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< Novelle der Anreizregulierungsverordnung: Evolution statt Revolution
09.09.2016 16:24 Alter: 8 yrs

Eine Agenda für Digitalisierung

Die Energiewirtschaft durchläuft eine doppelte Transformation. Neben der Energiewende verändert die Digitalisierung die Grundlagen der bisherigen Wertschöpfung. Das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende greift diesen Punkt auf. Notwendig ist eine nachhaltige Verankerung des Themas Digitalisierung in der gesamten Organisation von Energieversorgern, unterstreicht Dr. Thomas Schlaak, Partner und Leiter Energy & Resources, Deloitte Consulting GmbH in seinem Gastbeitrag.


Die digitale Transformation löst disruptive Veränderungen in allen Branchen aus. Da zugleich der Innovationsdruck wächst, wird auch die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen auf die Probe gestellt. Dabei geht es nicht allein darum, bestehende Prozesse zu digitalisieren. Vielmehr steht auf der Tagesordnung, eine digitale Strategie für das eigene Unternehmen zu formulieren und auch umzusetzen. Auch der Energiesektor ist hiervon betroffen und muss einen grundlegenden Veränderungsprozess innerhalb der eigenen Organisation vollziehen.

 

Die weitere Umsetzung der Energiewende und der damit verbundenen Klimaschutzziele bis 2050 verlangt eine vollständige und intelligente Integration dezentraler Erzeuger, Speicher und Verbraucher in die bestehende Versorgungslandschaft.

Um aber die zunehmende Volatilität dezentraler Erzeuger in das Netzsystem zu steuern, sind künftig Verbrauchs- und Erzeugungsdaten in Echtzeit bereitzustellen. Dies erfordert eine Überführung der bisher analogen in eine digitale Datenermittlung. Ein wesentlicher Bestandteil für die digitale Ermittlung und Bereitstellung von Echtzeitdaten sind hierbei Smart Meter.

Die neuen Messgeräte sind die Basis eines intelligenten und datengetriebenen Energienetzes. Sie zeichnen den individuellen Verbrauch sowie die dezentrale Erzeugung kontinuierlich auf und können verschlüsselte Informationen über ein Smart-Meter-Gateway (SMGW) senden. Darüber liefern die Geräte wesentliche Steuerungsinformationen für Netzbetreiber und tragen zur Integration der erneuerbaren Energien und zur (daten)sicheren Integration von Haushalten in die Energiewende bei. Die so erzeugten Daten in hoher Auflösung sind damit von technischer Seite auch Voraussetzung für die künftige netzdienliche Steuerung der volatilen erneuerbaren Energiequellen, wobei der Endkunde aber die Hoheit über seine persönlichen Informationen behalten soll.

Start für eine digitale Infrastruktur

„Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende setzen wir das Startsignal für Smart Grid, Smart Meter und Smart Home in Deutschland und ermöglichen die digitale Infrastruktur für eine erfolgreiche Verbindung von über 1,5 Millionen Stromerzeugern und großen Verbrauchern“, so Bundeswirtschaftsminister Gabriel Anfang Juli bei der Vorstellung des Gesetzes. Im Zentrum steht hierbei die Einführung intelligenter Messsysteme. Womit nach einem langen Prozess die offenen Fragen hinsichtlich des Smart-Meter- Rollout durch die Bundesregierung beantwortet und zugleich Regeln zum Betrieb eines modernen Messwesens formuliert wurden.

Mit dem „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ will die Bundesregierung in den Stromnetzen Erzeugung und Verbrauch stärker miteinander verknüpfen. Wie sich bereits in den Entwürfen des Gesetzes angedeutet hat, wird der Rollout stufenweise erfolgen. Beginnend bei Großverbrauchern von Strom (> 10.000 kWh pro Jahr) sowie größeren EEGAnlagen (7 bis 100 kW installierter Leistung) im Jahr 2017 ist eine Ausweitung des verpflichtenden Rollout bis hin zu Verbrauchern mit mindestens 6.000 kWh Jahresverbrauch im Jahr 2021 vorgeschrieben. Damit fällt ein verbindlicher Startschuss für die bundesweite Einführung dieser neuen Infrastruktur. Durch die Anbindungsmöglichkeit an eine zertifizierte Infrastruktur könnte der Strommarkt dann vollständig durch intelligente Messsysteme (iMSyS) digitalisiert werden.

