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Die Botschaft hören wir wohl, allein uns fehlt der Glaube
NachhaltigkeitsDer politische Wille zu mehr Klimaschutz und Innovation wird oft mit Zielbildern versehen, deren Umsetzung jedoch die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen verlangt. Dies betrifft nicht zuletzt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine weitere Dekarbonisierung unserer Gesellschaft.
Die Klimaziele bis 2030 sind erreichbar. Vorausgesetzt der politische Wille wird auch zur Maxime für konkretes politisches Handeln. Dieser Wille zu mehr Klimaschutz und mehr Innovation wird gerne mit großer Verve vorgetragen und mit ehrgeizigen Zielbildern versehen. Häufig fehlt aber der politische Mut und die gesetzliche Umsetzung, um diese Ziele auch erreichen zu können. Wenn aber Zweifel an der Umsetzung der formulierten Klimaziele aufkommen, fällt es Unternehmen schwer, zu investieren.
Woher soll ohne Vertrauen in die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen und deren Durchsetzbarkeit die wirtschaftliche Dynamik kommen, um den Klimaschutz und auch die Modernisierung unserer Wirtschaft nachhaltig umzusetzen?
Die Energiewirtschaft hat bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Energiewende voranzutreiben. Allerdings sind die Rahmenbedingungen für eine konsequente Dekarbonisierung nach wie vor nicht im Einklang mit den Zielen an Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit.
Zu einem klaren und nachvollziehbaren Kohleausstiegsplan gehört ein Marktrahmen, der Investitionen in flexible gesicherte Leistung wirtschaftlich planbar macht. Flexibilität ist die neue Währung in der Energiewirtschaft. Um die Versorgungssicherheit unter Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 zu gewährleisten, muss der energiewirtschaftliche Rahmen, der das Zusammenspiel von erneuerbaren Energien, hochflexibler gesicherter Leistung und flexibilisierter Nachfrage regelt, spätestens in der nächsten Legislaturperiode vorliegen.
Ausbau der erneuerbaren Energien
Für das Erreichen der Klimaschutzziele stellen sich zentrale Herausforderungen: Der Ausbau der Windenergie an Land ist unumgänglich, um das im Koalitionsvertrag fixierte Ziel von 65 % erneuerbare Energien zu erreichen und den Einstieg in die CO2-freie Sektorkopplung voranzutreiben.
Allein technologieneutrale Ausschreibungen, wie sie im Energiesammelgesetz forciert werden, führen nur zu einem shift von Windenergie: zu PV-Anlagen. Theoretisch sind so zwar Kosten- und Akzeptanzfragen scheinbar mit einem Schlag gelöst. Faktisch sind aber für PV die Systemintegrationskosten deutlich höher als für Windenergie. Diese Systemintegrationskosten spiegeln sich nicht im derzeitigen Ausschreibungsdesign wider. Hier besteht (erneut) dringender Reformbedarf im EEG.
Die zweite Herausforderung ist die künftige Finanzierung des EE-Ausbaus. Mit den deutlich gesunkenen Zuschlagswerten rückt die Schwelle immer näher, ab der sich EE-Anlagen frei am Markt behaupten können. Da auf der Stromnachfrageseite zudem Nachhaltigkeitsaspekte wichtiger werden, sind PPAs (Power Purchase Agreements) der nächste mögliche und sinnvolle Schritt. Dieser wird heute durch die alte „alles oder nichts“-Logik des EEG erschwert. Sinnvoll wäre ein Ausschreibungsdesign, das PPAs als ergänzende Förderung zum EEG zulässt. Dies kann die erneuerbaren Energien mittelfristig vollständig in den Markt integrieren und gleichzeitig die EEG-Umlage entlasten.
Sektorkopplung braucht ein neues Abgabensystem
Wenn die Sektorkopplung zu einem zentralen Instrument der Dekarbonisierung werden soll, wird eine grundlegende Neuordnung der Steuern, Abgaben und Umlagen auf Energie nötig. Die Reform des Steuer-, Abgaben- und Umlagesystems muss darauf abzielen, CO2 auch im Verkehrs- und Wärmesektor sowie in der Landwirtschaft zu bepreisen. Nur so wird ein Level Playing Field geschaffen, das eine effiziente marktwirtschaftliche Organisation der Sektorkopplung erlaubt.
Absurdistan von Energy-Only-Markt bis Smart Metering
Stattdessen erlebt die Energiewirtschaft immer wieder politische Paradoxe. Da wird auf die Kraft des Marktes – Stichwort Energy- Only-Markt – gesetzt, und gleichzeitig marktferne Sicherheits- und Netzreserven eingeführt. Da wird eine „Demokratisierung der Energiewende“ gefordert, aber ein unattraktiver Rahmen für Mieterstrommodelle gesetzt, der durch das Energiesammelgesetz noch weiter verschlechtert wurde. Die Kürzungen bei der EEG-Einspeisevergütung haben den Mieterstromzuschlag um mehr als 50 % gekappt. Mit dieser Anpassung sind Mieterstrommodelle für Anbieter und Nutzer uninteressant.
Eine ähnliche Ausbremsung erfahren die Geschäftsmodelle rund um das Thema Smart Metering. Zur Einführung intelligenter Messsysteme wurde zwar ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende aufgesetzt, allerdings vergingen von der Veröffentlichung des Eckpunktepapiers im Februar 2015 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im September 2016 anderthalb Jahre. Bis heute steht die Zertifizierung der nötigen Gateways durch das BSI aus. Die Branche wartet nun seit über 51 Monaten auf den Startschuss. In diesen vier Jahren hat sich die Welt weitergedreht. Am Ende werden wir zertifizierte Geräte haben, die technisch bereits wieder überholt sind. Auch wenn ein angemessener Sicherheitsanspruch an die Digitalisierung der Energiewende und intelligente Messsysteme gestellt werden muss, so fehlt uns doch das Verständnis für die Umsetzungszeiträume.
Dies alles wird auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen. Denn sie stehen in den Startlöchern und finanzieren Leistungen, technische Weiterentwicklung und Mitarbeiter- Know-how vor. Allerdings müssen Unternehmen feststellen, dass nur kleine gesetzliche Änderungen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle von heute auf morgen letztlich ad absurdum führen.
Die Energiewirtschaft und besonders Stadtwerke zeigen jeden Tag ihre Bereitschaft, die Energiewende durch Investitionen voranzutreiben. Doch gute Ideen brauchen Freiräume und einen gesetzlichen Rahmen, der Bewegungsspielräume für wettbewerbliche Ideen zulässt und nicht Digitalisierung nach DINNorm umsetzen will. Das Trauerspiel rund um Smart Metering darf nicht der Standard für die Weiterentwicklung einer ernstgemeinten und weit über den Messstellenbetrieb hinaus gedachten Energiewende werden.
Die 2030-Ziele sind erreichbar
Um die Energiewende schneller voranzubringen, brauchen wir ein neues Energiekonzept, das konkrete Wege aufzeigt. Wir werden es uns nicht leisten können, die 2030er Ziele erneut beiseite zu räumen wie die 2020-Ziele. Der Unterschied liegt nicht zuletzt darin, dass die Nicht-Erreichung des 2030-Ziels aus Brüssel mit 30 bis 60 Mrd. Euro sanktionsbewehrt ist. Technisch und wirtschaftlich sind die Klimaschutzziele 2030 erreichbar, allein es fehlt der verlässliche Rahmen.
Für Anmerkungen an den Autor: www.trianel.com