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Corona-Pandemie beeinflusst Industriestromnachfrage
Die globale Wirtschaft bekommt die Auswirkungen der Corona-Pandemie massiv zu spüren. Im ersten Halbjahr 2020 und auch für das Gesamtjahr wird eine tiefe Rezession immer wahrscheinlicher. Dies strahlt zwangsläufig auch in die Energiewirtschaft aus. Der größte Stromverbraucher in Deutschland ist die Industrie. Knapp die Hälfte des Stromverbrauchs, rund 250 TWh, entfällt auf diese Verbrauchergruppe. Ein spürbarer Nachfragerückgang würde direkt das Strompreisniveau beeinflussen. Legt man als Maßstab die Entwicklungen der Finanzkrise 2009 an, so ist ein Rückgang der diesjährigen Industriestromnachfrage um 10 bis 20 Prozent realistisch.
Die Stromnachfrage der energieintensiven Industrie hat einen spürbaren Einfluss auf die Stromwirtschaft und das Strompreisniveau. Zu dieser Einschätzung kommt enervis energy advisors, Partner der Energiewirtschaft bei Strategieentscheidungen, für modellgestützte Preisprognosen und Marktanalysen sowie energiewirtschaftliche Optimierungsfragen.
Aus aktuellem Anlass betrachtet Mirko Schlossarczyk, Partner bei enervis für themen!magazin den Einfluss der Corona-Pandemie auf Industriestromnachfrage, Strompreisniveau und CO2-Emissionen.
Einfluss auf CO₂-Ausstoß
Parallel ist zu erwarten, dass - infolge eines geringeren CO2-Ausstoßes - auch das CO2-Preisniveau nachgeben wird. Diese Entwicklung wird allerdings durch eine weitere Marktentwicklung forciert. So ist schon seit einiger Zeit beim Kraftwerkseinsatz in der deutschen Stromerzeugung eine veränderte Einsatzreihenfolge der Kraftwerke zu beobachten. Die Gasverstromung ist, infolge eines sehr geringen Gaspreises, inzwischen überwiegend günstiger als die Kohleverstromung.
Durch diesen sogenannten Fuel-Switch werden CO2-intensive Kohlekraftwerke durch GuD-Anlagen aus dem Markt verdrängt. Sollte es nun zu einem deutlichen Rückgang der Stromnachfrage kommen, so wären Kohlekraftwerke bei anhaltend niedrigem Gaspreis davon besonders betroffen. In diesem Fall ist mit noch geringeren Einsatzzeiten zu rechnen und der CO2-Ausstoß des Stromerzeugungssektors wird spürbar zurückgehen. Daran würde auch ein etwas geringeres CO2-Preisniveau wenig ändern, da der Gaspreis in diesem Fall der größere Hebel ist.
Druck auf Strompreisentwicklung
Basierend auf aktuellen Einschätzungen zu europäischen Strommarktentwicklungen in Kombination mit unterschiedlichen Erwartungswerten zum Industriestromverbrauch, haben die Energieökonomen der enervis energy advisors GmbH mit dem unternehmenseigenen europäischen Strommarktmodell die Strompreisentwicklung am deutschen Großhandelsmarkt für 2020 unter fundamentalen Aspekten prognostiziert und analysiert.
Die enervis-Modellierungen zeigen, dass ein Rückgang der Industriestromnachfrage unmittelbar auf das Strompreisniveau 2020 durchschlägt. Im Vergleich zu einem Szenario von Beginn diesen Jahres mit den Erwartungswerten einer konstant hohen Industriestromnachfrage, würde ein sektorspezifischer Nachfragerückgang um 25 TWh bzw. 10 % damit den mittleren Jahresstrompreis 2020 am Großhandelsmarkt um circa 1 Euro/MWh bzw. 2,5 % reduzieren.
Sofern der Nachfragerückgang 20 % (50 TWh) beträgt, sinkt der mittlere Jahresstrompreis um etwa 1,85 Euro/MWh bzw. knapp 5 % gegenüber einer Referenzentwicklung mit konstant hoher Industriestromnachfrage. Die CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung würden sich in 2020 um 12 Mio. t bzw. um 25 Mio. t reduzieren. In den Betrachtungen wird somit deutlich, dass die Stromnachfrage vor allem der energieintensiven Industrie einen spürbaren Einfluss auf die Stromwirtschaft und das Strompreisniveau hat.
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