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Ein neues Strommarktdesign für Deutschland
Die Energiewende, regulatorische Anforderungen und die Digitalisierung stellen die Branche vor neue Herausforderungen. Auch innovative Technologien wie Blockchain werden die Umstrukturierung der Energiewirtschaft vorantreiben und so bisherige Branchengrenzen verschieben. Das „Strommarktgesetz 2016“ gehört auf den Prüfstand und das Thema Strommarktdesign steht erneut auf der Tagesordnung.
Prof. Dr. Norbert Schwieters, Leiter Energiewirtschaft bei PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PwC) hat hierzu auf der Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft 2018 einen aktuellen Vorschlag zur Diskussion gestellt.
Foto: Claudia Zurlo
Mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes“ erhoffte sich Politik eine Weichenstellung für eine weiterhin verlässliche, kosteneffiziente und sichere Stromversorgung. Fraglich erscheint jedoch, ob dies mit dem „Strommarkt 2.0“ wirklich gelingt. Denn der Strommarkt 2.0 sendet weder langfristige Investitionssignale für Stromerzeuger noch kurzfristige Preissignale für Stromverbraucher.
Die konventionelle Stromerzeugung ist wegen der niedrigen Großhandelspreise zunehmend unrentabel und Stromverbraucher zahlen durch Umlagen, Abgaben, Steuern und Sonderregelungen einen immer höheren Endpreis. Wir hatten bei Einführung des „Strommarkt 2.0“ auf drei Punkte verwiesen, die wesentlich für die weitere Entwicklung sind:
1. Die Preisstruktur der Verbraucher muss die Kostenstruktur der Erzeuger widerspiegeln, damit Verbraucher, Netzbetreiber und Erzeuger konsistente Preissignale und damit gleiche Investitionsanreize erhalten.
2. Investitionen in systemdienliche Technologien und Standorte müssen Vorrang haben. Dies gilt für die erneuerbare und konventionelle Erzeugung wie für nachfrageseitige Investitionen in Flexibilität.
3. Kosten und Risiken müssen zwischen Erzeugern und Verbrauchern fair verteilt werden. Umlagen, Abgaben, Steuern und Sonderregelungen sollten die Preissignale nicht verzerren.
Daraus abgeleitet hatte PwC den Vorschlag für die Einführung eines zweistufigen Preissystems unterbreitet, um die Kosten für Investoren und den Verbraucherpreis in einen direkten Zusammenhang zu bringen. Folgende Vorteile wären damit verbunden:
■ Orientierung am energiepolitischen Zieldreieck
■ Maximierung der Systemauslastung durch bestmöglichen Ressourceneinsatz ■ Kurzfristige und langfristige Preissignale für Investoren und Verbraucher
■ Anreize für zentrale, dezentrale und vor allem technologieoffene Investitionen
■ Anreize für flexibles und effizientes Verbrauchsverhalten
■ Verteilung von Kosten und Risiken zwischen Investoren und Verbrauchern.
Was wurde erreicht?
Wir müssen einschätzen, der „Strommarkt 2.0“ führt schon heute zu Defiziten, die das neue Marktdesign eigentlich beheben sollte. Dafür stehen drei Beispiele: Erstens: Unternehmen investieren zu wenig in die Sicherung und Flexibilisierung der Stromerzeugung. Verbraucher zahlen einen hohen Strompreis, der zu 55 Prozent aus Steuern und Abgaben besteht. Dadurch bleiben echte Marktsignale für Investoren aus. Zweitens: Die Investitionszurückhaltung könnte spätestens zum Ausstieg aus der Atomenergie 2022 zu Kapazitätsengpässen und extremen Preisspitzen führen. Bereits in 2017 kam es bei kurzen Engpassphasen zu Preisspitzen für Ausgleichsenergie von über 24.000 Euro pro MWh. Drittens: In den Bereichen Verkehr und Wärme ist die Energiewende bisher kaum vorangekommen. Das funktioniert erst, wenn erneuerbar erzeugter Strom verläßlich und bezahlbar auch für diese Sektoren nutzbar ist. Ob der Strommarkt 2.0 dafür die notwendigen Voraussetzungen schafft, bleibt fraglich.
Neues Design adressiert Defizite
Eine solche Entwicklung kann weder die Wirtschaft noch Verbraucher kalt lassen. PwC hat nun den Vorschlag aus dem Jahr 2016 überprüft und in einem neuen Design diese Defizite adressiert. Kern unseres Vorschlags ist eine verursachungsgerechte und nachvollziehbare Bepreisung der Stromversorgung. Konventionelle und erneuerbare Energien werden in einen Markt geführt und so technologieoffene sowie belastbare Investitionsanreize geschaffen. Zudem belohnt es Verbraucher für systemdienliches Handeln und treibt die Digitalisierung voran. Im Vergleich zum Strommarkt 2.0 könnten nach ersten Einschätzungen bis zu 15 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Kosten für die Strombereitstellung eingespart werden. Jährlich zweistellige Milliardenbeträge, mit dem der Staat die Bürger entlasten oder es klug in die Energiewende investieren könnte.
