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Denkfabrik mit Sachkenntnis und Pragmatismus
„Energiewende braucht die Akzeptanz der Bevölkerung und die Erhaltung der Innovationsstärke und Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“.
Die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft kann nur gelingen, wenn sie von allen gesellschaftlichen Kräften getragen wird. Hier will der Verein KEMB-Forum als überparteiliche und technologieoffene Plattform Impulse geben, damit diese nationale Kraftanstrengung gelingt. Thilo Boss, Mitinitiator und Geschäftsführer des KEMB-Forums, im Gespräch mit THEMEN|:magazin über die Struktur und Ziele der Denkfabrik.
Herr Boss, was kann KEMB-Forum leisten, was andere nicht schon längst umsetzen?
Das KEMB-Forum ist eine Plattform, auf der um Lösungen gerungen wird – überparteilich, pragmatisch, technologieoffen und mit einem marktwirtschaftlichen Ansatz. Wir wollen dabei helfen, die Energiewende in Deutschland frei von ideologischen Denkmustern und Fesseln schnell, erfolgreich und bezahlbar umzusetzen. KEMB arbeitet sektorübergreifend, interdisziplinär und hat stets den Blick auf weltweite Entwicklungen, um technologische Trends zu identifizieren und die ökonomischen Perspektiven der deutschen Wirtschaft in die Meinungsbildung einfließen zu lassen.
Das würden andere Foren auch von sich behaupten...
Die Realität sieht doch so aus, dass wir in vielen Bereichen in Deutschland nicht mehr technologieoffen und ohne ideologische Schranken um den besten Weg ringen, welcher den Technologie- und Wirtschaftsstandort Deutschland zur Klimaneutralität führt. Wir setzen oft politisch getrieben ohne Rücksicht auf Fehlallokationen einseitig auf Technologien und verspielen damit auch
Chancen, um international mit bereits vorhandenem Knowhow der deutschen Wirtschaft den Klimawandel global effizienter zu bekämpfen.
Wenn wir als führende Industrienation und Wirtschaftsmotor der Europäischen Union im Wettstreit mit Übersee und Fernost erfolgreich bleiben wollen, dürfen wir nicht deutsche Sonderwege einschlagen und aus Technologien aussteigen, die weltweit weiterentwickelt und genutzt werden. Deshalb brauchen wir interdisziplinäre und vor allem ergebnisoffene Diskussionen ohne Denkverbote. Das ist der Markenkern des KEMB-Forums.
Spielen Sie etwa auf den Kernkraftausstieg an?
Brüssel hat Kernenergie und Gas Anfang des Jahres in die EU-Taxonomie aufgenommen, die Energieträger als klimafreundlich einstuft. Deutschland hat dagegen den Atomausstieg vollzogen. Das heißt aber nicht, dass das hierzulande für immer festgeschrieben sein muss. Technologien entwickeln sich weiter, Anforderungen bei der Bekämpfung der Erderwärmung ändern sich. Das erfordert eine kontinuierliche Neubestimmung der eigenen Positionen. In unseren Reihen haben wir Atomkraftbefürworter und Atomkraftgegner. Das garantiert, dass Chancen und Risiken permanent abgewogen werden.
Haben Sie noch andere Beispiele parat?
Ein gutes Beispiel ist die E-Mobilität. Sie kann eine Lösung sein, die Luft in den Städten sauberer zu machen und den Verkehrssektor klimaneutraler zu gestalten. Zur Einordnung der Zukunftsfähigkeit dieser Technologie gehört aber eine ehrliche Klimabilanz. Von der Rohstoffgewinnung bis zur Produktion und Entsorgung. Es muss weiter über den CO2 -Rucksack sowie ökologische oder soziale Auswirkungen gesprochen werden – etwa durch den Abbau von Kobalt und Lithium in Entwicklungsländern. Und wir müssen über Marktchancen von alternativen Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren in Konkurrenz zur E-Mobilität diskutieren. Für solche ehrlichen Analysen steht das KEMB-Forum.
Setzt KEMB auf Technologien, die politisch nicht opportun sind?
