Nachricht

< Politik behindert die ökologische Modernisierung
17.10.2019 15:15 Alter: 5 yrs

Ein einheitlicher CO2-Preis: der Schlüssel für ein effizientes Marktdesign

Seit dem 20. September liegt das Klimaschutzpaket der Bundesregierung vor. Reichen die verabschiedeten Maßnahmen aus, um die CO2-Einsparziele zu erreichen und den dazu erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien voranzubringen?


Prof. Dr. Felix Müsgens, Foto: BTU Cottbus

Felix Müsgens, Co-Leiter der ESYS-Arbeitsgruppe „Strommarktdesign“ und Professor für Energiewirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) benennt in einem Gastbeitrag, was passieren muss, damit sich klimaschonende Technologien am Markt etablieren können und Deutschland seine Klimaziele erreicht.

Wie kann sich Strom aus regenerativen Energiequellen am Markt gegen Kohle, Erdöl, Diesel und Benzin durchsetzen? In einer interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe des Akademienprojektes „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) haben hochrangige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Leitlinien für ein effizientes und effektives Marktdesign entwickelt. Sie stellen fest: Eine umfassende CO2-Bepreisung ist dafür ein erster notwendiger Schritt. Gleichzeitig gilt es, Verzerrungen abzubauen, die heute einen effizienten Klimaschutz verhindern. Die gute Nachricht: beides lässt sich verbinden.

Am 20. September hat das Klimakabinett ein Maßnahmenpaket vorgestellt, mit dem Deutschland seine Klimaziele bis zum Jahr 2030 erreichen und den Klimaschutzplan 2050 umsetzen will. Zweieinhalb Wochen später, am 9. Oktober, folgte die detaillierte Aufstellung auf 173 Seiten. Liegen damit alle Instrumente auf dem Tisch, um die Klimaziele zu erreichen? Das scheint fraglich: Vielmehr verursacht das Sammelsurium an Einzelmaßnahmen hohe Kosten - bei unklarem Beitrag zum Klimaschutz.

Was ist zu tun?

Eine Arbeitsgruppe des von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften initiierten Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ hat Kriterien für ein geeignetes Marktdesign der Energiewende aufgestellt. Wir empfehlen der Bundesregierung, eine umfassende und wirksame CO2-Bepreisung als zentrales klimapolitisches Instrument zur Reduktion von Treibhausgasemissionen einzuführen – verbunden mit einer Reform des Systems an Steuern, Abgaben und Umlagen.

In unserem Impuls haben wir Kriterien identifiziert, um klimaschonenden Technologien zum Durchbruch zu verhelfen: Erstens sollten Marktakteure alle Kosten tragen, die sie verursachen – dazu gehören insbesondere externe Effekte wie Umweltschäden, die Klima und Gesellschaft belasten. Zweitens sollte das Marktdesign einen unverfälschten Wettbewerb aller Energieträger ermöglichen. Dafür müssen Wettbewerbsverzerrungen, die momentan zu Wohlfahrtsverlusten führen, abgebaut werden. Denn heute sind die Energieträger sehr unterschiedlich mit Steuern, Abgaben und Umlagen belastet.

CO2-Preis schafft doppelte Dividende

Worin liegen die Vorteile einer umfassenden CO2-Bepreisung? Ein CO2-Preis belastet Energieträger wie Heizöl, Erdgas, Diesel und Benzin nach ihrem CO2-Gehalt. Dadurch verbessert sich die Wettbewerbsposition klimaschonender Technologien, und die Klimaschutzziele werden effizient erreicht. Gleichzeitig können die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung genutzt werden, um das System an Steuern, Abgaben und Umlagen so zu reformieren, dass Verzerrungen abgebaut werden. Wir können also durch gutes Marktdesign im Klimaschutz eine doppelte Dividende für die Gesellschaft erzielen.

Je mehr Emissionen mit demselben Preis belegt werden, desto effizienter können Treibhausgasemissionen vermieden werden. Daher sollte der CO2-Preis nicht nur alle Sektoren umfassen, sondern idealerweise auch möglichst viele Länder.