Innovative Finanzierungsmodelle sind gefragt
Derzeit sind wir von einem marktwirtschaftlichen Preissystem meilenweit entfernt. Der Strommarkt finanziert sich im deutschen „energy- only“-System nur über den Strompreis, dem sogenannten Arbeitspreis. Eine eigenständige Vergütung für Systemkosten wie Kapazitätsvorhaltung oder die Netze fehlt. Steuer, Umlagen und Abgaben verzerren das Marktresultat. Der Strompreis als wichtiger Indikator für Knappheit fällt damit aus. Fehlanreize für Investitionen, etwa bezüglich Back-up-Erzeugung oder Netzinfrastruktur sind die Folge. Und wenn es einmal tatsächlich zu erheblichen Preisspitzen kommt, kappt diese die Bundesnetzagentur durch zusätzliche Regulierung. Wie im Oktober 2017, als die Preisgebote für Regelenergie bei etwa 77.777 €/MWh lagen.
Ein neues Preismodell
PwC schlägt ein neues, zweigliedriges Preissystem vor. Neben dem Preis für Energie sollte ein zweites Preiselement die Systemleistungen wie Kapazität und Netzinfrastruktur honorieren. Der Kunde zahlt einen Arbeitspreis („power-as-service“), der den Grenzkosten der Stromerzeugung (inklusive CO2) entspricht. Und einen Leistungspreis („system-as-service“), der die Kosten der Inanspruchnahme des Energiesystems beinhaltet. Darin eingeschlossen die Netzanschlussleistungen und Engpasskomponenten. Künftig kann über Smart Meter und Smarkt Grid die Nutzung direkt in Echtzeit gemessen werden. Im Detail setzt sich der Leistungspreis aus den Ausschreibungen für erneuerbare Energien entsprechend einem geplanten Wachstum, komplementären Ausschreibungen für konventionelle Back-Ups (etwa über einen dezentralen Leistungsmarkt) sowie Netzkosten, die bisherige EEG-Umlage und gegebenenfalls Steuern zusammen.
Eine solche Preis-Zweiteilung beseitigt das gegenwärtige Marktversagen und verknüpft Investitionsentscheidungen direkt mit der Kundenachfrage. Jeder Kunde zahlt individuell für seine Nutzung von Energie, Leistung und Netz. Investoren erhalten die Vergütung für ihre Systemleistungen von Kapazität bis Netz dann nicht über den Strom- sondern den Leistungspreis.
Insgesamt zeigt sich: Der gegenwärtige „Strommarkt 2.0“ hat erhebliche Schwächen und führt nicht selten zum Marktversagen. Unser PwC-Vorschlag nimmt sich der Probleme an und führt mit einer neuen Preisstruktur zu deutlichen Verbesserungen. Unser Marktdesign steigert Effizienz und Effektivität durch niedrigere Kosten und bessere Investitionssignale.
www.pwc.de/energy
Vorteile der Kunden
• Die Haushalte werden durch das Modell erheblich von Kosten entlastet, insbesondere aufgrund des Wegfalls von Quersubventionierungen und besserer Auslastung des Systems
• Anreize für energiesparende Geräte und Anlagen mit hohem Wirkungsgrad sowie für die kurzfristige Bereitstellung von Flexibilität
• Anreize, erneuerbaren Strom mit niedrigem Arbeitspreis umfassend zu nutzen (Sektorkopplung)
Vorteile der Erzeuger
• Risikoreduktion für Investitionen in Bereitstellung gesicherter Leistung/ Flexibilität durch explizite Vergütung der Systemleistung + Teilnahme am Energiemarkt
• Investitionen an Standorten mit hoher Ausbeute an Wind/Sonne und/oder hohem Bedarf
• Möglichkeiten für neue intelligente Geschäftsmodelle einschl. erneuerbarer Sektorkopplung; Echtzeit-Preisfindung mit hoher Granularität
Gesellschaftliche Vorteile
• Verbraucher steuern ihre Nachfrage systemdienlicher
• Kosten für Strombezug sinken um durchschnittlich 2 ct;
• Die Systemauslastung steigt um ca. ca. 10% *)
• Mehr erneuerbare Energien im Markt 20% mehr in 2040 (PwC-Berechnung)