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10.03.2014 11:37 Alter: 11 yrs

Die deutsche Energiewende - La Transition Energétique in Frankreich

Kontraste oder gegenseitige Lernansätze? Während Deutschland an seiner Energiewende arbeitet, plant Frankreich eine „Transition Énergétique“. Das System der Energiepolitik in Deutschland als auch in Frankreich kennen Cyril Roger-Lacan (Experte im Rahmen der Nationalen Debatte über die „Transition Énergétique“) und Christophe Hug, beide Geschäftsführer des Leipziger Dienstleistungsunternehmens Tilia Umwelt GmbH.


In Fortführung eines Gesprächs aus ThemenMagazin Energie 4/2013 stehen die  Dezentralisierung sowie die Chancen und Risiken der Förderpolitik Erneuerbarer  Energien im Mittelpunkt.

Herr Hug, worin sehen Sie Ansätze für die Gestaltung einer Energiewende in Frankreich?

In  Deutschland  verfügen  kommunale  Versorgungsunternehmen  über  ein  wesentliches  Potenzial  zur  Energieoptimierung:
Ressourcen, städtische Abfälle, Flächen, Kooperations partner,  Akzeptanz,  Kontakt  zu
Kunden  wie  Wohnungswirtschaft  und  Industrie,  öffentliche  Verkehrsmittel.  Diese
Grundlagen  ermöglichen  sinnvolle  lokale
Projekte.
In Frankreich ist dies schwieriger zu realisieren. Auf lokaler Ebene sind die unterschiedlichen  Kernbereiche  voneinander  getrennt
und deren Handlungsspielraum oft begrenzt.
Einen  traditionellen,  starken  Akteur  gibt  es
auf lokaler Ebene nicht.
Andererseits  hat  Frankreich  dagegen  große
Vorteile  für  die  Gestaltung  einer  Energiewende, wie:

  • Kostenvorteile im heutigen Energiemix,aber auch in den jetzigen Erzeugungskosten der Erneuerbaren Energien aufgrund der erreichten Kostensenkungen,
  • gewisse Vorteile durch größere Strukturen wie den Netzbetrieb,
  • ein großes Potential für Erneuerbare Energien – durchschnittlich 50 Prozent größer als in Deutschland,
  • ein größeres Potential für Energieeffizienz und
  • die Möglichkeit, alles präziser zu steuern, um die Versorgungssicherheit nicht aus den Augen zu verlieren.

Herr Roger­Lacan, worin sehen Sie die aktuelle Herausforderung?

Frankreich muss das zentrale System  teil weise dezentralisieren um damit große  Po tenziale durch sinnvolle verbrauchernahe  Erzeugung und Energieeffizienz zu schaffen,  ohne die bestehenden Vorteile zu zerstören.  Die „Transition Energétique“  sollte wie in  Deutschland im Kontext der „lokalen Wertschöpfung“ betrachtet und damit auf Ebene  der Regionen aufgebaut und umgesetzt  werden.  Wir müssen uns im ersten Schritt auf die  Lösungen konzentrieren, die unabhängig  von Förderungen sind und Externalitäten  berücksichtigen und damit den besten Wert  schaffen, um wirtschaftlich  vernünftige Wege einzugehen. Wir als Tilia  setzen dies bereits auf lokaler Ebene mit  unseren Partnern um.

Herr Hug, die Förderung Erneuerbarer Energien wird immer stärker in Frage gestellt. Können Sie sich dieser Meinung anschließen?

Förderung war und ist notwendig, um diesen Sektor auszubauen und die Technologie weiterzuentwickeln. Man sollte sie nicht einfach pauschal verdammen. Die Debatte sollte sinnvoll geführt werden, indem man sowohl die Förderung als auch Externalitäten einbezieht. Bei der deutschen Förderung der Erneuerbaren besteht in der Steuerung und notwendigen Adjustierung weiter Handlungsbedarf: Die Effizienz der Förderung in der Mengenallokation je Technologie, z. T. in Standortfragen wurde bisher kaum berücksichtigt. Weder Ertrag noch die Nähe zum Verbraucher und damit Verteilungsfragen spielten bisher bei der Bewertung der Höhe der Fördersätze eine Rolle. Auch die „wirtschaftliche Flucht“ aus dem System wird zum Problem, wie wir es derzeit bei der Netzfinanzierung sehen. Man sollte dies jetzt mit Grundpreisen bei den Netzentgelten versehen. Der Einspeisevorrang, vielleicht am Anfang notwendig, führt auf längere Sicht zu einer Situation voller Gegensätze. Jetzt muss ein integriertes technisches und wirtschaftliches Modell etabliert werden, wo sowohl die Verfügbarkeit und Regelbarkeit als auch die Volatilität bestimmter Erzeugungsarten Berücksichtigung findet.

