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18.04.2023 12:03 Alter: 2 yrs

Energiewende verlangt umfassende System-Innovationen

„In vielen Bereichen fehlen ganzheitliche, systemische Ansätze und viele Energieversorger aber auch Länder, Politiker und Gesetzgeber sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.“ Maik Neubauer


Maik Neubauer, Partner DECOMPLEXITY Europe Foto: DECOMPLEXITY

Aktuell werden viele Umbaumaßnahmen im Energiesystem kontrovers diskutiert. Ausbau der Netzkapazitäten, E-Fuels, Wärmewende, Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren, Dekarbonisierung von Städten, Wasserstoffnetze und Ladeinfrastruktur. Die dafür notwendigen Gesetze und Initiativen überholen sich gegenseitig - in Europa aber auch in der nationalen Umsetzung. Lösungsansätze zeigt Maik Neubauer, Partner bei DECOMPLEXITY Europe. Er leitet den System Innovation Energy Hub, ein internationales Netzwerk von Systeminnovatoren im Energiesektor

Herr Neubauer, warum sind SysteminnovationsAnsätze unverzichtbar?

Das Energiesystem hat eine noch nie gekannte Komplexität erreicht und diese wird in den nächsten Jahren exponentiell anwachsen. Es gibt viele technische Innovationen im Energiesektor und das ist hervorragend, um die Energiewende voranzutreiben. Die Ukrainekrise und das Bewusstsein, dass das Energiesystem eines ganzen Landes und somit eine Volkswirtschaft über Nacht in eine hohe Abhängigkeit geraten kann, hat die Innovationsfreudigkeit aber auch das Tempo bei der Umsetzung von Innovationen noch einmal erhöht. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb gibt es viele Bereiche, in denen erst gemacht wird und dann gedacht wird – soll heißen es werden Probleme durch Technologie gelöst, ohne an die langfristigen Auswirkungen oder Implikationen für die anderen Komponenten im Energiesystem zu denken.

Wird der Ansatz von „Systems Innovation“ bisher vernachlässigt?

Diese Frage kann man durchaus mit Ja beantworten. Denn die Begriffe und Methoden „Systems Thinking“, „Systems Design“ und „Systems Innovation“ sind keine neuen Managementmethoden, die plötzlich auftauchen und nach zwei Jahren wieder verschwinden. „Systems Innovation“ ist wesentlich mehr als eine Ansammlung von Methoden und Tools um komplexe Problemstellungen zu analysieren und zu optimieren – es ist mehr ein Diagnoseverfahren, um sich Problemen in komplexen Systemen ganzheitlich zu nähern und Teilprobleme nicht nur auf Einzelkomponentenbasis zu lösen. Ein Beispiel hierfür ist das erhoffte Wachstum bei der Elektromobilität, das stark von der fehlenden Ladeinfrastruktur in Städten und an den Hauptverkehrsadern, fehlenden Netzkapazitäten aber auch von der (noch) fehlenden Akzeptanz auf der Verbraucherseite abhängt. Weitere Beispiele ergeben sich im Bereich der Erneuerbaren, der langfristigen Integration in das Energiesystem aber auch die gesamten Wertschöpfungsketten für Erneuerbare von der Herstellung, Planungsverfahren, die Installation, den Betrieb, die Wartung aber auch die De-Kommissionierung dieser Assets. Die Dekarbonisierung von Städten/Regionen ist ein weiteres Anwendungsfeld für Systeminnovationsprojekte.

Was macht Systems Thinking und Systems Innovation so anders?

Die Anwendung dieser Methoden machen uns bewusst, dass es keine perfekten Lösungen gibt. Jegliche Entscheidungen, die wir treffen, haben Auswirkungen auf andere Teile des (Energie-) Systems. Indem wir die Auswirkungen der einzelnen Kompromisse analysieren, können wir ihre Wechselwirkungen minimieren oder sie sogar zum Vorteil nutzen. Das Systemdenken ermöglicht es uns also, fundiertere Entscheidungen in komplexen Anwendungsbereichen zu treffen.