Überhaupt nicht! Wir ringen um das Für und Wider, darum, den besten Weg zu finden. Wir verfolgen einen pragmatischen Ansatz. Die Zeit läuft uns im Kampf gegen die Erderwärmung davon. Wir brauchen schnelle Lösungen in allen Sektoren. Bei der Stromerzeugung etwa durch erneuerbare Energien, bei der Gebäudesanierung oder in der Energieeffizienz. Warum führt Deutschland denn nicht verpflichtend E-15-Kraftstoffe mit einem Anteil aus nachwachsenden Rohstoffen ein? Damit würden wir schnell einen signifikanten Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen erreichen. Warum werden Stillstandsprämien für abgeschaltete Windkraftanlagen gezahlt, statt mit den überschüssigen Energien in Power-to-Gas-Anlagen grünen Wasserstoff zu produzieren, um schon jetzt Skaleneffekte zu heben? Solche Alternativen müssen doch diskutiert werden.
Die Kluft zwischen der deutlich im positiven Bereich liegenden persönlichen Lage und der merklich im negativen Bereich liegenden Einschätzung der Lage Deutschlands vergrößert sich weiter: Während der Gesamtindex zur Lage Deutschlands von -16,9 auf -19,5 Punkte weiter gesunken ist, stieg die Einschätzung der eigenen Lage von +11,4 auf +12,9 Punkte an Infolgedessen ist der Gesamtindex von -2,8 leicht auf -3,3 gesunken.
KEMB versteht sich auch als Denkfabrik?
Seit der Katastrophe von Fukushima pumpt Deutschland jährlich zig Milliarden an Euros – so viel wie kein anderes Land in der Europäischen Union - in die Transformation des Energiesystems und verfehlt trotzdem mit aller Regelmäßigkeit selbst gesteckte Ziele, so wie jetzt auch der Expertenrat für Klimafragen für 2030 wieder prognostiziert hat. Deutschland hat laut dem Vergleichsportal Verivox, Stand Juni 2023, die höchsten Strompreise der Welt und seine Vorreiterrolle in der Solarindustrie an Fernost weitergerecht. Und auch in der Wasserstofftechnologie, in der wir vor Jahren noch führend waren, schauen wir hinterher. Ich könnte die Aufzählung fortsetzen. Das hat alles Gründe, die wir aufarbeiten und abstellen müssen. Eine ehrliche, unvoreingenommene realistische Bestandsaufnahme ist die Grundlage für Empfehlungen. Darum hat das Forum einen Wissenschafts- und einen Wirtschaftsbeirat mit bekannten Persönlichkeiten etabliert. So der Präsident des Leibnitz-Institutes IWH-Prof. Reint Gropp, Prof. Dr. KlausDieter Barbknecht als Präsidiumsmitglied des Weltenergierates oder der Gießener Politologe Prof. Dr. Hubert Kleinert. Sie sind unser intellektueller Motor und unser ökonomisches Gewissen. Sie vertreten das KEMBForum und verfassen Beiträge für unsere Diskursseite.
Große Resonanz findet der KEMB-Klimaindex, was zeigt er uns?
Der Index misst die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung und ist so ein Gradmesser für die Zustimmung. Seit April 2023 wird die repräsentative Umfrage nun schon in unserem Auftrag vom Erfurter Meinungsforschungsinstitut INSA-Consulere erhoben. Die Zustimmung zur Energiepolitik der Bundesregierung ist gering. Seit Einführung des Index bewegt sie sich im negativen Bereich, obwohl die Zustimmung zum Klimaschutz fest in der Mehrheit der Bevölkerung verankert ist. Dies drückt die Unzufriedenheit mit der Energiepolitik der Berliner Ampelkoalition aus. Politische Entscheidungsträger sollten das sehr ernst nehmen. Denn die Energiewende kann nur mit und nicht gegen die Akzeptanz der Bevölkerung umgesetzt werden.
Im Namen tragen Sie die Bezeichnung Forum. Was ist hier geplant?
Wir starten mit einem Wasserstoffforum im Oktober in Leipzig. Anlass ist die Eröffnung des ersten deutschen wasserstofffähigen Kraftwerks durch die Leipziger Gruppe. Das ist für die Stadt, die bis 2038 eine klimaneutrale Stromversorgung umsetzen will, ein Meilenstein. In Vorbereitung sind Veranstaltungen zur nachhaltigen Unternehmensfinanzierung, zur klimaneutralen Logistik und zu alternativen Kraftstoffen. Diese Foren werden regional in den Bundesländern stattfinden. Einmal im Jahr sollen die Ergebnisse dann auf einer Jahrestagung in Berlin zusammengetragen werden.
Wir danken für das Gespräch.
www.kemb-forum.de