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Energiewende wird zur Belastung für Kommunen
Steigende Kosten durch die Energiewende wirken sich unmittelbar auf die kommunale Finanzsituation aus. Kommunen mit eigenen Stadtwerken sind hiervon besonders betroffen.
Das zeigt eine Fall-Studie des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. an der Universität Leipzig, die gemeinsam mit BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AG und weiteren Partnern durchgeführt wurde.
Dr. Oliver Rottmann, Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums und einer der Autoren beleuchtet in seinem Gastbeitrag wesentliche Aussagen der Untersuchung.
Foto: Swen Reichhold
Diese Fallstudie dient der Untersuchung von finanziellen Auswirkungen der Energiewende auf die kommunalen Haushalte. Die Daten wurden mittels Befragung ausgewählter Kommunen sowie durch die Analyse von Beteiligungsberichten und Haushaltsplänen ausgewählter Kommunen und von Geschäftsberichten öffentlicher Unternehmen erhoben. Exemplarisch wurden wurden 24 Kommunen und deren öffentliche Unternehmen mit mehr als 20.000 Einwohnern aus der Erzeugungs- und der Verbrauchsregion aus ganz Deutschland analysiert.
Auch wenn die Untersuchung statistisch nicht signifikant ist, leistet die Fallstudie dennoch einen wichtigen Beitrag zur Analyse der kommunalen Haushalte unter dem Einfluss der Energiewende. Rückt das Thema Energiewende aus dem Blick der Kommunen und ihrer Entscheidungsträger? Werden die kommunalen Haushalte spürbar belastet, oder bleiben sie von deren Kosten weitgehend verschont? Allein die Antwort auf diese Fragen belegt den Aussagewert der Untersuchung.
Energiewende belastet kommunale Haushaltslage signifikant
Die Liste zu finanzierender Aufgaben der zum Großteil unterfinanzierten Kreise, Städte, Ämter und Gemeinden umfasst u. a. Schul-, Straßen- und Wegebau und deren Unterhaltung, Kindergärten, sozialen Wohnungsbau und öffentliche Einrichtungen. Und hier hat die Energiewende Auswirkungen auf die kommunale Finanzsituation. Denn gerade den Stadtwerken kommt hinsichtlich der Quersubventionierung eine herausragende Rolle zu. Unerwartete Ergebnisrückgänge dieser Einrichtungen können sich damit direkt und unmittelbar auf die Möglichkeiten zur Finanzierung kommunaler Aufgaben auswirken.
Die Energiewende kann nicht nur zu signifikanten Belastungen der kommunalen Haushaltslage führen, dies trifft in den meisten Fällen auch zu.
Bei den erwarteten Ergebnisrückgängen der Stadtwerke ist zwischen zwei Ursachen zu unterscheiden: Einerseits der Regulierung und dem Wettbewerb. Und anderseits den Folgewirkungen der Energiewende. Als letztere sind hier der Preisverfall in der konventionellen Erzeugung und eine notwendige Anpassung des Geschäftsmodells an die Herausforderungen der Energiewende zu sehen. Zwar wollen viele Kommunen ihren Stadtwerken die notwendigen finanziellen Mittel für die Anpassung ihrer Geschäftsmodelle zur Verfügung stellen. Flächendeckend ist dies allerdings nicht möglich. In der Folge werden so die prognostizierten Gewinneinbußen ihrer Stadtwerke in zahlreichen Kommunen zwangsläufig zu Haushalts- und damit Leistungskürzungen führen.
