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Bewegung im internationalen Wasserstoffmarkt: Wasserstoff global gedacht
2020 war das Jahr der nationalen Wasserstoffstrategien. Im Monatstakt legten Staaten weltweit eigene Strategiepapiere zur Nutzung von Wasserstoff vor. Auch im Jahr 2021 ist das globale Interesse an dem Energieträger ungebrochen. Dr. Carsten Rolle und Maira Kusch betrachten für THEMEN!magazin die aktuelle Entwicklung aus Sicht des Weltenergierat-Deutschland e. V.
Für Regionen mit einem hohen Aufkommen an erneuerbaren Energien ergeben sich große Wachstums- und Entwicklungs - potenziale durch den Aufbau einer eigenen H2 -Wirtschaft und H2 -Exporte. Auch für traditionelle Lieferländer fossiler Energieträger können sich durch eine Umstellung der Produktion auf Wasserstoff interessante Geschäftsmodelle ergeben. Der künftige H2 -Handel kann damit bedeutende wirtschafts- und geopolitische Auswirkungen haben.
Das Thema Wasserstoff (H2 ) hat sich in den letzten Monaten zu einem globalen Phänomen entwickelt. Ende 2017 legte Japan als erstes Land der Welt eine nationale Strategie für Wasserstoff vor. Seitdem ist die Zahl der H2 -Regierungsstrategien sprunghaft angestiegen – über 20 Länder weltweit haben mittlerweile eine H2 -Strategie veröffentlicht. Die Europäische Union (EU) legte im Juli 2020 eine eigene H2 -Strategie für ein klimaneutrales Europa vor. Eine Vielzahl von Staaten kündigte ebenfalls entsprechende Strategiedokumente an – so Italien, Polen, Österreich, Schweden und China. Auch die Zahl der multinationalen H2 -Partnerschaften wächst stetig. Für die Entwicklung eines internationalen Wasserstoffhandels und -marktes bedarf es jedoch noch einheitlicher Standards für die Produktion, Nutzung und Zertifizierung.
Dekarbonisierung und Wirtschaftswachstum als Motive
Laut der Studie International Hydrogen Strategies von September 2020, erstellt durch die Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH im Auftrag des Weltenergierat – Deutschland e. V., sind die Motive für die nationalen H2 - Aktivitäten oft ähnlich. Für die meisten Länder steht eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen, eine Diversifizierung ihrer Energiequellen und die Verbesserung der Versorgungssicherheit im Fokus. Viele Regierungen, etwa von Südkorea, Deutschland, den Niederlanden und Australien, versprechen sich von der Nutzung des alternativen Energieträgers auch ökonomische Vorteile durch den Aufbau einer nationalen H2 -Wirtschaft, die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Wasserstoff- und Technologieexporte. Kurz- bis mittelfristig setzt die Mehrheit der Staaten dabei auf verschiedene Arten von Wasserstoff, um den Hochlauf zu befördern. Der Einsatz von fossil hergestelltem grauem Wasserstoff - etwa mithilfe von konventionellem Erdgas – wird in fast allen untersuchten Regierungsstrategien erwähnt. Auch blauen Wasserstoff, der fossil unter CO2 -Abscheidung und -Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) gewonnen wird, sehen viele Länder als Teil der Lösung an. Langfristig liegt der Fokus der meisten H2 -Pläne, insbesondere in der EU, jedoch auf der Nutzung von grünem Wasserstoff auf Ökostrom-Basis.
Industrie und Verkehr als erste Einsatzbereiche
Der Verkehrssektor wird in allen analysierten Regierungsplänen als wichtiger Anwendungsbereich gesehen. In vielen europäischen Strategien ist geplant, den Energieträger vor allem in Bereichen einzusetzen, die sich schwer dekarbonisieren lassen, wie im Bus- und im Schwerlastverkehr. Länder wie Japan und China setzen auch auf die Nutzung in Pkw. Einen großen Einsatzbereich sehen viele Staaten auch in Raffinerien und der (petro-)chemischen Industrie, wo grauer Wasserstoff bereits heute als Ausgangsstoff eine wichtige Rolle spielt. Grüner Wasserstoff bietet eine Chance für die Dekarbonisierung des Industriesektors. Auch energieintensive Industriezweige, wie die Stahl- und Zementindustrie, können sich zu bedeutenden Verbrauchern von grünem Wasserstoff entwickeln. In Südkorea und Japan wird – im Gegensatz zur deutschen und europäischen Strategie – zudem der Gebäudesektor als wichtiger Einsatzbereich für Wasserstoff identifiziert.
