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Energieeffizienz lässt sich von EU-Politik nicht aufhalten
Am 23. Oktober haben die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel einen Beschluss zum Energie- und Klimapaket für die Zeit bis 2030 gefasst. Eine Empfehlung zur verbindlichen Festschreibung für ein Energieeffizienzziel gab die EU-Kommission nicht. Nehmen wir die politischen Signale der EU-Ratsentscheidung im Oktober wörtlich, dann werden wir bis 2030 nicht viel weiter gekommen sein als dort, wo wir heute stehen. Im Energieeffizienzmarkt im Allgemeinen und im Wärmemarkt im Speziellen. Eine Betrachtung von Carsten Müller, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) und Mitglied der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestags.
Die Energieeffizienz lässt sich von der EU-Politik nicht aufhalten - jedem neu errichteten Gebäude, jeder neuen Anlage wohnt ein geringerer Verbrauch inne. Nur die möglichen wirtschaftlichen Potenziale bleiben einfach weiter unausgeschöpft - und eben das verspielt massive Chancen für Unternehmen und Verbraucher. Und es bedeutet auch: Europa wird weiter im Würgegriff der Abhängigkeit von Energieimporten gefangen bleiben.
Ein wirtschaftlich sinnvolles Ziel wäre ein verbindliches von mindestens 40 Prozent gewesen, wie es auch im Frühjahr das EU-Parlament gefordert hatte. Das haben Wirtschaftsforscher vom DIW als auch vom Fraunhofer ISI nachweisen können. Die letztliche Einigung im EU-Rat auf ein Ziel, den Energieverbrauch um 27 Prozent bis 2030 zu senken, ist nur eine scheinbare Fortschreibung der Zielmarke 20 Prozent, die zwischen 2007 und 2020 galt.
Ein wirtschaftlich sinnvolles Ziel wäre ein verbindliches von mindestens 40 Prozent gewesen, wie es auch im Frühjahr das EU-Parlament gefordert hatte. Das haben Wirtschaftsforscher vom DIW als auch vom Fraunhofer ISI nachweisen können. Die letztliche Einigung im EU-Rat auf ein Ziel, den Energieverbrauch um 27 Prozent bis 2030 zu senken, ist nur eine scheinbare Fortschreibung der Zielmarke 20 Prozent, die zwischen 2007 und 2020 galt.Denn maßgeblich ist nicht die Differenz zum Verbrauch von heute, sondern zu einem angenommen Verbrauch in 2030. Unterstellt werden dabei Wachstumsraten aus Vorkrisenzeiten. Diese wären wünschenswert - sind aber nicht absehbar. Tatsächlich liegt der Zielverbrauch 2030 somit im Ergebnis absolut nur um etwa sieben Prozent niedriger als heute! Zudem bleibt auch dieses Nicht-Ziel weiterhin unverbindlich. Worauf also soll hier Planungssicherheit für Investitionen fußen?
Eine energiepolitische Bankrotterklärung
Der Ratsbeschluss war im Ergebnis eine energiepolitische Bankrotterklärung. Die EU wurde von zwei Staaten ausgebootet, die die Zeichen der Zeit verkennen. Das ist zum einen Polen, das selbst massiv von Gasimporten aus Russland abhängig und ein bedeutender Produktionsstandort wichtiger Effizienzlösungen - von Baustoffen bis Elektronik - ist.
Zum anderen ist dies das Vereinigte Königreich, das sich ebenso wirtschaftlich mehr selbst geschadet hat. So schrieb der CEO von Knauf Insulation, selbst Brite, an seinen Premier Cameron, ein Ziel unter 30 Prozent sei ein klares Signal, künftig lieber woanders zu investieren.
Eine solche "low carbon leakage" wäre fatal. Heute arbeiten alleine in Deutschland über 800.000 Menschen in Unternehmen, die sich im Geschäft mit der eingesparten Kilowattstunde verstehen. Vom Handwerk bis zur Schwerindustrie wird hier ein Umsatz von über 162 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaftet. Diese Unternehmen sind nicht nur wichtige Innovationsmotoren. Die Lösungen für ein supereffizientes Europa 2030 in Industrie, privaten Haushalten und Verkehr sind heute schon da - und zwar "Made in Germany".
Der Branchenmonitor Energieeffizienz, den die DENEFF gemeinsam mit der Wirtschaftsberatung PwC herausgibt und aus dem obige Zahlen stammen, hat auch erhoben, mit welchen Kernproblemen sich die Branche künftig konfrontiert sieht: "Unsicherheit über politische Rahmenbedingungen" nannten über 90 Prozent. Daran wird sich künftig zumindest auf der gesamteuropäischen Ebene erst einmal nicht viel ändern.