Globale Bepreisung von CO2-Emissionen

Wesentlicher Vorteil einer globalen Bepreisung ist, dass die Kosten für CO2-Emissionen weltweit in jegliche Produktionskosten einfließen würden, die CO2-Emissionen beinhalten, sodass Unternehmen aus Deutschland und Europa keine Wettbewerbsnachteile fürchten müssten – die Gefahr des Carbon Leakage wäre gebannt. Da eine globale Lösung Zeit braucht, sollte sich die Bundesregierung zunächst für eine europaweite CO2-Bepreisung einsetzen.

In unserer Arbeitsgruppe schlagen wir vor, das Europäische Emissionshandelssystem (EUETS) bis 2030 auf die Sektoren Wärme und Verkehr auszuweiten. Um die Nachteile dieses Systems wie Preisschwankungen auszugleichen und Investoren Sicherheit zu bieten, könnte die EU einen Mindestpreis im EU-ETS einführen.

Als Zwischenlösung bis 2030 könnte die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode mit Partnerländern eine strategische Klimaschutz-Allianz zu bilden. Möchte Deutschland schon im Vorfeld einen nationalen CO2-Preis einführen, gibt es im Wesentlichen drei Optionen: Die Regierung kann das EU-ETS national auf die Sektoren Wärme und Verkehr ausweiten, einen zusätzlichen Emissionshandel in Deutschland oder eine CO2-Steuer einführen.

Energiesteuerreform: EEG- Umlage senken, Stromsteuer kürzen

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung erhöhen die Effizienz, indem mit ihnen Steuern, Abgaben und Umlagen ersetzt werden können, die heute einzelne Energieträger zu stark belasten. Davon profitiert auch die Sektorenkopplung. Um grünen Strom zum Heizen und im Verkehr nutzen zu können, muss der Strom mit Benzin, Öl und Gas konkurrieren können. Deshalb schlagen wir vor, die EEGUmlage deutlich zu reduzieren und die Stromsteuer auf das europäisch festgelegte Mindestmaß zu kürzen.
https://energiesysteme-zukunft.de/de/

Die ESYS-Publikation ist hier abrufbar: Opens external link in new windowhttps://energiesysteme-zukunft.de/de/impuls-marktdesign/

Darstellung der Einnahmen einer sektorenübergreifenden CO2-Bepreisung in Deutschland in Höhe von 30 Euro pro Tonne CO2 (exemplarisch) und der möglichen Verwendung als illustratives Beispiel. Darin enthalten sind auch die Einnahmen aus der Versteigerung der EU-ETS-Zertifikate (Stand 2018), die in die Energie- und Klimafonds (EKF) einfließen und einer Zweckbindung unterliegen. Aufgrund der gestiegenen EU-ETS-Zertifikatspreise ist davon auszugehen, dass die Mittel im EKF im Jahr 2019 deutlich steigen werden.

»Mit dem Klimaschutzpaket der Bundesregierung ist der Anfang zur umfassenden CO2-Reduktion gemacht. Der Einstieg in die Bepreisung der Nicht-EU-ETS-Sektoren, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch den Abbau von Verzerrungen im Stromsektor und das Bekenntnis zu einem europaweiten übergreifenden Zertifikatehandel sind positiv hervorzuheben. Jedoch ist die Vielzahl an vorgeschlagenen Maßnahmen viel zu kleinteilig und teuer - bei unklarem Beitrag zum Klimaschutz. Insgesamt hätte man sich mehr Mut und eine klarere Kommunikation gewünscht. Es erscheint fraglich, ob mit den geplanten CO2-Preisen (z. B. 10 Euro pro Tonne CO2 zum Start im Jahr 2021) die Einsparziele der Bundesregierung erreicht werden. Hier wäre mehr Vertrauen in dieses Leitinstrument für den Klimaschutz angebracht.«
Prof. Felix Müsgens

Belastung ausgewählter Endenergieträger durch Steuern, Abgaben und Umlagen (Stand 2018), zuzüglich eines exemplarischen CO2-Preises in Höhe von 30 Euro/t CO2. Diese wirkt sich unterschiedlich auf die verschiedenen Energieträger aus, entsprechend der jeweils verursachten CO2-Emissionen. Die Abbildung bezieht sich auf die Endverbraucherpreise für private Haushalte, Ausnahmetatbestände für Unternehmen sind hier nicht berücksichtigt. Quellen: BDEW 2019b, Bundesnetzagentur & Bundeskartellamt 2018, Energi Data Service 2019, MWV 2019.