Angespannte Einnahmen-Ausgaben-Situation
Die Einnahmen-Ausgaben-Situation der untersuchten Kommunen infolge der Energiewende ist laut Untersuchungsstichprobe als angespannt einzuschätzen. Die Analyse zeigt, die Verschuldung in den Kommunen der Erzeugungsregion ist größer als die Verschuldung in denen der Verbrauchsregion. Allerdings gehen im Rahmen der Mittelfristigen Finanzplanung zwei Drittel der Kommunen aus der Erzeugungsregion von einer künftigen Kostendeckung oder sogar Überschüssen im Finanzhaushalt bis 2020 aus. Dagegen erwartet die Mehrheit der Kommunen der Verbrauchsregion Defizite im Finanzhaushalt bis zum Jahr 2020. Der über alle kommunalen Aufgabenbereiche hinweg durchschnittliche Anteil der Kommunen mit aus der Energiewende resultierenden Mehrausgaben beträgt 40,7 %. Infolge der Energiewende ist dieser Anteil in der Elektrizitätsversorgung mit 64,3 % hoch. Die Gründe der auftretenden Mehrausgaben in den kommunalen Aufgabenbereichen sind vielschichtig. Am häufigsten wurden steigende Energiepreise, höhere Anforderungen im Rahmen der Energiewende, aus der Energiewende resultierende kleinere Gewinnmargen, schwierige energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen und Mindereinnahmen in diversen öffentlichen Bereichen genannt.
Unterschiedliche Gewinnerwartung
Insbesondere die Strom- und Gasversorgung sowie die Informationstechnik/Kommunikation können als gewinnbringende Sparten klassifiziert werden. Sie weisen die höchsten Kostendeckungsgrade auf, diese liegen im Intervall zwischen 105 % und 120 %. Auch die Unternehmen der Wasserversorgung weisen Überschüsse auf, diese sind infolge der spezifischen Aufgabenorganisation und rechtlichen Vorgaben aber weniger als Gewinne denn als Rücklagen zu bezeichnen, da zumindest die öffentliche Wasserversorgung dem Kostendeckungsgebot unterliegt. Die Bäderbetriebe zeigen sich im Rahmen der Analyse grundsätzlich als defizitäre Sparten des kommunalen Querverbunds. Der Anteil der Kommunen mit steigenden Defiziten an allen Kommunen in der Sparte der Bäderbetriebe beträgt 61,5 %. Der Kostendeckungsgrad in dieser Sparte liegt im Intervall zwischen 40 % und 80 %. Der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mit einem Anteil von 57,9 %. zeigt sich ebenfalls als eine mehrheitlich defizitäre Sparte im kommunalen Querverbund. Hier wird aber aus sozialpolitischer Zielstellung eine maximale Kostendeckung gewünscht. Im Gegensatz dazu verfügen die Sparten der Energieund Wasserversorgung über einen verhältnismäßig hohen Anteil an Kommunen mit steigenden Überschüssen. Die Mehrheit der Kommunen weist hier konstante oder sogar steigende Überschüsse in dem Zeitraum zwischen 2009 und 2015 auf.
Erhöhter Finanzbedarf durch Energiewende
In den nächsten Jahren kann sich infolge der Energiewende und damit verbundener Maßnahmen und Erfordernisse für die Kommunen und deren Unternehmen ein erhöhter Finanzbedarf ergeben. Dies belegt die Darstellung der Gewinnabführungen der Stadtwerke an die Kommunen. Haben sich die Gewinnabführungen der Stadtwerke an die Kommunen der Verbrauchsregion mit einem lediglich marginalen Rückgang grundsätzlich konstant fortentwickelt, sind diese in der Erzeugungsregion zwischen 2011 und 2015 signifikant gesunken. Ähnliche Unterschiede zwischen den Kommunen der Erzeugungs- und der Verbrauchsregion zeigen sich im Rahmen der Darstellung der durch die Kommunen eingeschätzten Entwicklung der Gewinnabführungen in den kommenden Jahren bis 2020. Es bleibt festzustellen, dass ein finanzieller Mehrbedarf der Kommunen infolge der Energiewende wahrscheinlich ist. Trotz Novellierung des Erneuerbare-Energie-Gesetzes (EEG) und einer stärkeren Marktorientierung wie Direktvermarktung und Ausschreibungen kann dieser finanzielle Mehraufwand in der Zukunft sogar deutlich höher ausfallen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Kommunen bei einer konstanten oder sogar sinkenden Einnahmensituation und einer konstanten oder sogar steigenden Verschuldung diesem steigenden finanziellen Mehraufwand künftig nicht mehr nachhaltig begegnen können.
Weitere Info: rottmann@wifa.uni-leipzig.de