Nachricht

< Neue Finanzierungsmodelle für die Energiewende nutzen
26.10.2023 10:07 Alter: 1 year

Energiepolitisch den Blick nach vorn richten

„Es braucht dringend eine bessere Synchronisation von Erneuerbaren Energien und Netzausbau, um die erzeugte Energie tatsächlich aufnehmen und verteilen zu können.“


Thomas Murche, Technischer Vorstand WEMAG AG Foto: WEMAG AG/ Marten Langer

Nach einem energiepolitisch herausfordernden Jahr 2022 bestimmen Lehren aus der Energiekrise und die Chancen für unsere Zukunft die Diskussion. Klimapolitische Fragestellungen und technische Entwicklungen stehen dabei im Vordergrund. In einem Gastbeitrag nimmt Thomas Murche, technischer Vorstand der WEMAG AG und Vizepräsident der IHK zu Schwerin, die Diskussion auf und blickt auf das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Sind Krisen unvermeidlich Teil unseres modernen Lebens? Gefährden aktuelle Krisen unseren Wohlstand? In jedem Fall zeigen sich ernsthafte Auswirkungen auf das Leben der Menschen und die Wirtschaft. Wir erleben stark schwankende Energiepreise, eine gefährdete Versorgungssicherheit, anhaltende Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen und eine wirtschaftliche Instabilität, die sich in steigender Inflation, Insolvenzen sowie Fachkräftemangel und Materialengpässen spiegelt. Im Jahr 2022 haben wir die enormen Auswirkungen vor allem geopolitischer Entwicklungen auf die Energiewirtschaft erlebt und es wurde offenkundig, dass wir nicht unbegrenzt auf fossile Energieträger setzen können.

Das große Ziel: Klimaneutralität

Betrachten wir das Ziel der Bundesregierung: Mit der EEG-Novelle 2023 soll die Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien verdreifacht werden – zu Wasser, zu Land und auf dem Dach. Das Land Mecklenburg-Vorpommern soll bis 2040 klimaneutral werden. Daraus leitet sich die die Kernfrage ab: Was hat Einfluss auf die Erreichung der Ziele Klimaneutralität und Versorgungssicherheit? Was bedeutet das für die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr? In den letzten Jahren konzentrierten wir uns darauf, die fossilen Energieträger in der Endkundenversorgung zu reduzieren. Ein Blick auf die Sektoren zeigt jedoch, dass der Anteil der erneuerbaren Energien in den Sektoren Mobilität und Wärme noch deutlich ausgebaut werden kann. Aktuell rückt das Thema Energie auch bei den Kundinnen und Kunden stärker in den Fokus. Strom gewinnt an Bedeutung im Verkehrs- und Wärmesektor. Der Umsatzanstieg bei Photovoltaik und Speichern lässt einen zunehmenden Autarkiewunsch in der Bevölkerung erkennen. Und Industriekunden stellen zunehmend um auf proaktive Sektorkopplung.

Stand der Energieverwendung in MV

In Mecklenburg-Vorpommern werden rund 85 % des Bruttostroms durch erneuerbare Energieträger erzeugt (61 % Wind, 13 % Biomasse, 11 % Solar, 7 % Erdgas; 7 % Steinkohle, unter 1 % Wasser). Der Anteil der erneuerbaren Energien ist also bereits hoch. Wir benötigen den weiteren Ausbau, um den wachsenden Bedarf der Sektoren Wärme und Mobilität decken zu können. Zugleich sehen wir die Entwicklung der Mobilitätswende. Im Bereich E-Mobilität haben wir in MV momentan einen Bestand von 2.050 Fahrzeugen. Die Prognose für 2030 zeigt einen Bestand von rund 32.000 Fahrzeugen und 206.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte in MV. Die Ziele der Bundesregierung bis 2030 orientieren auf 10 Mio. E-Fahrzeuge und 1 Mio. öffentliche Ladepunkte. Zudem müssen ab 2035 alle neu verkauften Autos in der EU emissionsfrei sein. Für die WEMAG als Energieversorger des Nordens bleibt jedoch die Wärmewende der Schlüsselfaktor für die Fortführung der Energiewende. Nach geltender Gesetzeslage dürfen in Deutschland ab 2024 nur noch Heizungen neu eingebaut werden, die Wärme mindestens zu 65 % aus erneuerbaren Energien erzeugen. In einer Situation, in der also viele Hauseigentümer über die Erneuerung ihrer Heizanlagen nachdenken, ist es umso wichtiger, Nah- und Fernwärmenetze zu erweitern oder zu bauen. Die Wärmeplanung wird zur kommunalen Pflichtaufgabe. Deshalb unterstützen wir Gemeinden bei der Planung und bei ihren Zielen, klimaneutral zu wirtschaften.

