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Corona-Pandemie wird Energiewirtschaft nachhaltig verändern
Trotz Lockerungen und massiver Konjunkturpakete wird die Corona-Pandemie auch in der Energiewirtschaft noch jahrelang tiefe Spuren hinterlassen: Modellierungen von Aurora Energy Research zeigen, dass besonders Steinund Braunkohlekraftwerke zu den großen Verlierern der Krise gehören, aber auch die Erneuerbaren Energien leiden unter zunehmender Investitionsunsicherheit. Gaskraftwerke gehören zu den wenigen Profiteuren. Doch die Corona-Krise bietet auch Chancen. Ein Gastbeitrag von Hanns Koenig und Benedict Probst von Aurora Energy Research.
Die datengesteuerten Analysen von Aurora Energy Research auf den europäischen und globalen Energiemärkten liefern wertvolle Informationen zur globalen Energiewende durch Prognosen, Berichte, Foren und maßgeschneiderte Beratungsdienste. Aurora wurde 2013 von Professoren und Ökonomen der Universität Oxford gegründet, die die Notwendigkeit eines tieferen Fokus auf Qualitätsanalysen erkannten. Aurora Erfahrung auf den Energie-, Umwelt- und Finanzmärkten mit modernsten technischen Fähigkeiten.
Kohle verliert, Gas gewinnt, Erneuerbare schwächeln
Die schwächelnde Wirtschaft hinterlässt auch in der sehr krisenresistenten Energiewirtschaft tiefgreifende Spuren, die selbst im Falle einer relativ milden Rezession jahrelang spürbar sein werden. Das zeigt unsere kürzlich erschienene Studie „The impact of COVID-19 on European Power Markets“, für die wir die Folgen der Corona- Pandemie auf die Energiemärkte modelliert haben. In der Analyse betrachten wir vier gesamtwirtschaftliche Szenarien: Eine milde Rezession, eine tiefgreifende Rezession und schließlich zwei Depressionsszenarien für Europa – eines davon noch verschärft durch einen massiven globalen Abschwung.
In Europa erwarten wir für 2020 einen Rückgang des Stromverbrauchs zwischen 8 Prozent (milde Rezession) und 13 Prozent (Depression). In Deutschland fällt das Minus weniger stark aus als in anderen Ländern, unter anderem, da es keine staatlich angeordneten Schließungen von Industriebetrieben – wie etwa in Italien – gab.
Die geringere Nachfrage drückt die Strompreise: So fallen die Grundlastpreise im Day-Ahead-Markt je nach Szenario in diesem Jahr um 24 bis 40 Prozent. Kommt es zu einer Depression, sinken die Preise 2021 noch weiter und erholen sich erst danach langsam wieder in Richtung Vorkrisenniveau. In den Depressionsszenarien liegen die Preise sogar im Jahr 2025 noch 13 bis 22 Prozent unter Vorkrisenniveau.
Unter den Stromerzeugern treffen die niedrigeren Strompreise die Kohlekraft besonders hart, denn sie produziert deutlich weniger und zu geringeren Deckungsbeiträgen. Dies gilt nicht nur in Deutschland: In Polen beispielsweise sinkt die Profitabilität von Kohlekraftwerken um bis zu 80 Prozent. Erschwerend kommt hinzu, dass der European Green Deal die Kohleverstromung weiter schwächen könnte, wenn mit ambitionierten Klimazielen die Zahl der CO2-Zertifikate sinkt und damit deren Preis steigt.
