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< Die Reserven im Netz sind aufgebraucht
01.04.2015 09:24 Alter: 10 yrs

Die Energiewende findet im Verteilernetz statt

Die deutschen Verteilernetze bilden das Rückgrat der angestrebten Energiewende. Bereits heute ist eine Wind- und Photovoltaikleistung von ca. 55 GW – und damit ca. 90% der installierten Leistung aller Anlagen – an den heterogen aufgebauten Verteilernetzen angeschlossen. Diese Aussage trifft die Studie „Moderne Verteilernetze für Deutschland“ (Verteilernetzstudie) im Auftrag des BMWi vom 12. September 2014. Notwendig ist deshalb die Betrachtung des Transformationserfordernis vom klassischen Versorgungsansatz zum Smart Grid, unterstreicht Dr. Frank Otto, Geschäftsführer der DREWAG NETZ GmbH in seinem Beitrag.


Foto und Grafik: DREWAG NETZ GmbH

Die Umsetzung der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung, die u. a. den vollständigen Ausstieg aus der energetischen Nutzung der Kernenergie bis zum Jahr 2022 und die Umstellung von ca. 80 % der Erzeugung auf Erneuerbare Energien (EE) bis 2050 vorsieht, stellt die Energiewirtschaft vor neue Herausforderungen, insbesondere deshalb, weil die erreichte Versorgungssicherheit auch weiterhin gewährleistet bleiben soll. Mit 160,6 TWh lieferten EE in 2014 bereits mehr als ein Viertel der deutschen Bruttostromerzeugung.

Die Sicherheit im Stromversorgungssystem wurde bislang dadurch ermöglicht, dass der Ausgleich gut prognostizierbarer Lasten mit der Erzeugung einer überschaubaren Anzahl von Großerzeugern zzgl. der Ausgleichsmöglichkeit mit anderen Regionen durch den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) umgesetzt wurde. Der gesetzlich verankerte Vorrang der Einspeisung und Vergütung von EE bewirkt, dass konventionelle Erzeugungsanlagen nur noch wenige Stunden in Betrieb sind und daher kaum noch wirtschaftlich betrieben werden können.

Langfristig wird die umfassende Lösung aller System- und Versorgungsaufgaben allein von zentralen Großkraftwerken im Zusammenspiel mit den ÜNB nicht mehr möglich sein, da diesem Mechanismus die Basis entzogen wird. Die Erzeugung richtet sich immer weniger nach dem Bedarf sondern der Bedarf hat sich mehr der Erzeugung anzupassen. Be sonders betroffen sind die regionalen Verteilernetzbetreiber im Osten, denn 30 % der installierten EE-Einspeiseleistung befindet sich in den Verteilernetzen der Flächennetzbetreiber Ost.

Neue Rolle der Verteilernetzbetreiber

Sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist, sind Betreiber von Übertragungsnetzen berechtigt und verpflichtet, die Gefährdung oder Störung durch entsprechende Maßnahmen abzuwenden.

Die Regelungen für ÜNB gelten für Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen im Rahmen ihrer Verteilungsaufgaben entsprechend. Mit steigender An zahl der Akteure der Stromversorgung wachsen die Herausforderungen zu deren Netz integration. Der dezentral erzeugte Strom wird überwiegend nicht am gleichen Ort und zum gleichen Zeitpunkt verbraucht, wo er erzeugt wird und muss somit über die verschiedenen Netzebenen verteilt, gespeichert und in weiter entfernte Regionen transportiert werden. Das führt zu weiter steigenden Anforderungen an das elektrische System, um ein ständiges Gleichgewicht und die Stabilität im Energiesystem aufrecht zu erhalten2. Zu den zu erbringenden System dienstleistungen (SDL) gehören Frequenzhaltung, Spannungsreglung, Versorgungs wieder aufbau/Schwarz startfähigkeit und die Betriebsführung.

Regelleistungen für die Frequenzhaltung werden im Rahmen von regulierten Ausschreibungsverfahren durch die ÜNB vereinbart und eingesetzt. Die Bereitstellung erfolgt zunehmend durch Bündelung mehrerer Anlagen. Die EE-Anlagen sind jedoch zu einem großen Anteil abhängig von stark schwankenden Primärenergiequellen (Wind, Sonne) und vergrößern damit die bereits heute vorhandene Schwankungsbreite und -gradienten der fortlaufend auszugleichenden Energie3.

Die Spannungshaltung ist eine lokal wirksame SDL und ist deshalb auch regional einzusetzen. Die Verantwortung für die statische Spannungshaltung trägt daher jeder Netzbetreiber in seinem Netz. Mit dem Anstieg dezentraler Erzeugung und dem erforderlichen Netzausbau steigt auch der Blindleistungsbedarf in den Netzen.

Mit der Energiewende entwickelt sich das bisher sehr eindimensionale, hauptsächlich lastorientierte System der Betriebsführung zu einem komplexen System mit dezentral verteilten volatilen Lasten und Einspeisungen. Aus deren deutlich geänderten Betriebsweisen ergeben sich völlig neue Erfordernisse aber auch Möglichkeiten der aktiven Beeinflussung zur Sicherstellung eines stabilen Netzbetriebes. Dies gilt insbesondere beim Engpassmanagement nach §§ 13 und 14 EnWG teilweise in Verbindung mit §14 EEG (2014)4.

Die Verteilernetzbetreiber müssen u. a. Werkzeuge entwickeln, um eine Vielzahl von Messdaten einzusammeln, zu verwalten, auf dieser Basis Prog nosen für Netzzustände in allen Spannungs ebenen zu erstellen und um daraus Freigaben oder ggf. Restriktionen zur Netznutzung zu kommunizieren. Sie entwickeln sich zur Datendrehscheibe.

Smart Meter (intelligente Zähler und intelligente Messsysteme) sind da bei integraler Be standteil für die Zustandserfassung im Netz, die Netzzustandsprognose und Steuerung von angebotenen Flexibilitäten.

Für eine entflechtungs konforme Ausgestaltung dieser Interaktionen stellt das in der BDEW-Roadmap „Realisierung von Smart Grids in Deutschland“ 2013 erstmals vorgestellte Ampelkonzept einen praktikablen Ansatz dar.

 

Urbane Ballungsräume brauchen Infra struk turdienstleister

Mit der „smarten“ Nutzung der vorhandenen dezentralen Potenziale in Kombination mit Speichern (thermisch i. V. mit KWK und elektrisch) bzw. steuerbaren Lasten werden große Flexibilitätspotenziale bevorzugt in urbanen Ballungsräumen in der Verbindung von Stadt und Land verfügbar.

Somit erwachsen physikalisch verbundene und kommunikativ vernetzte, hochkomplexe Einheiten, bestehend aus Erzeugung/ Speicherung/Verbrauch. Deren Effizienz kann gesteigert werden, insbesondere in der Verbindung von Strom, Gas, Wärme bzw. Kälte. Hierbei können Stadtwerke, z.B. DREWAG mit bedeutender KWK-Erzeugung, unverzichtbare Infrastruktur bau steine in eine karbonfreie Zukunft zur Verfügung stellen.1


www.drewag.de

1BDEW; Stand 02/2015;210-Punkte-Programm der 110-kV-VNB und des ÜNB der Regelzone 50Hertz zur Weiterentwicklung der SDL 09.09.2014; 3dto.; 4dto.