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28.09.2018 10:32 Alter: 6 yrs

Das Quartier als Rückgrat kommunaler Infrastrukturlösungen

Kommunale Infrastrukturlösungen sind erforderlich, um eine komplexe Entwicklung des urbanen Raums zu ermöglichen. Wenn insbesondere Kommunen und Stadtwerke bestehende Gestaltungsmöglichkeiten aufgreifen und frühzeitig Modelle entwickeln, um die sich verändernden Anforderungen an Wohnen im Quartier zukunftsweisend erfüllen, kann dies durchaus gelingen.


Unser Gastautor, Wolfram von Blumenthal, Rechtsanwalt bei Becker Büttner Held | Part GmbH sowie Geschäftsführer BBH Immobilien GmbH & Co. KG, München, zeigt Ansätze, wie das Quartier als Rückgrat kommunaler Infrastrukturleistungen gesehen werden sollte.

Foto: Nanna Heitmann

Die Zukunft der Energieversorgung ist dezentral. Daran besteht kaum mehr ein Zweifel. Auch in der Organisation der Mobilität, insbesondere in den Großstädten, zeichnet sich eine Trendwende ab: Die Bereitschaft, Fahrzeuge zu teilen, führt zu Mobilitätskonzepten, die weit über eine Fahrzeug-Einzelnutzung hinausgehen. Es zeigt sich damit, dass sich auch für Infrastrukturen außerhalb der Energieversorgung dezentrale Lösungsansätze anbieten. Im allgemeinen Sprachgebrauch macht schnell der Begriff des „Quartiers“ die Runde, ohne dass jeweils klar umrissen wäre, was genau unter einem Quartier im Sinne des verfolgten Lösungsansatzes zu verstehen ist.

Quartierskonzepte klar definieren

Quartierskonzepte leiden regelmäßig unter einer grundlegenden Problemstellung: Die gestellten Anforderungen erfordern einen Zurechnungszusammenhang, der über den einzelnen Grundstückseigentümer bzw. die Wohnungseigentümergemeinschaft hinausgeht und sich regelmäßig wiederum nicht auf ganze Stadtteile oder gar ganze Kommunen erstreckt.

Auch im sozialen Bereich diskutiert man unterschiedlichste Ansätze, u. a. wie beispielsweise für eine immer älter werdende Bevölkerung Infrastrukturen geschaffen werden können, die eine angemessene Betreuung vor Ort, also im Quartier, sicherstellen können.

Zusätzlich wird die Quartiersentwicklung nachhaltig von einer starken Zunahme der Bevölkerung in den Ballungsgebieten gefordert. Umnutzungen und Nachverdichtungen führen zu einem Bedarf an neuen Lösungsansätzen für eine stark verdichtete Wohnsituation. Drastisch steigende Mieten in den Ballungszentren führen außerdem dazu, dass die starke Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum auch nach einer Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus ruft.

Viele Kommunen stehen dabei unter Zugzwang. Die Lösung wird nicht selten auch von dem örtlichen Stadtwerk gefordert. Gerade in den Ballungszentren ist eine Ausweitung von Bauland kaum mehr möglich oder vor dem Hintergrund der bereits starken Versiegelung von Flächen nicht mehr gewünscht. Die Inanspruchnahme nicht betriebsnotwendiger Grundstücke von kommunalen Unternehmen ist dabei ein Denkansatz, der gerne verfolgt wird.

Gemeinsam nachhaltige Konzepte entwickeln

Bereits die kurz dargestellten Problemkreise zeigen, dass zukunftsweisende Quartierskonzepte nur dann entstehen können, wenn Kommunen möglichst gemeinsam mit ihren Stadtwerken und ihren kommunalen Wohnungsbaugesellschaften nachhaltige Konzepte entwickeln. Dies beginnt bei der Bauleitplanung, die beispielsweise statt eines Stellplatzschlüssels den Nachweis qualifizierter Mobilitätskonzepte verlangen könnte, und führt über die Entwicklung entsprechender Energieversorgungskonzepte zu der Sicherstellung von Organisationseinheiten, die am Ende in der Lage sind, das Quartier dauerhaft zu bewirtschaften.

