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Der Schalter muss umgelegt werden
Mit dem zunehmenden Beitrag volatil eingespeister Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energieträgern steigt die Herausforderung an deren Integration in das Energiesystem. Im Trend liegt eine zunehmend vernetzte dezentrale Energiewelt. Deren Leitbild wird zunehmend die Flexibilisierung als Ausdruck eines Transformationsprozesses. Diese Kernaussage unterstrich Dr. Norbert Schwieters, Global Energy Leader bei PricewaterhouseCoopers AG WPG auf der 22. Handelsblatt-Jahrestagung Energiewirtschaft. In einem Gastbeitrag zeigt Dr. Schwieters auf, das Thema Flexibilisierung wird die Energiewirtschaft künftig dominieren.
Die Energiewirtschaft transformiert. Nicht nur in Deutschland und Europa, wir sehen diese Entwicklung überall in der Welt. Megatrends führen zu einem Paradigmenwechsel in der Energiepolitik. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, doch die Frage ist, an welchem Leitbild sollten sie sich orientieren? Allerdings steht die Energiewirtschaft erst am Anfang des Transformationsprozesses. Doch ist es an der Zeit, deutlich zu machen, dass die Ursachen der Transformation säkular sind und nicht nur einer deutschen Politikidee entspringen. Wir können zunehmend verfolgen, dass ein neues Paradigma in die Energiewirtschaft Einzug hält und was das im Einzelnen für Implikationen hat.
Globale Megatrends verlangen ein neues Ordnungssystem
Eine gute Nachricht sei vorausgeschickt: Energie wird als Grundlage unseres physischen Lebens auf dieser Welt immer eine fundamentale Rolle spielen, aber es gibt zwei weitere Säulen, die zu beachten sind: Information oder (mit anderen Worten: Intelligenz) und Design, d. h. Ordnung, die der Mensch setzt.
Globale Megatrends – Demographie und sozialer Wandel, die Verschiebung der globalen Machtverhältnisse von West nach Ost, die rapide Verstädterung, Klimawandel und Ressourcenknappheit und insbesondere der Technologische Wandelverschieben das Verhältnis von Energie (sprich: Industriegesellschaft) und Information (sprich: Informationsgesellschaft) und verlangen nach einem neuen Ordnungssystem, dass die Balance herstellt. Die zentralen Fragen, die unsere Zeit bewegen, um eine nachhaltige Welt zu schaffen, beruhen im Kern darauf, wie wir das Verhältnis von Energie und Informationen organisieren, d. h. ein Ordnungssystem für das Informationszeitalter schaffen. Die Energie wirt schaft ist davon voll betroffen. Fragen wie das Internet der Dinge, Electric Vehicles und fahrerlose Transportsysteme, Energieeffizienz in allen Produkten des täglichen Lebens, Sharing Economy und viele andere Themen, betreffen die Energiewirtschaft direkt.
Energy Transformation und Energiewende - Outlook
PwC hat deshalb die Energy Transformation als weltweites Projekt aufgesetzt und beschäftigt sich mit der Frage, welche strategischen Implikationen die Entwicklungen in der Energiewelt für Unternehmen und Institutionen haben, welche Marktmodelle künftig vorherrschen werden. Grundlegende Überlegungen dazu haben wir in unserer Ausarbeitung “The road ahead: Gaining momentum from energy transformation” entwickelt. Denn nichts zeigt die Radikalität der Veränderungen in der Industrie so stark wie der Big Bang, den E.ON mit der Annonce der Aufspaltung des Unternehmens in die Welt gesetzt hat. Sinnbildlich steht diese Aufspaltung für die Trennung von “alter”, kapazitätsorientier ter, und “neuer”, netzwerkorientierter Utility-Welt.
Erneuter Paradigmenwechsel
War es vor 17 Jahren die Liberalisierung, die für viele Marktteilnehmer große Fragen aufwarf, so ist es heute die Notwendigkeit des Umgangs mit den Anforderungen der neuen Energiewelt, die die Energiewirtschaft vor schwierige Fragen stellt. Die traditionelle Ener giewelt war bestimmt durch die Zur verfügungstellung von ausreichender gesicherter Kapazität mit unilateralem Infor ma tions fluss von der Nachfrage- zur Angebots seite, so dass sich die Erzeugung der Nach frage anpasst.
Dieses Modell wird nun abgelöst durch ein System mit dezentraler, volatiler Erzeugung, die Teil eines Netzwerks mit vielen Parametern und Stellhebeln ist, um das wechselnde Angebot laufend, in real time mit der wechselnden Nachfrage abzustimmen.
n dem neuen Marktmodell stehen die verschiedenen Ele mente in ständig wechselnder Relation, je nachdem welches Angebot, welche Nach frage und welche Preis signale auf das System wirken. Insofern ist der Informationsfluss mehrdimensional, er erfolgt netzwerkartig ebenfalls in real time und stellt durch den flexiblen Einzug aller Systemelemente den Aus gleich zwischen Angebot und Nach frage fortlaufend sicher.
