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08.02.2024 14:59 Alter: 84 days

Die COP28: Nicht mehr Kirchentag, sondern Klimatechnik-Messe

„Der Kern des Erfolgs der COP28 liegt darin, dass die Wirtschaft mit ihrer ganzen Innovationskraft die Konferenz geprägt hat!”


Dr. Friedbert Pflüger, Geschäftsführer, Clean Energy Forum Foto: Pflüger

Die COP28 war eine überaus erfolgreiche Klimakonferenz. Aber nicht die in den Medien so umfangreich dargestellten Debatten der Politiker sind dafür entscheidend gewesen. Vielmehr zeigt sich heute die Wirtschaft als wahrer Treiber im Kampf gegen Klimawandel. Für THEMEN!magazin schildert Dr. Friedbert Pflüger, er ist Geschäftsführer der Denkfabrik Clean Energy Forum (CEF) und Founding Partner von Strategic Minds Company seine persönlichen Eindrücke von COP28.

Der Kern des Erfolgs der COP28 liegt darin, dass die Wirtschaft mit ihrer ganzen Innovationskraft die Konferenz geprägt hat! Es wurden zahlreiche Vereinbarungen über konkrete industrielle Klimaprojekte getroffen. Das Herzstück der COP sind nicht mehr Politiker, Klimaaktivisten oder NGOs, sondern die Energiewirtschaft mit ihren Transformationsprojekten.

Klimaschutz aus Schatten der Deklamation getreten

Es sind gute Nachrichten für den Klimaschutz: er besteht jetzt nicht mehr in erster Linie aus der Deklamation immer ehrgeizigerer Ziele, sondern manifestiert sich in Vereinbarungen von konkreten Maßnahmen. Gesinnungsethik ist von Verantwortungsethik abgelöst worden. Die COP ist somit vom Kirchentag zu einer Art Messe der Klimatechnik mutiert. Da unterzeichnet der CEO Middle East von Siemens Energy, Dietmar Siersdörfer, einen Vertrag mit italienischen und ägyptischen Firmen über die Errichtung eines grünen Strom-Korridors zwischen dem afrikanischen Kontinent und Europa: drei Gigawatt in Ägypten erzeugter Solarstrom wird über ein fast 3000 km langes Stromkabel nach Italien übertragen, wo es immerhin 5 % des Spitzen-Strombedarfs deckt. Die vor eineinhalb Jahrzehnten propagierte und bis dato nie realisierte Idee von Desertec wird wahr! Die österreichische OMV unterzeichnet eine Heads of Terms (HoT)- Vereinbarung mit Masdar (Abu Dhabi) über die Entwicklung einer Zusammenarbeit im Bereich grüner Wasserstoff. Geplant ist eine gemeinsame Gigafabrik für Elektrolyseure, die Produktion von Wasserstoff und die Dekarbonisierung von Raffinerien der OMV. Masdar ist heute eines der am schnellsten wachsenden Unternehmen der Welt im Bereich sauberer Energien. Ich habe den Stand von Masdar besucht: eine Delegation nach der anderen kam vorbei, wurde freundlich empfangen und informiert – genauso wie wir es von unseren Industriemessen kennen. Auch RWE schließt auf der COP ein Abkommen mit Masdar: beide Unternehmen werden zusammen den drei Gigawatt Offshore-Windpark Dogger Bank South in Großbritannien bauen, der ab 2030 online gehen soll.

Ein Fenster geht auf

Es ist ein Paukenschlag, als 22 Länder – darunter aus Europa Frankreich, Großbritannien, Finnland, Schweden, die Niederlande und Polen – eine Verdreifachung der Energieerzeugung aus Kernkraft bis 2050 verkünden. Auch im Namen Kanadas und Japans erklärt der US-Klimabeauftragte John Kerry in Dubai, dass es ohne diese Anstrengung nicht möglich sein werde, die Klimaziele von Paris zu erreichen. In den Augen der meisten Staaten gehört Kernkraft inzwischen längst zu den „sauberen Energien“. Die vielleicht langfristig wichtigste Vereinbarung wurde bereits im unmittelbaren Vorfeld der COP zwischen den USA und China geschlossen. Beide Länder, sonst in vielen Fragen eher Rivalen, erklärten in Dubai dafür zu werben, den Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und eine internationale Konferenz zur Minderung der Methan-Emissionen zu vereinbaren. Weiter vereinbarten sie fünf gemeinsame Großprojekte im Bereich Carbon Capture Storage (CCS), also der Abscheidung und Lagerung von CO2 .

