. Zwar erteilt der Koalitionsvertrag einer rückwirkenden Änderung von Förderbedingungen eine klare Absage, anders als dies zum Teil in Südeuropa praktiziert wird, aber Investitionssicherheit ist unter den derzeitigen Bedingungen kaum gegeben. Nach der überwiegenden Auffassung der befragten Utilities wird weltweit die zentralisierte Stromerzeugung gegenüber der dezentralisierten Erzeugung und Übertragung deutlich an Boden verlieren.
Bestimmung des optimalen Mix aller Maßnahmen
Energiepolitik hat einen gesellschaftlich akzeptablen (Ziel)Punkt innerhalb des magischen Dreiecks zu definieren und anzusteuern – zu den geringsten gesellschaftlichen Kosten. Für Deutschland gilt die Gleich rangigkeit von Umweltverträglichkeit, Versor gungssicherheit und Bezahlbarkeit. In diesem Kontext unterzieht Deutschland die Energie wirtschaft derzeit einem Labor experiment. Der Zielpunkt innerhalb des Dreiecks kann unter anderem mit folgenden Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen (Strom, Wärme, Verkehr) erreicht werden:
1. Energieeinsparung auf der Verbraucherseite,
2. Nutzung von erneuerbaren Energieträgern,
3. Einsatz emissionsärmerer Primärenergieträger,
4. Verwendung effizienterer Technologien.
Bisher wurde primär die Nutzung von Erneuerbaren Energien forciert, die anderen Möglichkeiten weniger stark berücksichtigt. Die Bestimmung des optimalen Mix aller Maßnahmen ist die Herausforderung der Energiewende. Denn deren Ziele können nur unter Einbeziehung aller Energienutzung sarten erreicht werden. Daraus ergeben sich Lessons Learned, die bei der nun anstehenden Revision der Energiepolitik zu beachten sind.
Klare Zielsetzung für einzelne Bereiche notwendig
Im Ergebnis ist die Zukunft der deutschen Energieversorgung sehr unsicher. Die neue Bundesregierung sollte für die einzelnen Bereiche der Energiewende daher klare Ziele setzen.
Sowohl steigende wie auch fallende Stromverbräuche werden von Marktakteuren erwartet. Die Erwartungen bezüglich des Anteils von Erneuerbaren Energien im Betrachtungszeitraum variieren ebenfalls stark zwischen knapp 50 und nahezu 100%.
Neben Zielen für den Anteil der Erneuerbaren Energien bedarf es auch klarer Ziele für den Stromverbrauch, ansonsten entstehen große Bandbreiten für die zukünftig benötigte Stromerzeugung aus Erneuerbaren. Der Koalitionsvertrag gibt zwar den Korridor für deren Ausbau vor - fehlende Angaben zur Bezugsgröße des Ausbauzieles der Erneuerbaren sowie zum Strombedarf ergeben jedoch große Spannweiten für die zukünftige Stromerzeugung. Während z. B. für Photovoltaik [Obergrenze 52 GW] und für OffshoreWindkraft [Ausbau 2030 bis 15 GW] Ausbauziele festgelegt sind, tragen die OnshoreWindkraft und die Biomasse in Abhängigkeit der Entwicklung des Stromverbrauchs ein hohes Zubaurisiko.
Schließung der Kapazitätslücke
Mittelfristig ist eine erhebliche Kapazitätslücke bei den konventionellen Kraftwerken zu erwarten. Unsere Berechnungen zeigen, dass bei einem steigenden Stromverbrauch ohne den Bau zusätzlicher Kraftwerke, die den größten Anteil der gesicherten Leistung bereitzustellen haben, spätestens ab 2022 eine Kapazitätslücke droht. Bei Stromeinsparungen von rund einem Prozent pro Jahr entstünde diese Kapazitätslücke erst ab 2033.
Ob Kapazitätsmärkte eine Lösung darstellen, sollte vor dem Hintergrund europäischen Wettbewerbsrechts (und der dazu kürzlich zur Diskussion gestellten neuen Leitlinien) kurzfristig weiter untersucht werden. Auch könnte der europäische Strommarkt eine mögliche Lösung zur Schließung der Kapazitätslücke sein. Aktuell wird zwar sehr viel Strom in die Niederlande, Schweiz und Österreich exportiert, die meisten Marktteilnehmer erwarten jedoch, dass zukünftig mehr Strom nach Deutschland importiert wird. Die Möglich keiten des Europäischen Strommarktes könnten die Energiewende daher wirtschaftlicher machen.
Entwicklung spezifischer Kosten
Besonders in den Szenarien mit dem höchsten Anteil an Erneuerbaren Energien, stellt die konventionelle Stromerzeugung 2050 nur noch eine Reservekapazität mit wenig Volllaststunden dar. Deshalb werden die spezifischen Kosten der konventionellen Stromerzeugung mittel- bis langfristig steigen. Ab etwa 2038 könnte der Strom aus den Erneuerbaren Energien spezifisch günstiger als konventioneller Strom sein.
