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< Paradox: Energiewende ohne Erdgas
03.03.2017 15:18 Alter: 8 yrs

Braunkohle gehört zum Energiemix

Zum Spannungsfeld Energiewende und Braunkohleverstromung waren wir mit Dr. Armin Eichholz, Vorsitzender der Geschäftsführung MIBRAG im Gespräch.


Foto: MIBRAG

Ein traditioneller Branchenvertreter der Braunkohle ist die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (MIBRAG) mit Sitz in Zeitz. MIBRAG fördert in ihren beiden Tagebauen Profen (Sachsen-Anhalt) und Vereinigtes Schleenhain (Sachsen) etwa 19 Millionen Tonnen Rohbraunkohle im Jahr. Hauptabnehmer sind die Kraftwerke Lippendorf (Sachsen) und Schkopau (Sachsen-Anhalt). 1994 gegründet, investierte das Unternehmen mit fast 3.000 Mitarbeitern über 1,4 Milliarden Euro in innovative und sichere Technik sowie in Maßnahmen zum Umweltschutz.

Herr Dr. Eichholz, seit Juli führen Sie die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG). Wie lautet ihr erstes Fazit zum Stand des Unternehmens?

MIBRAG ist gut aufgestellt und verfügt über eine motivierte Mannschaft mit viel Kompetenz und vielen Stärken. Sicherlich stehen wir heute vor großen Herausforderungen. Wir stellen uns auf erhebliche Schwankungen in der Kohleproduktion und gleichzeitig auf Mengenrückgänge ein, da die Kraftwerke unserer Kunden wegen des gesetzlich geregelten Einspeisevorrangs für die volatile Stromerzeugung aus Wind und Sonne nicht mehr so kontinuierlich und hoch ausgelastet sind. Ein eigenes Kraftwerk im niedersächsischen Buschhaus haben wir in die politisch gewollte Sicherheitsbereitschaft überführt. Auch dadurch haben wir Absatz verloren.

Diese Situation wird sich so schnell nicht ändern. Neben den schwierigen Marktbedingungen wird unsere Unternehmensentwicklung immer stärker durch politische Entscheidungen geprägt. Die Bedeutung der Braunkohle wird politisch bedingt abnehmen. Damit müssen wir uns abfinden. Klar ist aber auch: Wir können auf die energetische Nutzung der Braunkohle und flexible Braunkohlekraftwerke nicht verzichten, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Wir fahren unsere Kohle nach Lippendorf und Schkopau. Das sind nach den BoA-Kraftwerken im Rheinischen Revier die jüngsten und modernsten Braunkohlenkraftwerke in Deutschland.

Regionale Bedeutung von MIBRAG

Verschiedene politische Kräfte fahren eine Kampagne gegen die Braunkohle, ist das nachvollziehbar?

Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Wir haben den Prozess der Energiewende von Anfang an positiv begleitet. Ich halte es für richtig, dass Deutschland seine Energieversorgung breiter und insgesamt klimafreundlicher aufstellt. Aber Braunkohle und die Erneuerbaren sind für uns Partner in diesem Transformationsprozess.

Deutschland kann auch in Zukunft nicht auf konventionelle Energieträger verzichten. Das haben die Tage im Januar dieses Jahres wieder einmal gezeigt, als in einer Dunkelflaute kein Strom von Wind und Sonne produziert wurde. 23 Prozent der regelbaren Stromerzeugung in Deutschland erbringen Braunkohlekraftwerke. Darauf können wir nicht verzichten ohne Wohlstand und Arbeitsplätze zu gefährden. Leider wird der Erfolg der Energiewende in Deutschland häufig allein an dem Zubau der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung gemessen und das kann bestimmten politischen Kräften und natürlich der Photovoltaik- und Windenergiebranche nicht schnell genug gehen. Das kann ich persönlich sogar nachvollziehen, denn es werden ja prächtige Margen ohne Risiko erzielt. Aber der Bewertungsmaßstab greift zu kurz: Weder der Netzausbau, noch die Entwicklung von Speichern hält auch nur annähernd mit dem Ausbau der Erneuerbaren schritt.

