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Kategorie: Digitalisierung
Emissionshandelsgesetz: Unter Umständen wirkungsvoll
Am 15.11.2019 hat der Bundestag das Brennstoffemissionshandelsgesetz verabschiedet. Damit wird ab 2021 in den Sektoren Wärme und Verkehr ein Preis für Treibhausgas eingeführt. Doch an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestehen erhebliche Zweifel.
Simon Schäfer-Stradowsky, Geschäftsführer des IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität, benennt in seinem Gastbeitrag Probleme und Fragen, die das Gesetz aufwirft: Verfassungsmäßigkeit, föderale Verteilungsfragen und fehlende Steuerungswirkung. Auch wenn das Gesetz Bundestag und Bundesrat bereits passiert hat, kann durch eine Normenkontrollklage auf Änderungen hingewirkt werden.
Das am 15.11.2019 vom Bundestag verabschiedete Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) erfüllt eine alte Forderung von Klimaschützerinnen und Klimaschützern: Durch die Einführung eines nationalen Emissionshandels, wird es für die Sektoren Wärme und Verkehr endlich einen Preis für den Ausstoß von CO2 geben. Klimaschädliches Verhalten soll dadurch ab 2021 teurer werden. Der Festpreis für eine Tonne CO2 beginnt bei 10 Euro im Jahr 2021 und steigt dann jährlich auf 35 Euro im Jahr 2025.
Für das Jahr 2026 ist ein Preis zwischen 35 und 60 Euro vorgeschrieben. Ab 2027 entfallen die vorgeschriebenen Preise. Sie werden durch einen Cap, also eine mengenmäßige Obergrenze für CO2-Zertifikate ersetzt. Damit soll der Preis für ein Zertifikat, ähnlich dem europäischen Emissionshandelssystem für Stromerzeuger und Industrie, am Markt ausgehandelt werden.
Zweifel an der Effektivität
Auch wenn der Schritt zur Bepreisung von CO2 zu begrüßen ist, bleiben große Zweifel an der Effektivität des Gesetzes. Die Gründe liegen im viel zu niedrig angesetzten Einstiegspreis für CO2, in der Ausgestaltung des Emissionshandels und schließlich in der mangelnden Verzahnung mit den bereits existierenden Energie- und Stromsteuern. Zudem zeigte ein vor Kurzem im Auftrag der Stiftung Neue Energie erstelltes Kurzgutachten des IKEM, erhebliche Bedenken an dessen Verfassungsmäßigkeit auf.
Denn die Bundesregierung betrachtet den Emissionshandel, wie er im BEHG vorgesehen ist, als eine „nicht-steuerliche Abgabe“, in diesem Fall eine Vorteilsabschöpfungsabgabe. So eine Abgabe ist zwar grundsätzlich eine zulässige Option, doch müsste es, laut einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2018, für eine solche nicht-steuerliche Abgabe ein knappes Gut geben, das zum Beispiel durch einen verbindlichen Cap entstehen kann. Da eine Obergrenze in der Einführungsphase bis 2026 nicht vorgesehen ist, kann das BEHG rechtlich nicht als Vorteilsabschöpfungsabgabe eingeordnet werden. Das bedeutet, dass das BEHG in der Einführungsphase eine steuerähnliche Wirkung hat und sich auch an finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben messen lassen muss.
Und hier kommt das zweite Problem: In der Phase bis 2026 liegt auch keine verfassungskonforme Verbrauchssteuer vor. Diese setzt nämlich den Verbrauch eines Gutes, in diesem Fall könnten das das CO2 oder die Emissionsrechte sein, voraus. Das BEHG hat jedoch nur das Inverkehrbringen von Brennstoffen als Voraussetzung und ist unabhängig vom späteren Verbrauch des Brennstoffs, CO2 oder der Zertifikate. Damit kann das BEHG nicht als Verbrauchssteuer bestehen.
Risiko für den Steuerzahler
Aus diesen verfassungsrechtlichen Bedenken ergibt sich ein erhebliches Risiko für den Steuerzahler. Sollte das Bundesverfassungsgericht das BEHG für verfassungswidrig befinden, läge eine unzulässige Vermögensverschiebung zugunsten des Staates vor. Das bedeutet, alle Unternehmen, die bis dahin Zertifikate erworben haben, können die dafür geleisteten Zahlungen zurückverlangen. Das würde den Staat Milliarden kosten. Für die Unternehmen wären es hingegen reine Gewinne, da sie die Kosten für die Zertifikate bereits an die Kunden weitergegeben haben.