Flexibilisierung als neues Leitbild
Die Flexibilisierung des Systems ist das neue Leitbild der vernetzten, dezentralen Energie welt. Hierbei steht sie im Einklang mit den Zielen des Energiepolitischen Dreiecks:
• Versorgungssicherheit wird durch den Systemausgleich über Marktpreissignale und Informationsverarbeitung erreicht – dies führt zur Digitalisierung der Energiewirtschaft;
• Klimaschutz wird durch den CO 2 - armen Energiemix erreicht – anders als Kapazitätsorientierung steht Flexibilisierung auch in nahtlosem Einklang mit dem Ziel der Energieeffizienz;
• Erschwinglichkeit wird ermöglicht durch den Preis- und Innovationswettbewerb auf den Märkten für Flexibilität.
Die Flexibilisierung des Energiesystems fördert die Marktintegration Erneuerbarer Energien, da sie auf die laufende Abstimmung des Systems von Angebot und Nachfrage in einer Welt dezentraler, volatiler Energie erzeugung abzielt. Schließlich schafft Flexi bilisierung zwangsläufig neue Geschäfts modelle „vor und hinter dem Zähler“ durch die neuartige Verknüpfung von Energie wirtschaft und Informationstechnologie. Hierzu gibt es bereits viele Ansätze. Sicher, viele davon stecken noch in den Kinder schuhen, so dass es derzeit nicht möglich ist, Kapazität durch Flexi bili sierung zu ersetzen. Politik, Regulation und Unternehmen sollten sich aber darauf einstellen, dass der Zug in diese Richtung fährt und Kapazität nur für den Übergang eine Lösung sein kann.
Was ist mit der Kapazitätslücke ab 2023?
Das Thema Flexibilisierung führt zu der Frage: Was ist mit der Kapazitätslücke? Unseres Erachtens kommt die Kapazitätslücke aufgrund von planmäßigen Abschaltungen und fehlenden Investitionen ab 2023 zustande (siehe: PwC Energiewende–Outlook). Es besteht also Handlungsbedarf.
Betrachtet man die Vorschläge, die zum Strommarktdesign vorgelegt wurden, unter den Gesichtspunkten Legitimation, Effektivität und Transparenz, so erscheinen mir Lösungen vorziehenswert, die weniger komplex sind und nicht den großen Wurf anstreben, sondern auf Erfahrungen auf bauen und Revi sio nen zulassen. Gleich zeitig sollten die Maß nahmen Flexibilitäten stärken und den Weg in die Flexibilisierung ebnen.
Erzeugungskapazität ist eine Übergangslösung auf Zeit. Sollte ein Kapzitätsmarkt für notwendig erachtet werden, sollte man ihn so einfach wie möglich gestalten. Die Erfahrungen mit dem Kapazitätsmarkt in UK lehren auch, dass die erzielten Preise eher niedrig sind.
Die Folgerung für die Energiepolitik sollte darin gesehen werden, alle Instrumente der Energiepolitik von der Kapazitätsorientierung auf Flexibilitätsorientierung umzustellen. Das betrifft z. B. die EEG-Umlage und hier insbesondere die Entgeltsystematik, indem Ausstiegsanreize gemindert werden. Für die Energieeffizienz-Infrastruktur ist es erforderlich, einen regulatorischen Rahmen zu schaffen. Ebenso sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der Verteilnetze anzureizen, insbesondere im Hinblick auf das Thema Digitalisierung und intelligente Steuerung über die Netzgebiete hinweg.
Da Flexibilisierung letztlich Digitalisierung bedingt, sind die Konsumenten und Daten in den Fokus zu nehmen. Regeln für den Zugang und die Nutzung von Daten sowie die Datensicherheit sind in diesen Prozess eingeschlossen. Die Regelungen sollten auf Best- Practice Erfahrungen in der EU basieren, in - soweit EU-weit analysiert und zwecks Vereinheitlichung empfohlen werden.
Wie gehen Unternehmen mit Transformation um?
Wenn Flexibilisierung ein neues Leitbild im Rahmen des Transformationsprozesses wird, müssen sich die Unternehmen darauf vorbereiten. Dies schließt die Analyse bisheriger Entwicklung ebenso ein wie das Aufsetzen strategischer Linien.
Am Anfang sollten u. a. Fragen stehen wie: Beeinflussen Megatrends meinen Sektor? In welchem Ausmaß wird der Sektor verändert? In welchen Ländern? Wie schnell?
Dabei sind die Auswirkungen auf die wesentlichen wertbestimmenden Faktoren für das unternehmerische Handeln zu betrachten: die Kunden, das Produktions- und Servicemodell, das Vertriebsmodell, den Wettbewerb und (insbesondere in regulierten Branchen) Politik und Regulierung.
Daran schließt sich die Frage an: Wie sieht die Zukunft in meinem Sektor aus? Was sind mögliche Szenarien? Hierbei ist das Zusammen spiel der Transformations entwick lungen im Energiesektor, der Informations technologie und im Ordnungssystem explizit zu würdigen.
Auf einer weiteren Stufe ist die Unternehmensstrategie abzuleiten: Was sind Implikationen für das Unternehmen? Das ist die CEO – Agenda: Die Frage nach dem Unternehmens zweck und dem Geschäftsmodell, den Folge rungen für die Unternehmensprozesse, das Führungs- und Mitarbeitermodell und die Finanzielle Leistungsfähigkeit.
Für Utilities ist klar: Von der “License to operate” bis hin zur finanziellen Leistungsfähigkeit stehen alle die Elemente der Unternehmensstrategie auf dem Prüfstand und können nicht bleiben wie bisher.
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