Und schließlich sollte allen sehr klar sein, dass die Stromerzeugung, die bereits durch das EU-weite Emissionshandelssystem einem vorgegebenem CO2-Minderungsziel unterliegt, nur ein Sektor der Volkswirtschaft ist. Hier nützen alle Fortschritte nichts, wenn sich die Sektoren in Deutschland, die nicht dem Emissionshandelssystem unterliegen, so gut wie nicht bewegen, wie beispielsweise der Verkehr. Zumal im europäischen Maßstab zusätzliche politische Interventionen in Deutschland bei der Stromerzeugung überdies für das Klima völlig ohne Bedeutung sind. Denn die in Deutschland zusätzlich eingesparten Emissionszertifikate werden von anderen Emittenten in Anspruch genommen.

Gleichwohl: Die Braunkohlenverstromung in Deutschland wird, bedingt durch den politischen Willen zur Energiewende, kleiner werden. Diesem politischen Willen ordnen wir uns grundsätzlich unter. Wir plädieren nur beim Tempo für mehr Realitätssinn. Dieses Tempo ist unvernünftig hoch und führt zu Strukturbrüchen.

Können Wirtschaft und Haushalte zur Sicherung der Grundlast auf die Braunkohle verzichten?

Industrie und Haushalte in Mitteldeutschland sind auf eine zuverlässige Stromversorgung zu jeder Zeit angewiesen. Fakt ist, in unserer Industriegesellschaft wird immer mehr Strom verbraucht. Die Zukunft ist sozusagen elektrisch. Für unseren Wohlstand muss der Strom zuverlässig aus der Steckdose kommen. Und wir werden immer empfindlicher gegen Stromausfälle, nahezu Nichts läuft mehr ohne Strom. Ich bin daher überzeugt, dass wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren auf fossile Energieträger wie Kohle nicht verzichten können.

Wir brauchen die heimische Braunkohle in diesem Transformationsprozess. Solange es keine Speichermöglichkeiten in ausreichendem Umfang gibt, leistet die Braunkohle einen unverzichtbaren Beitrag dazu, die wetterbedingten Schwankungen bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien auszugleichen. Braunkohlekraftwerke sind so flexibel und regelungsfähig, dass sie diese Schwankungen ausgleichen können.

Eine herausragende Rolle im modernen Bergbau spielen Wiedernutzbarmachung und Renaturierung der für die Tagebaue zeitweilig benötigten Flächen. Jährlich investiert MIBRAG in die Gestaltung neuer Landschaften sowie den Staub- und Lärmschutz in den Tagebauen und deren Umfeld.
Foto: MIBRAG/R. Weisflog

Braunkohlekraftwerke besitzen einen hohen Wirkungsgrad und sind umweltfreundlich. Wird dies zu wenig in die Öffentlichkeit transportiert?

Wir sind in der Situation, dass MIBRAG die jüngsten und modernsten Braunkohlenkraftwerke in Europa mit Braunkohle beliefert. Die beiden Kraftwerke sind auf dem neuesten technologischen Stand, haben international gesehen einen hohen Wirkungsgrad und reagieren flexibel auf die Einspeisung von immer mehr Strom aus Erneuerbaren. Dabei sind sie wichtig für den jeweiligen Standort. So liefert das Kraftwerk Lippendorf unter anderem etwa 60 Prozent der in der Stadt Leipzig benötigten Fernwärme. In Schkopau wird die Chemieindustrie mit Strom und Prozessdampf versorgt. Die Bahn erhält etwa 6 Prozent ihres Bahnstroms vom Kraftwerk Schkopau.

Das System aus Tagebau, Kraftwerk und Chemiestandort ist ja unmittelbar miteinander verknüpft und eine gute bis heute stabile Symbiose. Daher ist Braunkohle ein Standort- und mithin ein Infrastrukturvorteil für den mitteldeutschen Chemiestandort.

Für Systemstabilität und Versorgungssicherheit brauchen wir regelbare und ständig verfügbare Kraftwerke, während gleichzeitig die wachsenden Kapazitäten von Wind und Photovoltaik integriert werden müssen. Diese beiden Systeme müssen wir so lange betreiben, bis die Stromspeicherung zuverlässig funktioniert. Braunkohlenkraftwerke sind bis dahin nicht wegzudenken. Dass ein Braunkohlenkraftwerk heute sauber und umweltgerecht arbeitet, davon kann sich jeder bei einem Besuch überzeugen.

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