Foto: Pflüger

164. Energiegespräch am Reichstag vor der COP28 mit UAE Botschafter Ahmed Allatar und Katherina Reiche, Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG

Wirtschaft redet nicht, sondern handelt

Man könnte diese Aufzählung beliebig fortführen. Vieles davon bekommen die nächtelang in Verhandlungen eingeschlossenen Politiker gar nicht mit, denn das Wichtige findet oft gar nicht auf dem COP-Gelände selbst statt, sondern in Konferenzsälen oder Hotels in Dubai-City. So begrüßt Yvonne Ruf, Senior Partner der Strategieberatung Roland Berger, wichtige Energieführer zu vertieften Gesprächen: Mark Hutchinson, den CEO von Fortesque aus Australien, den Wasserstoff-Chef von Uniper, Axel Wietfeld, Vertreter von Airbus, MAN, SEFE, Rolls Royce, Masdar, den saudischen Energieriesen Neom und Acwa usw. Das Thema Nr. 1 an diesem Abend – wie übrigens auf der ganzen COP: grüner Wasserstoff. Roland Berger erwartet dafür nach einem gemäßigten Aufschwung in den nächsten fünf Jahren dann die volle Entfesselung: Roaring Thirties. Inzwischen weiß fast jedes Energieunternehmen, dass die Welt vor einer nie dagewesenen Energie- und Wirtschaftstransformation steht. Jeder will dabei sein, ja sogar an der Spitze marschieren. Wo könnte man die Ernsthaftigkeit dieser Vorhaben besser demonstrieren als auf einer COP! Fast gehört es in inzwischen zum guten Ton, mindestens einen Letter of Intent auf der COP zu unterzeichnen.

Klimabewegung-Quo Vadis?

Dies müsste die Klimaaktivisten eigentlich zutiefst erfreuen, denn sie haben mit ihrem Engagement ja diese erfreuliche Entwicklung mit ermöglicht. Sie haben die öffentliche Meinung überzeugt, dass die Erderwärmung bekämpft werden muss. Statt diesen Erfolg stolz für sich zu reklamieren, fühlt sich die Klimabewegung an den Rand gedrängt. Man will die Feindbilder erhalten, man braucht sie, weil man ohne sie irrelevant werden könnte. So beschimpften Vertreter grüner NGOs den COP-Präsidenten, Sheikh Al-Jaber. So einer wie er, Chef von ADNOC, einem der größten Gas- und Ölkonzerne der Welt, dürfe doch nicht der COP vorstehen! Er müsse das Feld räumen. Aber Al-Jaber hat Masdar, den Vorreiter von Klimaprojekten weltweit, gegründet, er hat dafür gesorgt, dass der seit langem geforderte Klimakatastrophen-Fonds endlich zustande kommt (die UAE und Deutschland erklärten sich gleich zu Beginn der Konferenz bereit, je 100 Millionen Dollar einzuzahlen). Und Al-Jaber arbeitet an der Dekarbonisierung seines eigenen Unternehmens. Was soll er noch machen? ADNOC einfach schließen? Die COP ist der Weltklimagipfel der Vereinten Nationen und da ist es das Natürlichste von der Welt, dass es unterschiedliche Meinungen und Interessen gibt. Darüber muss man reden, sie zum Ausgleich bringen – aber nicht diejenigen, die anderer Meinung sind, ausschließen. Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist unausweichlich, aber es braucht dazu konkrete Transformationspfade – und die kann man nur gemeinsam mit der Weltgemeinschaft und nur mit, nicht gegen die Wirtschaft erfolgreich beschreiten. Der COP-Präsident hätte alles Recht gehabt, sich deutlich gegen beleidigende Zumutungen einiger führender Aktivisten zur Wehr zu setzen. Aber er hat das Richtige getan: sich mit Gelassenheit auf die eigentliche Aufgabe des COP-Präsidenten zu konzentrieren, nämlich zwischen den Industrieländern und dem Global South einen Kompromiss zu verhandeln. Und ein Papier für die Schlussverhandlungen vorzulegen, auf dessen Beschlusstext sich die Vertragsparteien am Ende noch einigen konnten. Und dennoch: es bleibt eine Absichtserklärung. Entscheidend ist, was konkret in den nächsten Jahren an Klimaprojekten umgesetzt wird. Und da kann man getrost vermelden: da geschieht gerade viel, sehr viel. Könnte das für die Klimarettung am Ende wichtiger sein als noch so ehrgeizige Willensbekundungen von Politikern über langfristige Ziele?

www.clean-energy-forum.org