[Weltenergierat - Deutschland e. V.]
Die Zahl internationaler H2 -Partnerschaften wächst rasant. In den letzten Monaten hat sich weltweit eine Vielzahl bi- und trilateraler H2 -Beziehungen gebildet. Die Bandbreite reicht dabei von ersten Gesprächen über eine mögliche Zusammenarbeit, wie zwischen Südkorea und Saudi-Arabien, über Absichtsvereinbarungen zwischen Ländern wie den Niederlanden und Portugal bis hin zu konkreten Kooperationsprojekten.
Quelle: Weltenergierat – Deutschland e. V./LudwigBölkow-Systemtechnik GmbH
Chance für internationale H2-Partnerschaften
Länder wie Deutschland und Japan planen wegen fehlender eigener Produktionskapazitäten bereits, einen Teil ihres H2 -Bedarfs mittel- und langfristig über Importe zu decken. Staaten wie Australien rechnen dagegen damit, große Mengen an Wasserstoff zu exportieren. Dies bietet Chancen für internationale Kooperationen und die Etablierung neuer Wertschöpfungsketten.
Da für H2 -Importe der kostenintensive Aufbau entsprechender Produktions- und Transportinfrastrukturen nötig ist, werden sich die ersten H2 -Partnerschaften auf Abkommen zwischen potenziellen Import- und Exportländern gründen. Deutschland hat hierfür ein Instrument namens H2 Global ins Leben gerufen. Ziel dieses Programms ist der Import von grünem Wasserstoff und dessen Derivaten sowie die Unterstützung von deren Markthochlauf, etwa durch Förderung entsprechender Produktionsanlagen. Für die Etablierung internationaler H2 - Partnerschaften sieht die deutsche H2 -Strategie 2 Milliarden Euro vor. 1,5 Milliarden sollen für H2 Global genutzt werden. Deutschland ist bereits H2 -Partnerschaften mit verschiedenen Staaten weltweit eingegangen, darunter Australien, Kanada, Saudi-Arabien und Tunesien. Die Bundesregierung ist beispielsweise an der Umsetzung des Projekts Haru Oni in Chile beteiligt, welches die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff mit Weiterverarbeitung in Power-to-X-Kraftstoffe in Chile testen wird. Im Rahmen des deutsch-australischen Projekts HySupply sollen zudem anhand einer Machbarkeitsstudie alle Wertschöpfungsstufen der H2 -Wirtschaft dargestellt werden, von der Produktion über den Transport bis hin zur Nutzung des alternativen Energieträgers
Mindeststandards und Zertifizierung für einen globalen H2-Markt
Der Markthochlauf für H2 -Technologien hängt maßgeblich von der Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff gegenüber anderen Energieträgern ab. Befördern ließe sich diese etwa durch die Schaffung sektoraler Quoten für Wasserstoff und dessen Derivate sowie eine stärkere Differenzierung der Bepreisung von Energieträgern nach ihrem CO2 -Gehalt. Auch eine verlässliche Senkung der Betriebskosten durch eine verstärkte OPEX-Förderung könnte langfristig Investitionssicherheit schaffen und damit einen Beitrag zur Etablierung von H2 -Technologien und der notwendigen Infrastruktur leisten.
Mit Blick auf den H2 -Handel und die Entwicklung eines globalen H2 -Markts sind zudem ein allgemein anerkanntes System für die Zertifizierung und Registrierung von grünem und CO2 -armem Wasserstoff und seiner Folgeprodukte sowie Standards für die Qualität des Handelsprodukts und die Erzeugung, Nutzung und den Transport nötig. Da Deutschland Teil des europäischen Binnenmarkts ist, wäre es sinnvoll, entsprechende Standards mindestens auf EU-Ebene zu regeln.
Die Phase bis 2030 wird entscheidend für die Etablierung einer H2 -Wirtschaft sein, sowohl in Deutschland, Europa als auch global. Die weitere Umsetzung der nationalen H2 -Strategie wird damit auch nach der Bundestagswahl im Herbst eine der energiepolitischen Herausforderungen der neuen Bundesregierung sein.
www.weltenergierat.de