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< Bundesregierung leitet Energie-Mangelwirtschaft für Deutschland ein
21.12.2022 10:09 Alter: 2 yrs

Energiepolitik in einer neuen Zeitrechnung?

Klimaschutz und die Energiewende sind globale Themen. Weltweit gibt es jedoch ein unterschiedliches Verständnis von Energiepolitik und Energiewende. Und Deutschland steht vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Entwicklungen und globaler Energiekrisen vor gewaltigen Herausforderungen und Zielkonflikten. In diesem Umfeld steht der diesjährige Energietag des Weltenergierat – Deutschland e. V. unter dem Motto „Zeitenwende im Energiesektor – Auf dem Weg zur „neuen Normalität“. Für THEMEN!magazin gibt Dr. Uwe Franke, Präsident des Weltenergierats, Einblicke in Schwerpunkte der aktuellen energiepolitischen Diskussion.


Dr. Uwe Franke, Präsident Weltenergierat – Deutschland Foto: Ole Spata

„Geopolitische Konflikte sowie stark gestiegene Energiepreise auf den internationalen Energiemärkten führen zu einer Neubewertung von Versorgungssicherheit und Verbraucherpreisen. Der Ausgleich zwischen den verschiedenen Dimensionen des energiepolitischen Zieldreiecks rückt damit erneut in den Fokus der Energiewende-Diskussion.“ Dr. Uwe Franke

Herr Dr. Franke, der Energietag 2022 findet im Zeichen dramatischer Umbrüche in der Energiewelt statt. Welche Problemlage prägt die aktuelle Diskussion?

Deutschland steht in der Tat vor gewaltigen Herausforderungen. Der Russland-Ukraine-Krieg stellt eine Zäsur dar – nicht zuletzt für die Energiewelt Europas. Über Jahrzehnte gewachsene Partnerschaften und sicher geglaubte Parameter wurden quasi über Nacht hinfällig. Die Verknappung der Gaslieferungen durch Russland hat uns in eine Realität katapultiert, in der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit als conditio sine qua non für das Gelingen der Energiewende deutlich werden. Wir haben uns in den letzten Jahren zu sehr darauf verlassen, dass diese beiden Parameter selbstverständlich vorhanden sind.

Der World Energy Council veröffentlicht bereits seit vielen Jahren einen World Energy Trilemma Index, der die Performance von Ländern weltweit anhand des Energiedreiecks aus Versorgungssicherheit, Energiegerechtigkeit und Nachhaltigkeit bewertet. Deutschland erreichte im weltweiten Ranking im letzten Jahr den siebenten Platz und schnitt damit vergleichsweise gut ab. Für dieses Jahr zeichnet sich vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen aber bereits eine schlechtere Platzierung ab. Dieses Ergebnis sollte uns zu denken geben.

Welche Herausforderungen sehen Sie mit Blick auf die europäischen Energiemärkte und die Energieversorgung?

Mit dem EU-Energiebinnenmarkt existiert grundsätzlich zwar bereits ein etabliertes, grenzüberschreitendes Energiesystem. Europa- und auch weltweit herrscht je nach Land jedoch ein sehr unterschiedliches Verständnis von Energieversorgung und Energiewende. Energiepolitik wird noch allzu häufig nationalstaatlich gedacht. Die globalen Krisen der internationalen Energiewelt machen jedoch nicht an Landesgrenzen halt. Eine Diskussion über aktuelle geopolitische Entwicklungen und neue Politikansätze im internationalen Kontext ist daher wichtig.

Der Weltenergierat hat sich in diesem Kontext das Ziel gesetzt, verschiedene Modelle der Energieversorgung weltweit in den Blick zu nehmen und verstärkt die globale Perspektive in die nationale Debatte einzubringen. Schaut man beispielsweise auf die großen Emittenten wie China, USA und Indien, wird deutlich, dass deren Energiepolitik stärker auf Pragmatismus, Technologieoffenheit und eine Vielfalt der Energiequellen setzt. Außerdem werden die Emissionen, besonders aus China und Indien, massiv ansteigen und die Einsparungen in Europa um ein Vielfaches übertreffen. Europa ist in Gefahr, sich zu isolieren und seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, wenn außer Acht gelassen wird, was andere Länder tun.

