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Kategorie: Klimaschutz
Bioerdgas aus Frankfurt-Höchst
Die Energiewende in Deutschland hat viele Facetten. Neben Windrädern und Solarzellen, die erkennbar unser Landschaftsbild prägen, drängt von der Außenwelt nahezu unbemerkt ein hochinteressantes Produkt in unsere Versorgungsleitungen: Bioerdgas. An einem historischen Industriestandort am Rande Frankfurts entsteht so ein innovatives Produkt – gerade zur rechten Zeit! Nach dem Willen der Bundesregierung soll zum Jahr 2050 der Anteil an erneuerbaren Energien am Bruttoenergieverbrauch auf 60 Prozent anwachsen. Ein ambitioniertes Ziel, welches die Industriekultur in Deutschland tief greifend verändern wird.
Bioerdgas hat laut Experten gutes Entwicklungspotential. Es lässt sich gut speichern und umweltschonend über das bestehende Erdgasnetz zum Nutzer transportieren. Doch auch Bioerdgas hat Nachteile, die nicht zu leugnen sind.
Anlagen, die Bioerdgas aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnen, stehen oftmals in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelindustrie und führen weiterhin zur großflächigen Bildung von Monokulturen. Darüber hinaus sind die Anbauflächen, beispielsweise für Mais, in Deutschland begrenzt. Landwirtschaftsexperten sprechen sogar von einer „Vermaisung“ der Ackerflächen. Ein weiteres Problem: Lange Anfahrtswege verschlechtern die Ökobilanz. Einen Ausweg bietet die Biogasaufbereitungs-Anlage der Firma Infranova Bioerdgas GmbH. Die Höchster Anlage ist dank der kurzen Wege und des Einsatzes von organischen Reststoffen nahezu klimaneutral.
Organische Reststoffe liefern kostbaren Rohstoff
In Höchst steht bereits seit mehreren Jahren die Frage im Raum, wie sich das Energieversorgungskonzept für den Industriepark optimieren ließe. Wichtige Eckpfeiler sind hier eine höhere Effizienz und regenerative Energieträger. In diesem Zusammenhang entstand das Konzept für eine Biogasaufbereitungsanlage. 2007 konnte durch ein von der Firma Infraserv Höchst entwickeltes Verfahren zunächst Biogas gewonnen werden. Die Anlage ist eine der größten ihrer Art in Deutschland. Das Besondere daran: Es kommen vor allem industrielle Klärschlämme und organische Abfälle zum Einsatz, so genannte Co-Substrate wie Fermentationsrückstände, überlagerte Lebensmittel oder andere vergärfähige Abfälle. Futtermais oder andere nachwachsende Rohstoffe bleiben außen vor.
Das im Industriepark entstandene Biogas wurde zunächst in zwei Blockheizkraftwerken verstromt. Wesentlich effizienter und auch ökologisch sinnvoller ist jedoch eine Veredelung des Biogases auf Erdgasqualität. Hierfür baute die Mainova AG gemeinsam mit dem Industrieparkbetreiber Infraserv GmbH & Co. Höchst KG die neu entwickelte Bioerdgasaufbereitungsanlage. Beide Unternehmen gründeten im Jahr 2009 gemeinsam die Infranova Bioerdgas GmbH, welche die Anlage geplant und errichtet hat. Infranova hat insgesamt fünf Millionen Euro in das Vorhaben investiert und ist offizieller Betreiber der neuen Bioerdgas-Aufbereitungsanlage.
Modernste Verfahrenstechnik
Innerhalb der Anlage werden dem Biogas zunächst alle unerwünschten Begleitstoffe entzogen. Im Anschluss wird das entstandene Rohbiogas auf Netzdruck verdichtet, der Brennwert mittels LPG-Beigabe erreicht, odoriert und in das öffentliche Erdgasnetz eingespeist.
Die Anlage der Infranova zeichnet sich besonders durch zwei hochmoderne Komponenten aus. Zunächst kommt die Aminwäsche zum Einsatz, um das Rohbiogas auf Erdgasqualität zu bringen. Das Verfahren an sich ist altbekannt, wurde in der Vergangenheit allerdings nicht zur Aufbereitung von Biogas eingesetzt. Das physikalische Prinzip mit speziell dafür ausgelegten Adsorbern und einer Tiefkälteabscheidung sorgt für die Abtrennung von Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff und anderen Begleitstoffen aus dem Biogas. Durch die leicht alkalischen, wässrigen Lösungen von Aminen wird das Kohlendioxid reversibel absorbiert. Anschließend wird das Gas thermisch vom Amin getrennt und das so zurück gewonnene Amin erneut zur Wäsche eingesetzt. Die Aminwäsche ist damit ein effizientes Verfahren, um Biogas aufzubereiten.
Die zweite Komponente, die die Anlage in Höchst auszeichnet, ist der besonders geringe Methanschlupf. Dieses unkontrollierte Entweichen von Methan wurde durch die hohe Trennfähigkeit des Aminwäscheverfahrens auf das technisch mögliche Minimum reduziert.
Alle anderen Verfahren, wie die Druckwasserwäsche oder die Adsorption an Molekularsieben haben einen deutlich höheren Methanschlupf. Der diesen Verfahren immanente Methanschlupf von 2-5 Prozent zehrt den Klimavorteil der Biogasnutzung weitgehend auf oder führt sogar zu einer negativen Klimawirkung. Zudem benötigen diese Verfahren eine Abluftverbrennung, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Die Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV) sieht einen maximalen Methanschlupf von 0,5 Prozent vor. Ende nächsten Jahres liegt der Grenzwert sogar bei 0,2 Prozent.
Betrieb gestartet
Seit September 2011 versorgt die Mainova ihre Kunden aus der neuen Anlage mit bis zu 80 Millionen Kilowattstunden Bioerdgas pro Jahr. Eine Menge, die dem Jahresverbrauch von 4.000 Einfamilienhäusern entspricht. Durch den Ersatz von konventionellem Erdgas durch klimafreundlich gewonnenes Bioerdgas aus dem Industriepark Höchst wird die begrenzt verfügbare Ressource Erdgas geschont und damit die Kohlendioxid-Emissionen jährlich um rund 16.000 Tonnen reduziert. Der Vision, den Anteil von Bioerdgas auf 30-40 Prozent zu erhöhen, kommt das Gemeinschaftsunternehmen ein kleines Stück näher.
Autorenteam Julia Adelhütte, Tilo Maier (Mainova AG, Frankfurt am Main)
Weitere Informationen unter www.infranova.de