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Ein Klavier, ein Klavier …
Lärm, Stau, Abgase: die Innenstädte, ihre Bewohner und die dort arbeitenden Menschen leiden zunehmend unter der intensiven Nutzung begrenzter Infrastrukturen. Währenddessen sorgt die enorme Dynamik im E-Commerce und in der Automobilindustrie, die in den nächsten Jahren die ersten autonomen Fahrzeuge auf die Straßen bringen möchte, dafür, dass sich viele neue Handlungsfelder ergeben. Was ist zu tun? Ein Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Raimund Klinkner, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik (BVL) e. V. Foto: BVL
„Ist das hier richtig bei … Panislowski?“, so beginnt der Sketch „Mutters Klavier“ des unvergessenen Loriot. Das Klavier, ein Geschenk der Mutter im fernen Massachusetts, hat bis zu dieser Frage des Möbelpackers Finke eine Reise von 8.000 Kilometern hinter sich gebracht – und dabei sicher einige Logistiker in Atem gehalten. Damit ist die Geschichte aber nicht zu Ende. Denn schließlich hat sich Familie Panislowski vorgenommen, diese Ankunft des Präsents gebührend zu inszenieren („Mutter, wir danken dir!“) und zu filmen. Wie an jedem guten Set muss die Szene mehrfach wiederholt werden, und so dauert es, bis Finke und sein Kollege wieder in ihren Möbelwagen steigen können.
Was jeder Logistiker weiß und Loriot nicht zeigt: Unerwartete Ereignisse beeinflussen die Service-Dauer und können vielfältige Folgen haben. So staut sich in Panislowskis Straße der Verkehr, weil die Müllabfuhr nicht an dem Möbelwagen vorbeifahren kann und sich dahinter PKW stauen. Auch Kurierfahrzeuge, deren Auslieferplan durcheinander gerät. Es wird gehupt, Anwohner schließen verärgert die Fenster und gleich mehrere rufen die Polizei: Alltag in vielen deutschen Großstädten. Also besser kein Klavier für Familie Panislowski? Oder mehr Verständnis für die Logistik? Letzteres wäre sehr gut, Ersteres ist die falsche Frage.
Wie wäre es mit Leitsystemen für den Liefer- und Entsorgungsverkehr? Oder mit Fahrzeugen, die untereinander kommunizieren, den Engpass melden und für Umleitung sorgen? Wie wäre es mit gemeinsam genutzten Kurierfahrzeugen, mit dezentralen Paketstationen, mit privaten Fahrgemeinschaften, um weniger Last im Verkehrssystem zu haben? Digitalisierung macht die notwendige Kommunikation möglich. Wenn Daten in Echtzeit zur Verfügung stehen, können Entscheidungen schneller getroffen werden. Logistiker wissen, wie Citylogistik praktisch funktionieren könnte, und Wissenschaftler haben gute Vorarbeit geleistet. Noch fehlen Verbündete in Verwaltung und Politik.
Darüber hinaus fehlt uns jedoch auch eine konkrete Vorstellung davon, welche Art der Versorgung der Innenstädte wir uns eigentlich leisten wollen. Es gibt sehr viele offene Fragen und es gibt mindestens genauso viele innovative Projekte und Ideen zu einer bürgerfreundlichen Versorgung von Ballungsräumen. E-Mobility allein aber reicht nicht aus, um eine urbane Verkehrs- und Emissionsentlastung zu erreichen. Wir tun gut daran, hier Struktur hineinzubringen, indem wir uns an einen Tisch setzen und uns auf grobe Leitlinien dafür verständigen, was wir als erstes anpacken wollen und wie. Um an einer Roadmap zu arbeiten, hat die Bundesvereinigung Logistik einen Roundtable Citylogistik initiiert, der am 1. Dezember in Dortmund stattfinden wird.
Weitere Informationen unter: www.bvl.de