Was bedeutet die aktuelle Situation für die deutsche Energiewende?

Der Russland-Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass es ein „Weiter so“ nicht geben kann. Wir brauchen ein ausgeglichenes energiepolitisches Zieldreieck, das neben dem Klimaschutz auch Versorgungsicherheit und Bezahlbarkeit gleichermaßen berücksichtigt. Andernfalls droht die energiepolitische Transformation zu scheitern. Um die Versorgungssicherheit zu erhöhen, sollte eine stärkere Diversifizierung der Importe von energetischen, mineralischen und metallischen Rohstoffen aus einer Vielzahl von Bezugsländern angestrebt werden. Wir brauchen zudem mehr Vielfalt an Technologien und Energiequellen. Dazu kann auch die Technologie der CO2 -Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) gehören.

Es gilt des Weiteren, offen über die künftige Rolle des Energieträgers Gas im Energiemix zu diskutieren. Dazu gehört auch die Bedeutung erneuerbarer Gase wie Wasserstoff. Denn die 100%-ige Elektrifizierung in allen Sektoren wird es sehr wahrscheinlich nicht geben, weil sie zu teuer wäre, selbst wenn sie überall realisierbar wäre. Kostensenkungen und Energieeffizienz sind weitere Schlüssel zum Erfolg, beispielsweise indem diejenigen Lösungen bevorzugt werden, die CO2 schnell und kosteneffizient reduzieren. Last but not [Weltenergierat - Deutschland] Immer mehr Staaten weltweit setzen auf CO2 -armen oder -neutralen Wasserstoff, um ihre Klima- und Energieziele zu erreichen. Die Zahl zwischenstaatlicher Wasserstoffpartnerschaften wächst seit knapp zwei Jahren sprunghaft. least brauchen wir einen integrierten Implementierungsplan, der Lösungen mit sehr niedriger Wahrscheinlichkeit der Implementierungsfähigkeit verwirft.

Grafiken:

Immer mehr Staaten weltweit setzen auf CO2 -armen oder -neutralen Wasserstoff, um ihre Klima- und Energieziele zu erreichen. Die Zahl zwischenstaatlicher Wasserstoffpartnerschaften wächst seit knapp zwei Jahren sprunghaft.

Sie verweisen auf neue Politikansätze. Sollte man hierbei in die nationale Debatte nicht stärker eine globale Perspektive einbringen?

Unbedingt. Deutschland ist einerseits Teil des europäischen Binnenmarkts, andererseits Teil des globalen Energie- und Wirtschaftssystems. Somit muss auch Deutschlands Energieversorgung im globalen Kontext gesehen werden. Insellösungen greifen langfristig zu kurz. Der Weltenergierat mit seinem 80 Partnerländer umfassenden Netzwerk und seinem jährlich stattfindenden Energietag bildet in Deutschland eine Plattform für den internationalen Austausch und die Diskussion globaler Energiefragen.

Können internationale Partnerschaften bei der Sicherung unserer Energieversorgung helfen?

Auf jeden Fall! Der Aufbau robuster internationaler Partnerschaften ist nicht nur eine reale Chance, sondern ein Muss! Die Diversifizierung der Beschaffung verlangt internationale Partnerschaften, die mit Hochdruck und Schnelligkeit vorangetrieben werden müssen. Auch mit Blick auf die Zukunft von Gas wird das Entstehen belastbarer Energiebeziehungen für erneuerbare und CO2 -arme Gase wie Wasserstoff eine zentrale Rolle spielen. Wie sich der globale Gasmarkt entwickeln wird, ist noch schwer abzusehen. Dies werden wir im Blick behalten.

Klar scheint aber, dass die zunehmende Bedeutung regenerativer Energien und CO2 -armer Gase zu einer Neuordnung der Energiebeziehungen führen wird. Im Wasserstoffbereich beobachten wir seit knapp zwei Jahren, wie sich weltweit immer mehr zwischenstaatliche Partnerschaften bilden, zum Beispiel zwischen Deutschland und Australien oder Südkorea und Saudi-Arabien. Viele Länder werden nicht über ausreichende eigene Erzeugungskapazitäten verfügen, um ihren Bedarf an Wasserstoff zu decken – etwa, weil die Ausbaupotenziale für erneuerbare Energien begrenzt sind. Eine Alternative stellen Importe dar. Internationale Partnerschaften bieten hier die Chance, Technologien gemeinsam zu entwickeln, neue Wertschöpfungsketten aufzubauen, die Investitionskosten für den Aufbau der Produktions- und Transportinfrastrukturen zu teilen und Handelsbeziehungen zu etablieren.

