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05.08.2015 11:41 Alter: 9 yrs

Einen Markt für Flexibilität schaffen

Angebot und Nachfrage überein zu bringen wird die zentrale Aufgabe im erneuerbaren Energiesystem der Zukunft. Verbraucher und Erzeuger müssen dafür flexibel werden. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) e. V. hat ein Modell entwickelt, mit dem sich die notwendige Flexibilität wettbewerblich und systemdienlich organisieren lässt.   Ein Gastbeitrag von Robert Busch, bne-Geschäftsführer


Foto: Jan Pauls Fotografie

Flexibilität ist die Antwort auf die wetterabhängigen erneuerbaren Energien. So steht es im Weißbuch zum künftigen Strommarktdesign, dass das Bundeswirtschaftsministerium Anfang Juli vorgestellt hat. Ein grundsätzlicher Wandel ist im Gange. Fuhren früher die Grundlastkraftwerke definierte Verbrauchskurven nach, können in Zukunft die Haushalte und Industriebetriebe auf das Angebot von Sonnen- und Windenergie reagieren. Für den notwendigen Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch werden flexible Kapazitäten wie Speicher, Power-to-Heat oder Lastmanagement sorgen. Wann, wie und in welchem Umfang sie zum Einsatz kommen, wird in einem Strommarkt 2.0 durch die Marktpreise koordiniert. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Weichen nun richtig gestellt werden. Wenn viele Verbraucher gleichzeitig auf ein einheitliches Marktpreissignal reagieren, geraten die Verteilnetze schnell an Grenzen. Sie sind aus Effizienzgründen schlicht nicht darauf ausgelegt, dass etwa alle angeschlossenen Haushalte gleichzeitig die maximal mögliche Leistung beziehen. In der alten Energiewelt war dies auch nie der Fall. Werden die Verbraucher selbst zum Teilnehmer auf dem Energiemarkt, haben immer mehr Häuser nicht nur Solaranlagen auf dem Dach, sondern auch Speicher oder elektrische Heizungen im Keller haben, ändert sich dies. Die lokalen Netze müssten also massiv zur vielzitierten Kupferplatte ausgebaut werden. Allein aus Kostengründen ist dies nicht wirklich erstrebenswert.

Strompreis allein reicht als Signal nicht aus

Zu beachten ist auch: Der bundeseinheitliche Strompreis taugt nicht als alleiniger Taktgeber für die Flexibilisierung. Denn er sagt nichts über die Wetter- und Erzeugungssituation in einer bestimmten Region aus.

Anders ausgedrückt, wenn viel Windstrom aus dem Norden die Preise sinken lässt und damit ein Signal zur Lasterhöhung gibt, kann in Südbaden zeitgleich ein Wolkenfeld durchziehen und die Solarstromproduktion dimmen. Ist dann ein Ausgleich über das Übertragungsnetz nicht möglich, ist in dieser Region ein geringerer statt ein höherer Verbrauch angezeigt, um das Netz stabil zu halten – selbst wenn der Börsenstrompreis ein anderes Signal sendet. Auch die Bundesnetzagentur kommt in einem aktuellen Evaluierungsbericht zu dem Schluss, dass sich ein regional nicht differenziertes Signal zur Lasterhöhung netzschädlich auswirken könnte.

Wie kann also ein Marktmodell aussehen, das regionale Bedingungen im Blick hat und einen Wettbewerb um Flexibilitätsoptionen ermöglicht? Der bne hat dazu als erster energiewirtschaftlicher Verband im vergangenen Jahr ein Konzept, den Flexmarkt vorgestellt. Die Idee: Ein regionales Signal zeigt zusätzlich zum Börsenstrompreis an, ob und in welchem Umfang in einer Region ein flexibles Verbrauchsverhalten in einer Region angezeigt ist.

Anwendungsfall für digitale Infrastruktur

Ein Beispiel: Die Wetterprognosen lassen für den Folgetag viel Windstrom und damit sinkende Preise an der Strombörse erwarten, für Verbraucher und Betriebe ein Anreiz für zusätzlichen Verbrauch. Ein Verteilnetzbetreiber, der in seinem Versorgungsgebiet durch die zusätzliche Last einen Engpass befürchtet, kann über eine regionale Leitwarte flexible Kapazitäten anfragen. Diese Kapazitäten können Vertriebe bei ihren Kunden poolen.

Ein Beispiel sind Kühlhäuser, die ihre Kälteproduktion für kurze Zeit zurückfahren und auf diese Weise das Netz entlasten. Der Vorteil für den Kunden: Wer Flexibilität zur Verfügung stellt und sich somit systemdienlich verhält, wird dafür belohnt und kann seine Energiekosten senken. Für den Verteilnetzbetreiber vor Ort bietet die Flexibilisierung einen großen Vorteil: Mit intelligenter Vernetzung von Verbrauch und Erzeugung lässt sich der Ausbaubedarf deutlich reduzieren.

All diese Prozesse dürfen die Kunden nicht überfordern; sie müssen automatisiert und digital laufen. Wer am Flexmarkt teilnehmen will, benötigt eine digitale Infrastruktur, damit sich Marktsignale empfangen und Daten übermitteln lassen können.

 

Hemmnisse beseitigen

In der bisherigen Verteilnetzstruktur mit über 900 Betreibern beim Strom lässt sich ein solches Konzept, dass auf wettbewerbliche Art und Weise regionale Flexibilität anreizt, schwer umsetzen. Der Flexmarkt sieht daher eine effizientere Organisation vor, nach der sich die Stromverteilnetzbetreiber zu ca. 25 regionalen Verbünden zusammenschließen. Das Eigentum an den lokalen Netzen bleibt dabei unverändert. Der Vorteil: Wichtige Informationen zu Einspeisung und Verbrauch vor Ort laufen in den regionalen Netzclustern zusammen, was die Organisation deutlich vereinfacht.

Ein Flexibilitätshindernis ist die bestehende Netzentgeltsystematik. Sie belohnt Energieverbraucher dafür, dass sie kontinuierlich Strom verbrauchen. Wer sich flexibel verhält, und mitunter für kurze Zeit sehr viel Überfluss- Strom aus dem Netz entnimmt, wird dagegen nach der geltenden Logik über dann teurere Netzentgelte bestraft. Aus der Welt von schwerfälligen fossilen Grundlastkraftwerken stammen zudem Regelungen, die einen Verbrauch in Schwachlastzeiten, sprich nachts, anreizen. Die Windstromproduktion richtet sich aber eben nicht nach Tag- und Nacht-Fenstern.

Selbst die Bundesnetzagentur stellt in einer aktuellen Bewertung fest, dass diese Regelungen einen geringen Nutzen im Hinblick auf die Netzkostensenkungen oder Netzstabilität entfalten. Zusammengenommen haben diese Fehlanreize einen Gegenwert von mehreren Hundert Millionen Euro pro Jahr. Mit diesem Geld ließe sich eine Flexibilisierung sinnvoll anreizen. Der bne und der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) haben sich daher kürzlich gemeinsam dafür ausgesprochen, die bestehenden Regelungen flexibilitätsfördernd umzugestalten.

Für die Unternehmen der neuen Energie wirtschaft bietet die Flexibilität nicht zuletzt die Möglichkeit, viele neue und digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, indem sie Steuer ungspotenziale aus Speichern, Lastmanagement oder Power-to-Heat vernetzen und im Wettbewerb anbieten. Die Flexibilisierung ist damit nicht zuletzt auch ein Beispiel für das Zusammenwachsen von Energie- und IT-Welt.

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