Wichtig ist deshalb, bereits bestehendes EURecht konsequent umzusetzen. Die EU-Energieeffizienzrichtlinie, seit letztem Jahr in Kraft, hat wichtige Stellschrauben gesetzt. So die verbindliche Einführung regelmäßiger Energieaudits für große Unternehmen oder die Vorgabe an die Mitgliedsstaaten, Sa nie rungsstrategien zu entwickeln. Am Be deu tendsten ist wohl die Vorgabe, den End ener gieverbrauch jährlich um 1,5 Prozent zu senken. Das kann durch Bemühungen der Ener gie unternehmen oder gleichwertige, politi sche Alternativen passieren. Übrigens: Nur wenn die Richtlinie akkurat umgesetzt wird, ist auch das 20- Pro zent -Ziel für 2020 erreichbar!
Ungenutzte Effizienzpotenziale marktlich aufspüren
Die neue Bundesregierung will im Rahmen eines Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz, der am 3. Dezember im Kabinett verabschiedet werden soll, die Richtlinie vollständig umsetzen. Die Frist dazu ist längst verstrichen, es wird also auch Zeit. Hier gibt es einige vielversprechende Ideen. Diskutiert werden zum Beispiel eine steuerliche Förderung für energetische Modernisierungen, Ausfallbürgschaften für Contractingprojekte in der Industrie oder wettbewerbliche Ausschreibungen für eingesparte Kilowattstunden.
Die DENEFF als Zusammenschluss von inzwischen über 110 Vorreiterunternehmen der Energieeffizienzbranche hat sich in den letzten Jahren massiv für diese Vorschläge eingesetzt. Insbesondere ein Ausschreibungsmodell, wie es in der Schweiz, Portugal aber auch einigen US-Staaten bereits erprobt wurde, verspricht mit einer ganz neuen politischen Denke, ungenutzte Effizienzpotenziale marktlich aufzuspüren und zu heben.
Jenseits aller EU-Vorgaben verfolgt die Bundesregierung das eigene Ziel, den Primärenergieverbrauch bis 2020 um 20 und bis 2050 um 50 Prozent zu senken. Bereits jetzt ist absehbar, dass hierfür erhebliche Anstrengungen notwendig sind. Denn während die Umsetzung des Energiekonzepts und die Energiewende bislang fast ausschließlich den Umbau des Stromsystems ins Auge fassten, wurden die Einsparung von Energie und der Wärmesektor insgesamt sträflich vernachlässigt. Da aber die Halbierung des Energieverbrauchs überhaupt erst die Grundlage für eine bezahlbare Versorgung von morgen schafft, ist der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz von zentraler strategischer Bedeutung.
Wärmebereich verlangt volkswirtschaftlich mehr Augenmerk
Dem Wärmebereich kommt eine wesentliche Rolle zur Verringerung der Abhängigkeit von Erdgasimporten zu, wie uns in den vergangenen Monaten wieder schmerzhaft ins Bewusstsein gerufen wurde. 71 Prozent des Erd gasverbrauchs in Deutschland werden zur Wärmeerzeugung genutzt (Fraunhofer IWES 2014). Entsprechend hoch sind die Potenziale, durch Energieeffizienz die Liefersicherheit und Bezahlbarkeit von Gas zu sichern.
In den nächsten zehn Jahren könnte es gelingen, die Importabhängigkeit von russischem Gas zu halbieren. Heute importiert Deutschland jährlich 259 Milliarden Kilo wattstunden Gas aus Russland. Durch eine Verdopplung der Sanierungsrate, wie sie auch das Energiekonzept anstrebt, könnten 84 Milliarden Kilowattstunden eingespart werden. Eine Einsparung von weiteren 51 Milliarden Kilowattstunden könnte durch Effizienzsteigerungen bei industriellen Pro zessen und Querschnittstechnologien erreicht werden. Dazu ist aber auch noch einmal eine Verdopplung der Anstrengungen notwendig (Ecofys 2014).
Das Glas ist also erst halb voll. Bis 2030 muss daher noch kräftig nachgeschenkt werden. Am besten aus der Hand einer starken, heimischen Effizienzwirtschaft mit Unterstützung einer wegweisenden Bundespolitik und hoffentlich zukünftig wieder sachorientierten EU-Politik.
www.deneff.org