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21.12.2022 12:47 Alter: 2 yrs

Energiewende – Bürgerbeteiligung und Akzeptanz

Bundesweit sind Bürgerproteste gegen Energiewende-Projekte an der Tagesordnung. Oft lassen sich die unterschiedlichen Positionen nicht auflösen. Um Blockaden zu beseitigen, ist ein professionelles Akzeptanzmanagement gefragt. THEMEN!magazin sprach dazu mit Prof. Dr. Gernot Barth. Er ist Inhaber einer Professur für Konfliktmanagement und Mediation an der Steinbeis-Hochschule in Berlin, begleitet Verhandlungen und berät Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen bei der Umsetzung einer zeitgemäßen Bürgerbeteiligung.


Prof. Dr. Gernot Barth, Steinbeis-Hochschule Berlin Foto: Dirk Brzoska

„Die Beteiligung der Bevölkerung spielt für das Gelingen der Energiewende eine Schlüsselrolle.“ Prof. Dr. Gernot Barth

Prof. Barth, welche Rolle spielt die Bürgerbeteiligung bei der Umsetzung von Energiewende-Projekten?

Die Beteiligung der Bevölkerung spielt für das Gelingen der Energiewende eine Schlüsselrolle. Denn diese findet ja oft vor ihrer Haustür statt. Bürger fordern mehr Beteiligung. Sie wollen sich aktiv in die Gestaltung ihres Lebensumfeldes einbringen. Sie erwarten, dass sie bei Planungen und Entwicklungen mitreden können und Entscheidungen nicht allein politischen Repräsentanten, Genehmigungsbehörden, Vorhabenträgern und Sachverständigen überlassen werden. Sie verlangen einen Dialog auf Augenhöhe, bei dem ihre Meinungen ernstgenommen und in Beschlüssen sichtbar werden.

Bei der Umsetzung von Energiewende-Projekten wie dem Neubau von Windparks oder Stromleitungen gibt es immer wieder Bürgerproteste. Woran liegt das?

Wie wir aus vielen Befragungen wissen, bejaht die breite Mehrheit der Bevölkerung die aufgrund des Klimawandels notwendige Energiewende. Das Problem bei den dafür erforderlichen Projekten ist, dass die Verantwortlichen die Betroffenen vor Ort nicht rechtzeitig und umfassend beteiligen. Dies wird von den Bürgern in schöner Regelmäßigkeit beklagt und äußert sich in entsprechenden Protesten. Sie befürchten, dass ihre Stimme nicht zählt, obwohl sie gute Ideen und ein Recht darauf haben, mitzuwirken.

Die Bürger sehen durch Energiewende-Projekte in ihrer Region ihre Heimat bedroht. In Reinkultur registrieren wir dies beispielsweise beim für den Wandel der Energieversorgung notwendigen Ausbau des Stromnetzes. Zu beobachten ist unter anderem die Sorge um die Wertminderung der Grundstücke. Auch die Angst vor gesundheitlichen Gefährdungen durch elektrische und magnetische Felder wird immer wieder immer angeführt; ebenso die Furcht vor Beeinträchtigung der Landschaft und Schädigung der Umwelt durch entsprechende Eingriffe. Hinzu kommt die weit verbreitete Meinung, dass Energiekonzerne hohe Profite erzielen, für die die Bürger zahlen. Die Befürchtungen belegen die mangelnde Transparenz der Prozesse. Hieran müssen wir arbeiten.

Wie sieht eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung aus?

Die Mitwirkung der Bürger ist als legitimer Bestandteil des gesamten Verfahrens zu begreifen. Die anhaltenden Widerstände gegen Energiewende-Projekte machen deutlich, dass die im Rahmen der Genehmigungsverfahren vorgesehenen Beteiligungsmöglichkeiten bei weitem nicht ausreichen, um die notwendige Akzeptanz zu schaffen. Die Bürger müssen so früh wie möglich, das heißt von Beginn der Planungen an miteingebunden werden. Die Vorhabenträger müssen die Bereitschaft zur Einsicht und Überarbeitung der Planungen signalisieren. Wichtig ist eine Anerkennung der Bürger und ihrer Anliegen sowie eine Einbeziehung ihrer Kenntnisse. Gemeint ist damit, zuzuhören und alle Interessen vollständig abzubilden.

Die Moderation, Mediation und Kommunikation im Rahmen des Beteiligungsprozesses sollten die Vorhabenträger nicht allein durchführen, sondern professionelle Partner hinzuziehen. Nach unseren Erfahrungen funktionieren Beteiligungsprozesse am besten, wenn sie von einem neutralen Dritten geführt werden, der von allen Seiten als ehrlicher Makler akzeptiert wird. Nur auf dieser Basis kann ein erfolgreicher Dialog beginnen und nur so ist ein an den Bürgern orientiertes Akzeptanzmanagement zielführend.

Foto: Adobe Stock

Die Mediation erfährt seit Jahren einen verstärkten Zuspruch. Sei es bei privaten Streitigkeiten. Sei es bei Auseinandersetzungen im beruflichen Kontext. Das Verfahren ist nicht nur bestens zur außergerichtlichen Konfliktlösung geeignet.

Die Mediation kann dank ihrer konsensualen Ausrichtung und der nachhaltigen Ergebnisse auch zur Klärung aktueller und künftiger gesellschaftlicher und politischer Herausforderungen beitragen.

Welche Fehler sollten ProjektVerantwortliche beim Umgang mit den Bürgern unbedingt vermeiden?

Die Vorhabenträger dürfen niemanden ausgrenzen. Es ist grundlegend, alle betroffenen Bürger zu beteiligen, egal aus welchen politischen Richtungen und Milieus sie kommen. Es gilt, jeden anzuhören, um zu verstehen, was dem Einzelnen wichtig ist. Dies fördert ein gemeinsames Verständnis und verhindert, dass man aneinander vorbeiredet.

Wesentlich ist auch, dass sich die Vorhabenträger durch den entstehenden Aufwand nicht abschrecken lassen. Zeit und Geld für eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung sind gut angelegt. Sie beugt Protesten und Klagen vor, die Energiewende-Projekte um ein Vielfaches verlängern und verteuern oder im schlimmsten Fall ganz verhindern können. Außerdem kann die Planung durch Fach- und Ortskenntnisse der Bürger verbessert werden. Mitunter sind diese denen der Vorhabenträger ebenbürtig.

Die Politik hat beschlossen, die Genehmigungsverfahren für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der dafür notwendigen Stromnetze zu beschleunigen. Was heißt das für die Bürgerbeteiligung?

Die mit Blick auf die Umsetzung der Klimaschutzziele berechtigte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wird die Vorhabenträger dazu verleiten, die Bürger und ihre Belange unter Verweis auf die gebotene Eile nicht angemessen zu berücksichtigen. Dies ist genau die falsche Strategie. Denn als Reaktion darauf könnten sich die Proteste verschärfen.

Das Verständnis dafür, dass wir bei der Energiewende die Geschwindigkeit erhöhen müssen, ist da. Dies sollte auch für die Einbeziehung der Betroffenen gelten. Blenden wir sie aus, werden die Widerstände weiter wachsen. Denn die Energiewende kann ohne die Akzeptanz der Bevölkerung nicht funktionieren.

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