Die Schaffung entsprechender Organisationseinheiten ist ein häufig unterschätzter Baustein einer geordneten Quartiersentwicklung. Es liegt durchaus nahe, diese Organisationseinheit als eigenen Rechtsträger zu begreifen, an dem die Grundstückseigentümer im Quartier beteiligt sind und sich auch beteiligen müssen. Hier hat sich gezeigt, dass eine frühzeitige Einrichtung des entsprechenden Rechtsträgers für das Quartier durch die Kommune eine geordnete Quartiersentwicklung dauerhaft sicherstellt. Damit liegt die Gestaltungsaufgabe dann allerdings bei der Kommune: Es gilt den rechtlichen Rahmen zu setzen und ein Konzept zu entwickeln, das alle Grundstückseigentümer rechtlich bindet und auch die Finanzierung des Rechtsträgers dauerhaft sichert.

Möchte man hier nicht – soweit dies überhaupt möglich ist – auf den Anschluss- und Benutzungszwang zurückgreifen, bieten sich privatrechtlich organisierte Quartierskonzepte an, sofern die Implementierung und die Einbindung aller Betroffener im Quartier zu Beginn durch die Kommune erfolgen kann. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass später nicht mehr alle Eigentümer im Quartier in das Gesamtkonzept eingebunden werden können und damit der Erfolg des gesamten Quartierskonzepts unter Umständen gefährdet wird.

Chancen für kommunale Wohnungsbaugesellschaften

Auch für kommunale Wohnungsbaugesellschaften bietet die Quartiersentwicklung vielfältige Chancen: Sozialer Wohnungsbau kann in Quartiere integriert werden. Die Mischung unterschiedlicher Nutzungsformen fördert eine gesunde Stadtentwicklung. Und hat die Kommune das Heft des Handelns in der Hand, ist darüber hinaus sichergestellt, dass sie damit an den Gewinnen aus der Baulandentwicklung angemessen beteiligt ist. Auch eine Kooperation mit Privaten bei der Entwicklung von Quartieren sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden, um von zusätzlichem Knowhow zu profitieren und Risiken zu minimieren. Nicht immer ist es von Vorteil, bei der gesamten Entwicklung des Quartiers einschließlich Bebauung und Verkauf sämtlichen rechtlichen Beschränkungen einer Kommune/ eines kommunalen Unternehmens zu unterliegen.

Modellangebote aus Amerika?

Besteht nicht die Möglichkeit, verpflichtend alle Grundstückseigentümer in einem Quartier in einer Rechtsform zu bündeln und hierdurch Quartiers-Lösungen zu verwirklichen, stellt sich die Frage, ob und wie Quartiers- Lösungen gegebenenfalls auch gegen den Willen einzelner Grundstückseigentümer durchgesetzt werden können. Modell ist dabei der amerikanische „Business Improvement District“: In einem „Business Improvement District“ schließen sich Private (Gewerbetreibende) zusammen, um gemeinsam Verbesserungsmaßnahmen für ihr Gebiet zu erreichen.

Von den begünstigten Anwohnern wird hierfür von staatlicher/kommunaler Seite zur Finanzierung verpflichtend eine „Abgabe“ erhoben. Diese wird direkt an den Aufgabenträger ausgekehrt, der die Maßnahmen durchführt. Die verpflichtende Abgabe eliminiert die Problematik von „Trittbrettfahrern“, die lediglich die geschaffene Verbesserung nutzen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen. An dieses amerikanische Vorbild angelehnt existieren bereits funktionierende Business Improvement Districts für innerstädtische Geschäftslagen als auch für Wohnquartiere in Deutschland.

Grundlage hierfür ist Paragraph 171 f BauGB. Er schreibt u. a. vor, dass Gebiete festgelegt werden können, in denen in privater Verantwortung standortbezogene Maßnahmen durchgeführt werden können, welche der Stärkung oder Entwicklung von Bereichen der Innenstädte, Stadtteilzentren, Wohnquartiere und Gewerbezentren sowie von sonstigen für die städtebauliche Entwicklung bedeutsamen Bereichen dienen.

Es ist nicht schwer, dem Quartier eine große Zukunft vorherzusagen, wenn insbesondere Kommunen und Stadtwerke diese Gestaltungsmöglichkeit aufgreifen und frühzeitig Modelle entwickeln, die die sich verändernden Anforderungen an Wohnen im Quartier zukunftweisend erfüllen.

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