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< Energiewende-Soli nützt wenig
02.05.2013 14:58 Alter: 12 yrs
Kategorie: Wirtschaftsfaktor Energie

Die Rechnung bitte!

Zu den Teilnehmern der BDEW Leitveranstaltung „Smart Renewables 2013“ zählt traditionell auch die Bundesnetzagentur. Für THEMEN:magazin Energie stellt Präsident Jochen Homann die Kerngedanken seines Tagungsbeitrages einem breiteren Leserkreis vor. Er beteiligt sich damit an der Diskussion zu Fragen der Erzeugung und des Transports und unterbreitet Anregungen zur Weiterentwicklung des Marktdesigns aus Sicht der Bundesnetzagentur.


Foto: Bundesnetzagentur

Das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien ist als Starthilfe für deren Auf- und Ausbau durchaus eine Erfolgsgeschichte. Wir sind mit schon jetzt annähernd 25 % Stromerzeugung am Bruttostromverbrauch auf dem besten Wege, das Erneuerbaren-Ziel für 2020 deutlich zu übertreffen. Ob allerdings das Übertreffen eines Zieles auch als Erfolg gewertet werden kann, wenn damit zusätzliche Kosten und Probleme für die Versorgungssicherheit verbunden sind, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist in seiner jetzigen Form strukturell nicht geeignet, einen nahtlosen Übergang in ein marktwirtschaftlich geprägtes Fördersystem zu ermöglichen. Und die Kritik am EEG hat sich insbesondere mit Hinblick auf die hohen Zahlungsverpflichtungen in den letzten Monaten verstärkt.

Den richtigen Systemwechsel einleiten

Der Tritt auf die Strompreisbremse ist daher unvermeidlich. Der gemeinsame Vorschlag der Minister Rösler und Altmaierhat die überfällige Debatte in Schwung gebracht und ich hoffe, dass sich hier noch trotz aller Widerstände in diesem Jahr Ergebnisse erzielen lassen. Der Vorschlag, allen Neuanlagen eine verpflichtende Direktvermarktung vorzuschreiben, ist sehr zu begrüßen. Das mag zunächst noch nicht viel Geld bringen –läutet aber den richtigen Systemwechsel ein. Es ist auch nachvollziehbar, dass die EEG-Umlage als unmittelbar wirkende Sofortmaßnahme zunächst eingefroren und dann begrenzt werden soll. Die Fixierung der Umlage ist aber noch nicht mit einer Begrenzung der Ausgabengleich zusetzen – auf mittlere Sicht brauchen wir hier Lösungen, die auch die Kosten im System begrenzen: Wir müssen den Ausbaupfad überprüfen bzw. die Förderung begrenzen.

Bereitstellung von Leistung vergüten

In den nächsten Jahren wird nicht nur eine Neukonzeptionierung der Förderung von Erneuerbaren Energien in Deutschland nötig sein. Die Reform des EEG sollte Handin Hand mit der Entwicklung eines neuen Marktdesigns auch für konventionelle Erzeuger gehen – im Idealfall im europäischen Kontext. Zurzeit möchte niemand dafür zahlen, dass Kraftwerke bereit stehen und garantiert einspringen, wenn die Erneuerbaren gerade keinen Strom liefern, weil die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Dabei wird bei zunehmender fluktuierender Leistung Stabilität immermehr wert. Wir stehen hier vor grundlegenden Strukturentscheidungen, für die sich die Politik ausreichend Zeit nehmen sollte, ohne sie auf die lange Bank zu schieben. Eine Lösung könnte die Einführung einer Vergütung für die reine Leistungsbereitstellung im Rahmen eines Kapazitätsmechanismus sein – möglicherweise als Ergänzung zu dem Energy-Only-Markt, wie wir ihn heute kennen. Es fehlt hierfür allerdings noch ein überzeugendes Konzept. Und solange es dieses nicht gibt, sollten wir nicht vorschnell Lösungen das Wort reden, die sich später möglicherweise als teurer Irrweg erweisen.

Ohne Netzausbau keinen Transport

Erzeugter Strom muss zum Verbraucher transportiert werden. Dabei müssen die Netzbetreiber in einer Welt mit wachsenden Anteilen schwankender Stromeinspeisung komplexe Steuerungsaufgaben übernehmen, um das Stromnetz stabil zu halten.

Diese Aufgabe wird mit steigendem Anteil Erneuerbare Energien immer anspruchsvoller. So berichtet der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, dass sich die Zahl der Netzeingriffe (Redispatch) seit 2010 vervierfacht hat und die Kosten von 30 Mio. Euroauf 120 Mio. Euro im Jahr 2012 gestiegen sind. Zudem entfallen mit dem Ausstieg aus der Kernenergie wichtige Beiträge zur Netzstabilität in Form von Blindleistung, Kurzschlussleistung und Regelenergie, wenn gleichzeitig keine neue konventionellen Kraftwerke gebaut oder sogar bestehende Kraftwerke aus Kostengründen stillgelegt werden.

Techniker vergleichen die Netzstabilität gelegentlich mit einer Zeltplane, in der Kraftwerke die Rolle der Stützen übernehmen, um die Plane zu spannen. Wenn aber die konventionellen Stützen wegfallen, darf das Zelt auch künftig nicht „durchhängen“. In Zukunft werden deshalb vermehrt auch regenerative Einspeiser einen Beitrag zur Systemsicherheit leisten müssen und wir sollten stärker über regionale Anreize zur Kraftwerksansiedelung nachdenken.

Keine Kirchturmpolitik

Ein Punkt, der mir sehr wichtig ist, ist die Abstimmung der zu erreichenden Ziele zwischen dem Bund und den einzelnen Bundesländern. Ein politischer Wettlauf darum, wer eine vermeintlich autarke Versorgung mit Strom aus Erneuerbaren Energien als Erster erreicht hat, wird am Ende nicht zum Erfolg der Energiewende führen. Mir erscheinen diese Bestrebungen im besten Falle sehr teuer zu sein. Kein Bundesland muss in Depression verfallen, weil es beim Stromimport auf Importe aus anderen Bundesländern angewiesen ist – auch nicht in Wahlkampfzeiten.

Gegenseitige Abhängigkeiten existieren in unzähligen anderen Sektoren und sind auch im Stromsektor schon seit langer Zeit die Regel. Auch ist die Energiewende kein gutes Anwendungsfeld für regionalpolitisch motivierte sektorale Industriepolitik. Es scheint geradezu absurd, innerhalb des Landes für einen Sektor einem Leitbild folgen zu wollen, das wir auf der internationalen Bühne stets als Wohlstand gefährdenden Protektionismus geißeln.

 

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