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10.12.2013 13:52 Alter: 11 yrs

Energieeinkauf unter neuen Rahmenbedingungen

Liberalisierte Märkte bieten dem Einkauf echte Optionen. Signifikante Preisschwankungen an Energieund Rohstoffmärkten zwingen viele Unternehmen zunehmend zur Optimierung ihrer Geschäftsabläufe. Einst berechenbare Rohstoffkosten sind in den letzten Jahren zu einem kaum kalkulierbaren Risiko für energie- und rohstoffintensive Betriebe geworden. Im Gespräch mit Marcel Deveraux, Pilkington Automotive Deutschland GmbH und Mitglied der Fachgruppe „Energieeinkauf“ beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. ( BME)


Glasherstellung zählt zu den besonders energieintensiven Produktionsprozessen in unserer Zeit. Blick in die Glasschmelzwanne. Foto: NSG Group

Glas spielt eine wichtige Rolle bei den gesellschaftlichen Bemühungen, die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren und die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern. Ziel der NSG Group und Pilkington ist es, weltweit führend zu sein bei innovativem Hochleistungsglas und Glaslösungen sowie zur Energieeinsparung und –gewinnung beizutragen. Die NSG Group ist einer der führenden Hersteller von Glas und Glasprodukten weltweit. Schwerpunkte ihrer Geschäftstätigkeit bilden die Bereiche Automotive (Erstausrüster- und Fahrzeugglasersatzteilgeschäft) sowie Architectural und Technical Glass (das umfasst eine breite Palette hoch veredelter Gläser für Neubauten undRenovation, Displays, Solarenergie und Optoelektronik). Das 1918 gegründete Unternehmen NSG hat Pilkington im Juni 2006 übernommen.

Herr Devereaux, wir erleben eine volatile Entwicklung auf den Energie- und Rohstoffmärkten. Welche Herausforderungen leiten sich daraus für Unternehmen im Energieeinkauf ab?

Die Liberalisierung der Energiemärkte bietet dem Einkauf heute neue Möglichkeiten, aber auch erweiterte Anforderungen im Hinblick auf die Entwicklung und Umsetzung einer optimalen und auf die Unternehmensbedürfnisse zugeschnittenen Beschaffungsstrategie. Es gilt, den Schwankungen der volatilen Energiemärkte, insbesondere des Strommarktes, durch die Wahl des richtigen Einkaufszeitpunktes zu begegnen, um wirtschaftliche Risiken zu minimieren.

Kann eine strukturierte Energiebeschaffung für ein Unternehmen der Glasindustrie Risiken vorbeugen?

Bei der strategischen Ausrichtung der Einkaufsabteilung spielt der Energieeinkauf heute eine zentrale Rolle. Angesichts der heutigen Beschaffungsmarktsituation, vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und dem zunehmenden Druck auf die Risikoverteilung gilt es, neben der bisherigen „klassischen“ Stichtagsbeschaffung praktikable Handlungsalternativen zu nutzen.

Ein Ansatz für eine optimale Beschaffungsstrategie ist sicher die strukturierte Energiebeschaffung. Hierbei stellt sich aber jedem Energieeinkäufer die Frage, ob sich der anfallende Mehraufwand vor dem Hintergrund der unternehmensspezifischen Beschaffungsmengen und individuellen Rahmenbedingungen rechnen kann. Auch zeigt sich der Energiemarkt zunehmend heterogen in Bezug auf die Detailgestaltung der möglichen neuen Beschaffungswege, da die EVU verschiedenste Produkte mit unterschiedlichen Ausprägungen und Produktnamen am Markt anbieten.

Eine strukturierte Energiebeschaffung in Verbindung mit einem prozessorientierten Risikomanagement kann aber auch beim Energieeinkauf letztlich wirtschaftlichen Risiken vorbeugen und helfen, Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Wie kann ein Unternehmen speziell dem Versorgungsrisiko beim Stromeinkauf begegnen?

Nicht zuletzt aufgrund des Ausbaus Erneuerbarer Energien hat das Versorgungsrisiko in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Das Vorhalten eines Back-UpSystems und der Ausbau der eigenen Energieinfrastruktur helfen hier beispielsweise, das Risiko zu minimieren.

Viele Unternehmen besitzen eine optimale Beschaffungsstrategie. Berücksichtigt diese auch eine strukturierte Energiebeschaffung?

Für energieintensive Branchen ist eine strukturierte Energiebeschaffung heutzutage unabdingbar. Viele Unternehmen haben die Dringlichkeit der Aufwertung der Rolle des Energieeinkäufers zeitnah erkannt und organisatorisch umgesetzt. Zugunsten schneller Entscheidungen sollte der Energieeinkäufer mit Prokura ausgestattet sein. Neben dem klassischen Strom- und Gaseinkauf werden heute durch den Einkauf auch EnergiemanagementProjekte abgedeckt, deren Zielsetzung die effektive und effiziente Nutzung der eingesetzten Energien ist. Energieeffizienz trägt heute wesentlich zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit bei, schont darüber hinaus die Ressourcen und leistet einen Wertbeitrag zum Klimaschutz.

Auf welche Schwerpunkte sollte sich eine strukturierte Energiebeschaffung konzentrieren?

Die strukturierte Energiebeschaffung muss im Einklang mit der Unternehmenspolitik stehen und eine gesunde Balance zwischen Kosten und Risiken aufweisen. Die Potenziale und Möglichkeiten sind vielfältig und komplex, und es gilt, das nötige Experten-Knowhow im Unternehmen aufzubauen. Die Anwendung eines Tranchenmodells mit mehreren preislich fixierten Einkäufen über einen bestimmten Zeitraum hilft, Preisschwankungen auszugleichen und Einkaufsrisiken zu minimieren. Märkte müssen intensiv beobachtet werden und im Hinblick auf Risiken muss dabei proaktiv gegengesteuert werden.

Abschließend eine Frage zur BME-Fachgruppe „Energieeinkauf“, deren Mitglied Sie sind. Welche Aufgabe hat diese Fachgruppe?

Der Fachgruppenkreis setzt sich aus Einkäufern verschiedener Unternehmen unterschiedlicher Größen und Branchen zusammen, die mit dem Energieeinkauf betraut sind. Hier engagieren sich praxisnah Nutzer und Anbieter. In regelmäßigen Treffen werden Markttrends, Beschaffungsstrategien und aktuelle Marktgegebenheiten ausgetauscht und bewertet mit dem Ziel, Best Practice zu entwickeln. Der Dialog mit den Fachgruppenmitgliedern ermöglicht ferner den Gedankenaustausch über den eigenen Tellerrand hinaus, erweitert den persönlichen Horizont und gibt oftmals neue Impulse. 

www.pilkington.com; www.bme.de