Kosten-Nutzen-Verhältnis

Als ein wichtiger Aspekt des Gesetzes kann gesehen werden, dass die neuen Regeln ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen des Einbaus und Betriebs intelligenter Messsysteme schaffen. Dazu gibt es eine klare Kostenregelung mit Preisobergrenzen. Diese sollen sicher stellen, dass die Kosten den erwarteten Nutzen nicht übersteigen. Der Einbau intelligenter Messsysteme wird darüber hinaus stufenweise erfolgen: Größere Verbraucher und Erzeugungsanlagen übernehmen beim Einsatz moderner Mess- und Steuerungstechnik die Vorreiterrolle, kleinere Stromverbraucher folgen später. Die in den verbrauchsstarken Gruppen gemachten Erfahrungen können dann dafür genutzt werden, das System zu einem Höchstmaß an Stabilität und Kundennutzen zu führen.

Grundlegende Veränderungsprozesse

Das alleinige Vorhalten und Speichern von „Big Data“ ist noch keine Innovation. Erst die gezielte „smarte“ Analyse und die Ausarbeitung von Anwendungsmöglichkeiten mit neu gewonnenen Informationen lässt Big Data in eine innovative Dienstleistung übergehen. In Anbetracht der vielfach erforderlichen Neuausrichtung des gesamten Sektors nutzen viele Energieversorgungsunternehmen und ihre Dienstleister die Gelegenheit, bzw. sind aus regulatorischer oder ökonomischer Sicht sogar gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und sich im Rahmen einer Reorganisation neu aufzustellen oder sich neu zu erfinden.

So zwingt der Trend von Dezentralität und Digitalisierung zu einem grundlegenden Veränderungsprozess innerhalb solcher Wertschöpfungsstufen wie Erzeugung, Transport, Verteilung, Handel und Vertrieb. Hier sind besonders die Energienetze betroffen, die sich durch die regulatorische Verpflichtung zum Smart-Meter-Rollout disruptiven Veränderungen gegenübersehen.

So zwingt der Trend von Dezentralität und Digitalisierung zu einem grundlegenden Veränderungsprozess innerhalb solcher Wertschöpfungsstufen wie Erzeugung, Transport, Verteilung, Handel und Vertrieb. Hier sind besonders die Energienetze betroffen, die sich durch die regulatorische Verpflichtung zum Smart-Meter-Rollout disruptiven Veränderungen gegenübersehen.

Bei der Entscheidungsfindung eines Netzbetreibers hinsichtlich der Aktivitäten im Umfeld von Smart Grid ist vorrangig eine individuelle Betrachtung von netz- und unternehmensspezifischen Faktoren gefordert. Unter Einschluss der vorliegenden Informationen sollten Netzbetreiber relativ kurzfristig über eine Kosten-Nutzen-Analyse die Wirtschaftlichkeit eines eigenständigen Smart-Meter-Rollout und eine Smart Meter Gateway Administrator- Rolle (SMGA) bewerten. Neue Wachstumsfelder erschließen Märkte aufbauen bedeutet, Bedarfe zu erzeugen. Dies ist im Rahmen der Digitalisierung der Energiewende nur möglich, wenn man weiterhin auch an direkt angrenzenden Feldern beteiligt ist. In der Funktion des Smart-Meter-Gateway-Administrators baut man sich diese Brücke selbst und ermöglicht für die anderen Unternehmensteile integrierte neue und innovative Dienstleistungen.

Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten zur Erweiterung heutiger Produkte und Dienstleistungen sowie zur Erschließung neuer Geschäftsfelder. Um diese Potenziale nutzen zu können, ist eine klare Zielrichtung für alle internen, aktuell oftmals fragmentierten digitalen Aktivitäten in einer unternehmensweiten zukünftigen Digitalisierungsstrategie notwendig. Diese sollte hierbei die Dimensionen interner Automatisierung (wie u. a. Messwesen) und neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle verbinden und auf einer integrierten, intelligenten Datenplattform zur Nutzung von Echtzeitdaten aufsetzen. Eine nachhaltige Verankerung des Themas Digitalisierung in der gesamten Organisation von Energieversorgern ist hierbei unabdingbar, wobei die Unternehmensstrategie eng mit der Digitalisierungsstrategie verzahnt werden sollte.