Angesichts des hohen Anteils des Wärmebereichs am Endenergieverbrauch muss die Energiewende auch insofern weiter konkretisiert werden. Hier sind Konzepte erforderlich, die über die reine Gebäudesanierung hinausgehen, z. B. die Umstellung von Öl- auf Gasheizungen. Dies gilt analog für den Verkehrsbereich. Allein mit der Umstellung auf die Elektromobilität kann zumindest mittelfristig ein allerdings nur geringer Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen geleistet werden.
„License to operate“ – die Herausforderung für Energieversorger
Gegenwärtig überarbeitet die gesamte Energiewirtschaft ihre Geschäftsmodelle. Zunehmende Energieeffizienz und fehlende Planungssicherheit sowohl bei der Nutzung erneuerbarer als auch fossiler Energieträger verlangen ein Umdenken. Die Aktienkursentwicklung der europäischen Utilities ist niederschmetternd, waren sie vor der Finanzkrise der Spitzenreiter, sind sie danach das Schlusslicht. Die bisherigen Reak tionen auf zunehmende Energieeffizienz, demografischen Wandel, Wettbewerb und neue Investitionsmöglichkeiten führen jetzt bereits zu Veränderungen der Er gebnisse und Rendi ten. Es ist festzustellen, dass die Ver schuldungsquote von Energieversorgungsunternehmen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Viele Fragen im Sektor bleiben bislang unbeantwortet. Offenbar ist es den Unter neh men bislang nicht gelungen, den Wechsel der gesellschaftlichen Schwer punktset zungen in der Energiepolitik erfolgreich in ihrem Ge schäftsmodellen abzubilden. Anders ausgedrückt: Auf dem Weg seit der Finanz krise und Fukushima ist den Unternehmen gewissermaßen die gesellschaftliche Be triebs erlaubnis abhanden gekommen, die „License to operate“.
»Die Bestimmung des optimalen Mix aller Maßnahmen ist die Herausforderung der Energiewende.«
Dr. Norbert Schwieters
Zukunftsstrategie
Unserem Survey zufolge müssen sich die Unternehmen stärker mit dezentraler Energieversorgung, der Energieeffizienz und dem Energiemanagement befassen – und das mit klarem Fokus auf den Kunden, der zunehmend auch selbst Energieanbieter ist. Die intelligente Verknüpfung von zentraler und dezentraler Energieversorgung setzt auf die Minderung der Systemkosten und die interaktive Systemsteuerung durch Infor mationstechnologie und Digitalisierung auf allen Stufen der Wertschöpfung bis hin zum Kunden. Sie verringert so die Kapitalkosten und erhöht die Akzeptanz durch Teilhabe von Dritten an den Assets durch Partizipations- und Finanzierungsmodelle. Allerdings stehen Utilities bei weitem nicht in der ersten Reihe der Digitalisierung ihres Geschäfts, wie der Digitization Index von Booz&Co zeigt: weder insgesamt, noch nach Geschäftsprozessen.
Die gesellschaftliche Akzeptanz ist dem zentralen Ansatz der Energieversorgung zunehmend entzogen worden – der Begriff der „fossilen“ Erzeugung ist insoweit sehr doppeldeutig. Das Geschäftsmodell der Utilities steht nicht mehr im Einklang mit dem Punkt im magischen Dreieck, den die Energie ver sorgung nach dem gesellschaftlichen Comment einnehmen soll. Dies verlangt auch nach neuen Management Instrumenten. Ein Instrument für das Management, die Auswirkungen des eigenen Handels umfassender zu beurteilen, ist das sog. „Total Impact Measurement & Management“ (TIMM). Es fokussiert die Analyse von Aus wir kungen unternehmerischer Maßnah men nicht nur auf die Finanzen, sondern betrachtet auch die sozialen Auswirkungen, Umwelt folgen und andere gesellschaftliche Konsequenzen. Die Analyse erfolgt so detailliert in Bezug auf Einzelziele und verschiedene Maßnahmen können so mehrdimensional miteinander verglichen werden.
Das Ausland beobachtet das Experiment der „deutschen Energiewende“ mit sehr hohem Interesse, denn die Transformation der Energiewirtschaft ist kein deutsches Phänomen. Umso wichtiger ist, die Energiewende zum Erfolg zu führen. Selten hat ein Sektor in kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das Bild, das sich aus der Vielzahl der Studien und Gutachten formt, ist sehr uneinheitlich. Gute Energiepolitik muss die Unsicherheiten reduzieren indem sie klare Rahmenbedingungen setzt und es den Akteuren im Markt überlässt, die notwendigen Lösungen zu erarbeiten. Es bleibt die Frage: Was ist künftig die „License to operate“ für die Energieversorger?
www.pwc.de/energy