Wie könnte Förderung effizienter erfolgen?

Über 50 Prozent der EEG-Vergütung fließt in Richtung Photovoltaik, diese liefert aber im Verhältnis zu anderen Energiequellen deutlich weniger Strom. Dies geht einher mit großen Herausforderungen im Hinblick auf Netzstabilität und signifikant geringeren Wirkungsgraden. Ein Vergleich durchschnittlicher Vollkosten der Erneuerbaren Energien pro produzierter Megawattstunde zeigt, Photovoltaik verursacht etwa fünffach höhere Kosten als Wind Onshore. Unser Unternehmen Tilia hat ein Modell entwickelt, das u. a. ermöglicht, eine heute beginnende Energiewende in anderen Ländern abzubilden. Ein Ansatz wären die gesunkenen Technologiekosten. Würde man heute beispielsweise ausschließlich mit Wind- Onshore-Anlagen dieselbe Arbeit erreichen wollen, würde die EEG-Umlage anstatt bei den heutigen über 6 Cent/kWh bei nur ca. 1 Cent/kWh liegen. Bei einer gezielten geographischen Steuer ung wären weitere Senkungen möglich.

Herr Roger­-Lacan, wie sehen Sie die Zukunft der Erneuerbaren in Frankreich?

Frankreich besitzt das höchste Potential Europas für Erneuerbare Ener gien. Überall übertrifft es seine Nach bar länder: Sei es Solarstrahlung, Wind, Bio masseproduktion oder Wasserkraft. Jedoch ist die bisherige rechtliche Komplexität groß, die Umsetzung konkreter Investitionen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden und der Wettbewerb für die Projekte sehr hoch. Die Folge ist eine entsprechend abschreckende Projektdauer mit durchschnittlich 7 bis 8 Jahren. Dies verstärkt die vorherrschende Marktkonzentration, denn nur die großen Akteure konnten sich in diesem Kontext bisher entwickeln. Auch hier kann der angestrebte Ausbau der Erneuerbaren Energien nur erfolgreich werden, wenn die Politik ganzheitlich überlegt und handelt – und das von Beginn an.

Welche Erfahrungen aus Deutschland sollten berücksichtigt werden?

Generell ist sicherzustellen, dass die Preisspirale nicht unaufhörlich nach oben eilt. Energie darf in zehn Jahren kein Luxusgut sein. Subventionen müssen kontrolliert und mit einem größeren Fokus auf bestmögliche Nutzung und marktwirtschaftliche Instru mente erfolgen. Finanzielle Mittel sind gezielt zu lenken, je nach lokalem Potential und Bedarf, nach Effizienzgraden, nach Kontinuität, Steuerbarkeit, Kapazität sowie Verfügbarkeit. Zwischen den einzelnen Erneuerbaren Energieträgern, diese sind ja Bestandteil des Gesamtsystems, ist eine Balance zu finden. Mittel- bis langfristiges Ziel muss die Marktfähigkeit der eingesetzten Tech no lo gien sein. Auch sind die Förderungen zu deckeln. Wenn diese Erfahrungen in die Ener giepolitik in Frankreich mit einfließen, wird die Kostenfrage in der politischen Debatte eine geringere Rolle spielen. Abschließend möchte ich noch einmal sagen, dass eine Überführung der deutschen Energiepolitik nach Frankreich weder möglich noch sinnvoll wäre. Es wird in jedem Fall eine Energiewende „à la française“ sein. Wir blicken gespannt auf die künftige deutsch-französische Koopera tion, die sicher für die Energie wirtschaften beider Länder vorteilhaft ist.

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