Werfen wir einen Blick voraus. Wie wird die Energiewelt in fünf bis zehn Jahren aussehen?

Um die globale Erwärmung zu stoppen, werden künftig substanzielle Emissionsminderungen der größten G20- Staaten sowie ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig sein. Die Entwicklungen der letzten Monate haben noch einmal verdeutlicht, dass die Abhängigkeit von fossilen Energien reduziert werden muss. Ein Blick in die Welt zeigt jedoch, dass der Kohleverbrauch der G20-Staaten 2021 nach einem COVID19-bedingten Einbruch im Jahr 2020 wieder stieg – ebenso wie die globalen CO2 -Emissionen. Kohle blieb mit einem Anteil von 32 % am Energiemix in den G20- Staaten der Energieträger mit dem höchsten Verbrauch, gefolgt von Öl (27 %) und Gas (22 %).

In China, Russland, Brasilien, Südkorea und in der Türkei übertraf der Energieverbrauch 2021 sogar den von 2019. Fossile Energien dominieren damit weiterhin sehr stark den globalen Energiemix, obwohl die Erneuerbaren die am schnellsten wachsende Energiequelle darstellen. Die aktuelle Wirtschaftskrise könnte die Reduzierung der CO2 -Emissionen weiter verlangsamen.

Erdgas wird sehr wahrscheinlich auch für die künftige Energieversorgung in Deutschland von Bedeutung sein, und der Anteil von CO2 -armen und erneuerbaren Gasen wird wachsen. Ab Mitte des Jahrzehnts werden die ersten großen Elektrolyseur-Anlagen mit einer Leistung von 100 Megawatt und mehr ihren Betrieb aufnehmen. Insbesondere Wasserstoff bietet in diesem Zusammenhang die Chance, ein Treiber für Klimaneutralität, neue Geschäftsmodelle und internationale Kooperation zu werden.

Aus der Jahresstudie Energie für Deutschland 2022: Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie jetzt im Fokus

Deutschlands Energieversorgungssicherheit ist seit dem Ende der 1970er Jahre gesunken, trotz einer deutlichen Steigerung des Erneuerbaren-Anteils am Primärenergiemix auf 16 %. 2021 importierte die Bundesrepublik rund 70 % ihrer benötigten Energie. Russland war dabei mit einem Anteil von ca. 55 % an den Erdgas-, von 50 % an den Steinkohle- und von ca. 34 % an den Erdölimporten der mit Abstand wichtigste Lieferant.

Die starken Preisanstiege für Energierohstoffe in der zweiten Jahreshälfte 2021 und der Russland-Ukraine-Krieg haben das Thema Versorgungssicherheit in Deutschland und Teilen Europas stark in den öffentlichen Fokus gerückt. In den vergangenen Jahren konzentrierte sich die nationale Politik besonders auf den Aspekt der Nachhaltigkeit der Energieversorgung, während die Sicherheit und Bezahlbarkeit eine untergeordnete Rolle spielten. Versorgungssicherheit hat ihren Preis. Um die Gefahr einer Vernachlässigung der einen Dimension dieses Energiedreiecks zu vermeiden, sollten politische Entscheidungsträger künftig noch stärker auf einen Ausgleich der drei Dimensionen setzen und alle drei Ziele mit der gleichen Priorität verfolgen.

Deutschlands Energieversorgung muss dabei im europäischen Kontext betrachtet werden, wie nicht zuletzt die verbundenen europäischen Märkte für Gas und Strom deutlich machen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Bedeutung breit aufgestellter internationaler Partnerschaften sowie die Vorteile europäischer Kooperation und Koordination, z. B. beim H2 -Import und der Definition gemeinsamer Standards.

Dr. Carsten Rolle, Geschäftsführer des Weltenergierat – Deutschland

Energie für Deutschland 2022 ist als Vollversion unter folgendem Link abrufbar: Opens external link in new windowhttp://www.weltenergierat.de/publikationen/energie-fuer-deutschland/