Auch für die Unternehmen bringt das BEHG keine Planungssicherheit, da die Einführung und die Höhe des Caps ab 2027 noch offen sind. Die zukünftigen politischen Entscheidungen könnten dann zu einer Preisexplosion oder zu weiterhin verschwindend niedrigen Preisen für Zertifikate führen.
Die Einnahmenwirkung des BEHG wirft mit Blick auf unser föderales System auch Verteilungsfragen auf. Die Einnahmen fließen nach aktuellem Stand ausschließlich in die Kasse des Bundes. Länder und Kommunen werden davon jedoch nicht profitieren – so rechnet beispielsweise der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein mit 25 Millionen Euro Mindereinnahmen, unter anderem durch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahn-Fernreisen und die Erhöhung der Pendlerpauschale.
Maßnahmenkatalog
Um diese Probleme zu lösen, bedarf es mehrerer Maßnahmen: Die Einführungsphase sollte verkürzt und der Preiskorridor danach aufgehoben werden, um die Verfassungsmäßigkeit des BEHG zu stabilisieren. Damit würde die mengenmäßige Begrenzung der Zertifikate, also ein Cap, sichergestellt. Die Einführungsphase könnte als sachlicher Grund für die Einführung eines Emissionshandels mit größerer Wahrscheinlichkeit bestehen als die bisher vorgesehene Phase von sechs Jahren.
Um die Einnahme durch den Emissionshandel gerecht zwischen Bund, Ländern und Kommunen zu verteilen, bedarf es einer Verfassungsänderung. Dabei könnte man das System wie eine Steuer ausgestalten, die man zusammen mit einem Verteilungsschlüssel in die Finanzverfassung aufnimmt. Wenn es bei einem Emissionshandel bleiben soll, wäre ein Staatsvertrag, der die Verteilung der Einnahmen zwischen Bund und Ländern festlegt, ein gangbarer Weg.
Weiterhin müsste der Preis in der Einführungszeit schneller ansteigen und die Einführung eines Cap bereits jetzt festgelegt werden, um Planungssicherheit für Unternehmen herzustellen. Damit könnte ein plötzlicher, steiler Anstieg der Preise bei einem nachträglichen Einziehen einer Obergrenze verhindert werden. Das jetzige Energiesteuerrecht ist hochgradig inkonsistent, wenn man die Steuersätze in Relation zu rationalen Bezugsgrößen wie Energie- und CO2-Gehalt setzt. Durch das BEHG wird also eine komplett neue Logik in das Steuersystem eingeführt. Deshalb sollte eine Reform der Energiesteuer das BEHG flankieren, die das gesamte Energiesteuerrecht an der Emission von Treibhausgasen ausrichtet. Durch die Kombination von Emissionshandel und emissionsbasierter Besteuerung könnte in Summe ein wirkungsvoller CO2-Preis erreicht werden.
Optionen der Umsetzung
Leider hat der Bundesrat die Chance verpasst, beim CO2-Preis nochmal nachzuverhandeln. Zur Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen bleiben daher noch zwei Optionen übrig. Zum einen könnten Unternehmen nach Inkrafttreten des Gesetzes den Gerichtsweg anstreben und gegen das BEHG klagen. Daneben hätte die Opposition jetzt die Möglichkeit eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht anzustreben. In der Klageschrift könnten die hier aufgeführten Gedanken als mögliche Alternativen aufgeführt werden und das Bundesverfassungsgericht zu einem Orbiter Dictum bewegen – es könnte Hinweise zu einer verfassungskonformen Ausgestaltung des BEHG geben. Sollte das Urteil vor 2021 vorliegen, dürften jedoch drohende Rückerstattungsansprüche vermieden werden.
Durch diese Maßnahmen könnte das BEHG noch zu einer Erfolgsgeschichte werden. Ist diese Aufgabe geschafft, schimmert am Horizont schon die Nächste: Die Synchronisierung der Maßnahmen mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten – denn ein nationaler Alleingang ist auf Dauer nicht zielführend. Timmermanns und Macron haben Deutschland in dieser Hinsicht zumindest schon die Hand ausgestreckt.
Weitere Information unter: www.ikem.de