Was wir für die Sektoren brauchen

In Mecklenburg-Vorpommern verzeichnen wir eine kontinuierlich steigende Nachfrage nach Erzeugungsanlagen. Der zunehmende Ausbau von Windenergieparks, Solarparks und eine steigende Einspeisung der Haushalte erfordern den Netzausbau für Transport und Verteilung. Denn erst ein weiterer Ausbau ermöglicht die Kopplung der Sektoren. In den letzten 5 Jahren hat sich der prognostizierte Kapazitätsbedarf in unserem Netzgebiet für die 2030erJahre mehr als verdreifacht. Hier braucht es eine bessere Synchronisation von EE-Ausbau und Netzausbau, um die erzeugte Energie tatsächlich aufnehmen und verteilen zu können. Für den Netzausbau plant die WEMAG Netz bis zum Jahr 2030 ein Investitionsvolumen von rund 1,2 Mrd. Euro. Installiert sind bereits 2,4 Gigawatt (GW), reserviert sind 3,2 GW und angefragt sind weitere 18 GW. Bereits heute liegt die Einspeisequote in unserem Versorgungsgebiet bei 205 %. Die Netzinvestitionen im Norden führen ohne Änderung des Systems zu einem drastischen Anstieg der Netzentgelte. Für die Zukunft ist es daher wichtig, dass Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern entlastet werden, die einen besonders großen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Energien leisten.

Energiekrise ist Chance für uns und unsere Umwelt

Die Energieversorgung mit 85,6 % aus erneuerbaren Energien benötigt Technologien zum Ausgleich in den Phasen der Nichtverfügbarkeit. Wasserstoff und Batteriespeicher können in den Sektoren zur Nutzung eingesetzt werden. Der Einsatz der Sektorkopplung, Power to X, Wasserstoff und Batteriespeicher seien hier beispielhaft genannt. Energiewende geht nur gemeinsam. Deshalb sind mit Blick auf das energiepolitische Zieldreieck bei Strom, Wärme und Verkehr unbedingt die Themen Bezahlbarkeit (Netzentgelte, Netzinvestitionen) sowie die beteiligten Akteure einzubeziehen. Denn ohne Akzeptanz und Beteiligung vor Ort wird Netzausbau oder die Errichtung von Windparks und Solarfeldern zu Konflikten führen.

Quelle: WEMAG AG

Aktuelle Lage im Netzausbau: Die Antragslage ist dramatisch und täglich zunehmend.

Ein Schlusswort

Norddeutschland hat als Region beste Voraussetzungen, um zu zeigen, wie eine klimaneutrale Energieversorgung perspektivisch aussieht. Wenn wir die natürlichen Ressourcen, die verfügbaren modernen Technologien, unser Wissen und Know-how zusammenführen, werden wir die Wertschöpfung hier vor Ort schaffen. Das setzt jedoch voraus, dass Bund und Länder schnell für die Rahmenbedingungen sorgen, die uns als den Akteuren der Energiewende die nötigen Handlungsspielräume geben. Stichworte sind: sofortige Anpassung beim Planungs- und Genehmigungsrecht, Investitionen in den Netzausbau, Novellierung der Verfahren und bundesweite Wälzung der Netzentgelte, damit grüne Energie bezahlbar bleibt. www.wemag.com