Profitieren wird höchstens das Klima, da weniger Emissionen anfallen. Allerdings sollte man sich nicht zu früh freuen, denn die Krise könnte auch dazu führen, dass weniger in Erneuerbare Energien investiert wird und dann die Gesamtbilanz dennoch negativ wäre. Unsere Analysen zeigen, dass in Europa bis zu 34 Gigawatt an Erneuerbaren- Zubau gefährdet sind – vor allem in Ländern, in denen die erneuerbaren Energien bereits ohne staatliche
Förderung am Markt agieren. So sinken die Erträge etwa in Spanien oder den Niederlanden um rund ein Drittel. Dagegen profitieren in Ländern mit Förderprogrammen für Erneuerbare vor allem Versorger mit hohem Anteil an Wind und Sonne im Portfolio – etwa die dänische Ørsted –, da ein Großteil ihrer Einnahmen über die Förderung sichergestellt ist.
Zu den Profiteuren gehören die Gaskraftwerke, unter anderem in den Niederlanden, in Frankreich und auch Deutschland. Denn die schon vor Corona deutlich gefallenen Gaspreise machen die geringeren Preise und Mengen beim Stromverkauf mehr als wett. Unsere Analysen zeigen, dass die Profitabilität von Gaskraftwerken im Vergleich zu den Erwartungen vor der Krise je nach Szenario um 36 bis 55 Prozent steigt. Und auch in naher Zukunft erwarten wir keine schnelle Normalisierung am Gasmarkt: Bis die Preise wieder in den Bereich unserer Vor-Krisen-Prognosen von 20 Euro pro MWh steigen, dürften drei bis acht Jahre vergehen.
Langfristiger Einfluss auf die Energiewirtschaft
Die Folgen der Corona-Pandemie werden in der Stromwirtschaft über Jahre zu spüren sein. Aktuell werfen Braun- und Steinkohlekraftwerke aufgrund der geringen Nachfrage und niedriger Strompreise nur wenig Ertrag ab. Erst mit dem vollzogenen Ausstieg aus der Kernenergie und dem beginnenden Kohleausstieg ab 2023 wird sich die Lage verbessern. Jedoch stellt sich für viele Betreiber von Steinkohlekraftwerken die Frage, ob sich der Weiterbetrieb lohnt, besonders im Hinblick auf mögliche ordnungsrechtliche Schließungen, falls bei den anstehenden Steinkohleauktionen zu wenig Kraftwerksleistung zur Schließung angeboten wird. Diese Gemengelage dürfte bei den Auktionen zu einem starken Wettbewerb führen, denn die geringe Profiterwartung für die kommenden Jahre wird die Preise der Gebote vermutlich nach unten treiben.
In der Krise zeigen sich zudem inhärente Schwächen von Stromsystemen, aber auch individueller Firmenstrategien. So ist der französische Markt durch die starke Abhängigkeit von Kernkraft – sie lieferte 2019 rund 70 Prozent der Stromproduktion – besonders anfällig für Krisen wie die Corona-Pandemie: Betrieb und Wartung von Kernkraftwerken stützen sich auf eine kleine Gruppe von hochspezialisierten Technikern, deren Ausfall durch eine Infektion den Betrieb unmittelbar bedroht. So verkündete
Électricité de France (EDF), dass die Wartungsarbeiten durch die Pandemie erheblich beeinträchtigt werden, wodurch sich die Erzeugungskapazität der Kernkraftwerke auf absehbare Zeit stark verringern wird.
Die Krise bietet aber natürlich auch Chancen: Das jüngst beschlossene Konjunkturprogramm der Bundesregierung sieht ein Abschmelzen der EEG-Umlage vor, wodurch wettbewerbsfähige Strompreise den Investitionsstandort Deutschland stärken, speziell im Hinblick auf Zukunftstechnologien wie Wasserstoff mit hohem Strombedarf. Zudem wird der Staat den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter forcieren: Der Photovoltaikdeckel wird unmittelbar abgeschafft und das Ziel der Offshore-Windkraft für 2030 von 15 auf 20 Gigawatt angehoben. Somit beschleunigt die Krise den Umbau unseres Strom- und Energiesystems, wodurch neue Jobs und Wirtschaftsfelder entstehen und Deutschlands Zukunftsfähigkeit gestärkt wird.
Weitere Information unter: https://www.auroraer.com