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< Netzentgeltmodernisierungsgesetz kommt: Entlastung für Stromkunden?
17.07.2017 02:00 Alter: 7 yrs

Die Digitalisierung und der Smart-Meter-Rollout werden die Markt- und Anbieterstruktur nachhaltig verändern

Im Jahr 2015 wagten die Kooperationspartner First Utility Ltd., der größte unabhängige Energieversorger in Großbritannien, mit seinem langjährigen Partner Shell Energy Europe den Einstieg in den deutschen Endkundenmarkt.


Wir sprachen mit Maik Neubauer, Geschäftsführer der First Utility GmbH und verantwortlich für das Shell PrivatEnergie Angebot in Deutschland zu Veränderungen im Endkundenmarkt.

Foto: First Utility

Herr Neubauer, Sie haben Anfang April auf einer Energiekonferenz gesagt, dass der deutsche Endkundenmarkt ein schwieriges Umfeld ist. Können Sie das näher erläutern?

Ich habe bewusst auf aktuelle Hürden im deutschen Endkundenenergiemarkt hingewie­sen, die eine faire Wettbewerbssituation erheblich erschweren. 18 Jahre nach der Libe­ra­li­sierung des Endkundenmarktes wird insbesondere das Angebot auf dem deutschen Strommarkt von vielen Kunden als intransparent wahrgenommen.

Viele Verbraucher scheuen eher einen An­bieterwechsel als alternative Möglichkeiten aktiv zu nutzen und sich auf das vermeintliche ‚Abenteuer’ eines Anbieterwechsels einzulassen. 

Woran machen Sie dann Ihre Kritikpunkte fest?

Viele deutsche Endkunden denken beim Wechsel ihres Energieversorgers zuerst an einen Anbietervergleich auf den zwei marktbeherrschenden Wechselportalen. Beide Portale haben sicherlich einen positiven Erziehungs­anteil an einer heute jährlichen Wechselrate von 10 bis 12 Prozent in Deutschland geleistet. Sie generieren allerdings heute durch eine übermächtige Medienpräsenz bei vielen Kunden eine Erwartungshaltung bei jedem Anbieterwechsel Bonuszahlungen von mehreren hundert Euro zu erhalten.

Was dem Endverbraucher jedoch oft nicht klar wird ist, das Anbieter dieser Angebote die eigentlichen Energiepreise in ihren Lock-Ange­boten von Beginn an höher ansetzen oder aber spätestens im zweiten Vertragsjahr prozentual zweistellig anheben müssen. Nur so kann sich ein überhöhter Wechselbonus rentieren.

Das Ziel einer objektiven und transparenten Verbraucherinformation über die Wechsel­portale ist somit nur schwer herzuleiten. Die Vergleichsportale setzen zudem faktisch einen ‚Preisindex’ für den Onlinevertrieb von Energieprodukten und reduzieren somit den Anbieterwechsel im Internet fast ausschließlich auf einen reinen Preisvergleich.

Aber viele Endkunden suchen nach einem möglichst günstigen Energiepreis?

Verständlicherweise wollen Privat- und Ge­werbekunden eine nachgewiesene Ersparnis zu ihrem aktuellen Energieanbieter, sonst ist die Motivation für einen Wechsel sehr gering. Hier sollten Verbraucher allerdings bei einem vermeintlich niedrigen Preis besonders aufmerksam sein: Neben dem reinen Energiepreis sollten Entscheidungskriterien wie Transpa­renz des Angebots, Absicherung der Energie­preisentwicklung während der Vertrags­lauf­zeit, bereits enthaltene Netzentgelte und Umlagen, und die Servicequalität des Anbie­ters beachtet werden.

Wie kann diese Situation verbessert werden, mehr Aufsicht?