Meinungen zum Klimaschutzpaket der Bundesregierung

Dirk Uwe Sauer, Professor am Institut für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe der RWTH Aachen und ESYS-Sprecher:

Positiv ist, dass die Gesamtemissionsmengen bis 2030 festgelegt sind. Die weiteren Reduktionsziele Richtung 2040 bzw. 2050 erst 2025 festzulegen, bedeutet aber erhebliche Unsicherheiten für Investoren, solange nicht klar ist, wo es hingehen wird. Es wird zumindest wichtig sein, seitens der Bundesregierung deutlich zu machen, dass die CO2-Einsparziele höher als 70 % gegenüber 1990 sein müssen und werden.

Im Bereich der Personenkraftfahrzeuge wird die CO2-Bepreisung im Vergleich mit den fahrzeugbezogenen Grenzwerten der EU für neuzugelassene Fahrzeuge nur wenig Wirkung entfalten. Wichtig ist hier ein sehr schneller und starker Einstieg, da durch die Fahrzeuglebensdauer bereits alle heute neuzugelassenen Fahrzeuge 2030 noch auf der Straße sind.

Wichtig ist, dass Fördermaßnahmen nicht zu Zwischenlösungen führen, die für das Erreichen der Ziele am Ende nicht ausreichend sind. Das Verbot neuer Ölheizungen ist sinnvoll, aber ob Gas-Elektro-Hybridheizungen die richtige Technologie für weitere 20 Jahre sind oder nicht gleich Wärmepumpen eingesetzt werden müssten, sollte noch mal genau überprüft werden.

Es muss geschaut werden, ob der Tausch von Emissionsrechten zwischen den Ministerien dafür sorgt, dass in einem Sektor sehr teure Maßnahmen wie eFuels im Verkehrssektor nicht zum Einsatz kommen. Da aber jeweils nur innerhalb des ETS-Sektors und des Non- ETS-Sektors getauscht werden darf, sind die Optionen relativ gering. Energiewirtschaft und Industrie einerseits und Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft andererseits könnten also untereinander tauschen.

Es wird spannend sein zu sehen, ob die Zielsetzungen ohne weitreichende ordnungsrechtliche Maßnahmen, wie es jetzt weitgehend vorgesehen ist, erreicht werden können. Wichtig ist, dass – wie von der Bundesregierung versprochen – bei Nichterreichen von sektoralen Zielen sehr schnell Gegenmaßnahmen beschlossen werden. Jede Verzögerung macht die Zielerreichung komplizierter und teurer.


ifo Institut: Klimapolitik bleibt kleinteilig mit wenig verbindlichen Klimazielen

Das ifo Institut sieht es als ein wichtiges Signal, dass der Entwurf eines Klimaschutzgesetzes durch das Kabinett beschlossen worden ist, weist aber gleichzeitig auf entscheidende Mängel hin.

„Auf verbindliche, langfristige Klimaziele für 2050 zu verzichten, ist äußerst problematisch“, erklärt Karen Pittel, Leiterin des ifo Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. Sie warnt grundsätzlich vor zu hohen Erwartungen an die Wirksamkeit des Klimaschutzgesetzes. Gesetze seien nicht vor Anpassungen durch spätere Regierungen gefeit, wie das Beispiel der Atomgesetze seinerzeit gezeigt habe. Dies droht umso mehr, je höher die Kosten des Klimaschutzes ausfallen.

Gerade in dieser Hinsicht sei es sinnvoll, Ziele für einzelne Sektoren flexibler zu gestalten. Denn z.B. für den Verkehr sei das Ziel bis 2030 nicht mehr oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten zu schaffen. „Langfristig müssen jedoch alle Sektoren dazu beitragen, die Emissionsziele einzuhalten. Es wäre fatal, wenn die aus ökonomischer Sicht sinnvolle Flexibilisierung der Sektorziele zu einem Aufschieben aus langfristiger Sicht notwendiger Investitionen führt“, so Pittel.

Die Gefahr eines Aufschiebens wird aus Sicht von Pittel durch den Verzicht auf bindende Klimaziele für 2050 verstärkt. Die eher schwammige Zusicherung, „nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende Emissionsmengen durch Rechtsverordnung“ festzulegen (§4) und „Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen“ (§1), würde selbst bei einem Verweis auf die Verbindlichkeit von UNund EU-Zielen einen unzureichenden Ersatz darstellen.