Der deutsche Endkundenenergiemarkt ist mit seinen mehreren hundert Anbietern sehr unübersichtlich und kann nicht täglich zentral überwacht werden. Auf der anderen Seite ist das Internet voll von Kundenfragen und Beschwerden, die die Schattenseite von Billig­angeboten widerspiegeln. Diese werden von vielen Endkunden vor dem Anbieter­wechsel aber oft nicht wahrgenommen und lassen im Nachhinein den Energie­anbie­terwechsel häufig zu einem zweifelhaften Erlebnis werden.Daher muss eine Aufsichts­funktion bei anhaltenden Kun­den­be­schwerden proaktiv handeln und die Leistungsfähigkeit von zweifelhaften Energie­anbietern aus finanzieller aber auch organisatorischer Sicht schneller überprüfen. Dies ist in den vergangenen Monaten im Rahmen einer Insolvenz eines Energie­versor­gers, der keiner sein wollte, zu spät geschehen. 

Die neue Initiative der Marktwächter Energie kann meines Erachtens diese Lücke füllen und Kunden- aber auch Marktbeschwerden proaktiv nachgehen und dann zusammen mit der Bundesnetzagentur an Problemfällen arbei­ten. Die deutsche Energiewirtschaft sollte den Aufbau der Marktwächter Energie aktiv unterstützen. Seriöse Anbieter sollten Transpa­renz und Qualität im Endkundenmarkt fördern, insbesondere auch im Hinblick auf die Umsetzung des Digitalisierungsgesetzes.

Erwarten Sie gravierende Auswirkungen durch die Digitalisierung, das heißt den bevorstehenden Smart-Meter-Rollout auf dem Endkundenenergiemarkt?

Definitiv. Auch wenn das Projekt der Digi­talisierung der Energielandschaft in Deutsch­land über viele Jahre angelegt ist, wird der Smart-Meter-Rollout die Markt- und Anbie­ter­struktur nachhaltig verändern.

Dieses Pro­jekt ist nach dem Atomausstieg und der daraus resultierenden Energiewende der nächste ‚Game Changer’ in der Branche. Auch wenn das Vorhaben mit erheblichen Mehr­kosten für die Anbieter verbunden ist, kann es als strategische Chance erkannt werden.

Das bedeutet?

Strom wird durch die Digitalisierung der Energieversorgung wieder ‚erlebbarer’. Die An­wendungsmöglichkeiten rund um das Thema intelligentes Energiemanagement wer­den bei den Kunden sowohl für ein steigendes Interesse an Energiepreisentwick­lungen als auch an kom­­­binierten Angeboten von Ener­gie, Tele­kom­mu­nikationsdiensten sowie ‚Smart-Ho­me- Lösungen’ sorgen. Die erste ‚Smart Home’ Welle wurde viel zu früh losgetreten und sie ist dem hohen Erwar­tungsdruck und Sparmaßnahmen im Rah­men des Atomausstiegs zum Opfer gefallen.

Es werden sich zudem ganz neue Anbieter­konstellationen bilden, die eine transparente Energieversorgung, Prosumer-Ansätze sowie E-Mobilität zu neuen Lösungen integrieren werden. Diese Lösungen werden zudem eine exzellente Möglichkeit sein, um Kunden zu gewinnen und langfristig im Rahmen eines umfassenden Lösungs- und Lifestyleangebots zu binden.

Werden sich auch die Kunden in ihrem Verhalten ändern?

Ja, denn im Zuge des Umbaus der deutschen Energieversorgung und der Digitalisierung werden sich ganz neue Kundenanforderungen an ‚ihren’ Energieanbieter entwickeln. Kun­den müssen ihrem Versorger beim Thema Datenschutz vertrauen können – vor allem beim Umgang mit verbrauchs- und personenbezogenen Daten, die nur dem individuellen Kunden zur Eigennutzung zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Der Begriff ‚Big Data’ bekommt in der Energiewirtschaft erstmals eine Bedeutung. Das Argument ‚Hauptsache billig’ beim Wechsel des Energieanbieters wird meines Erachtens in den nächsten Jahren an Be­deutung verlieren. Die Verbraucher werden durch neue Mehr­werte viel besser verstehen, das moderne und wirklich sichere Ener­gieversorgung auf Basis der hochkomplexen Strukturen Geld kostet und nicht nachhaltig auf Discount­niveau gefahren werden kann. In der Gesamt­ein­schätzung bleibt festzuhalten, wir werden deut­liche Veränderungen im Endkundenmarkt erleben und die Digitali­sierung und der Smart-Meter-Rollout werden die Markt- und Anbieterstruktur nachhaltig verändern.

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