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13.12.2016 13:42 Alter: 8 yrs

Bauanfragen auf einen „single-point-of-entry“ konzentrieren

Wir sprachen mit Jens Focke, Vorstand vom „Bundesweiten Informationssystem zur Leitungsrecherche“ zu weiteren Plänen der Initiative.


Foto: BIL eG

Ein für die Versorgungssicherheit existentiell wichtiges Thema ist die Leitungsauskunft. Ob ober- oder unterirdisch verlegt, Leitungen sind die Lebensadern unserer Energieversorgung. Mit dem bundesweiten Informationssystem zur Leitungsrecherche BIL gibt es in Deutschland erstmalig ein kostenfreies, branchenübergreifendes Internet-Portal für Leitungsanfragen bei Bauvorhaben. Mit der BIL eG hat sich eine Genossenschaft mit dem Ziel gebildet, die Bauanfragen in Deutschland auf einen „single-point-of-entry“ zu konzentrieren.

Herr Focke, was gab den Anstoß für die Gründung der BIL?

Die Gründung folgt den Sicherheitsanforderungen der großen Pipelinebetreiber in Deutschland. Die Fernleitungsindustrie hat dieses Vorhaben aus Überzeugung initiiert und will damit die Sicherheit im Tiefbau um einen wesentlichen Baustein ergänzen. Wir erleben seit Jahren bei Trassenverlegungen verschiedenster Art eine unerfreuliche Realität. So werden etwa 100.000 Kabel- und Leitungsschäden pro Jahr registriert, die Schadensbeseitigungskosten betragen mehr als 2 Mrd. EUR. Rund 500 Mill. EUR davon sind Entschädigungszahlungen und allein 50 % der Schäden entfallen auf Tiefbauarbeiten. Die Gründe sind vielschichtig, z. B. durch unsachgemäße Handhabung des Baugerätes oder die Unkenntnis über die Lage der unterirdischen Leitungssysteme.

Wir sprechen aber auch von der „traurigen“ Realität. Oft weiß die Bauwirtschaft nicht, welcher Leitungsbetreiber für das Vorhaben letztlich zuständig ist, es fehlt die Definition einer standardisierten Bauanfrage und der Anfrageinhalte. Ein vollständiger digitaler Workflow ist selten vorhanden. Die Konsequenz daraus: Ein Anfrageversand per Mail mit großem Verteiler und oft kaum aussagefähigen Anlagen. Dies verlangt eine Vielzahl von Rückfragen und erfordert eine lange Bearbeitungszeit. Die Originalunterlagen der Anfrage werden per Post versendet und die Archivierung der Anfrage erweist sich oft als eine Fehlanzeige.

Auf welche Inhalte setzt der digitale Ansatz der BIL?

Die Vision ist die Erreichbarkeit aller Betreiber über ein zentrales Bauanfrage-Portal mit dem Ziel der Vermeidung von Noteinsätzen und Reduzierung von später erkannten Schäden an unterirdischen Leitungssystemen. Die Entscheidung der Bundesregierung zur Verlegung von Stromkabeln unter die Erdoberfläche wird dieses Thema weiter aktualisieren. Auch nimmt die Anzahl der „unbekannten“ Leitungsbetreiber zu – neue Branchen, neue Unternehmen sowie neue Namen tauchen auf. Und seit 2010 hat sich nach Aussage der Betreiber die Zahl der Bauanfragen in Deutschland verdoppelt.

Mit der Digitalisierung eröffnet sich die Möglichkeit, eine Bauanfrage direkter in den Gesamtprozess der vorhandenen IT-Implementierung einzubinden. So erlaubt eine standardisierte Beschreibung der Bauanfrage dem Betreiber eine umgehende Antwort bei Eliminierung nicht relevanter Anfragen. Zugleich schaffen wir eine rechtssichere Archivierung, welche für die beteiligten Partner konsistent ist. Auf einem neutralen Server abgelegt, kann so Klarheit im Streit- und Schadensfall erreicht werden.

BIL hat ganz klar die Leitungsinfrastruktur im Blick. Unser Portal hilft allen, die wissen wollen, wo Leitungen liegen, und den Leitungsbetreibern, die ihre wertvolle und sichere Infrastruktur vor unnötigen Eingriffen bewahren müssen. Mit diesem Service bieten wir einen sinnvollen volkswirtschaftlichen Gesamtnutzen.

Foto: Open Grid Europe GmbH

Die Schaffung eines „single-point-of-entry“ initiiert die Digitalisierung eines technischen Geschäftsprozesses im Kontext der Industrie 4.0 Anforderungen:
Digital Business Model:
Die vollständige digitale Bauanfrage über 24 x 7 verfügbares Internet-Portal.
Digital Process Support:
Automatische Zuständigkeitsprüfung und Reduktion der Korrespondenz bei „Nicht“- Zuständigkeit eines Leitungsbetreibers. Damit wird eine kostenoptimierte Leistungsbereitstellung erreicht.
Digital Operating Model:
Application Hosting, WMS-Integration, digitale Kommunikation, externe Archivierung. Wichtig ist aber die Betonung, dass BIL nur Mittler der Anfrageinformation ist und den Auskunftsprozess des Betreibers nicht verändern will.

Was können Sie zum bisherigen Zuspruch sagen?

Legen wir den aktuellen Status November 2016 zugrunde, so zeigt sich eine hohe Akzeptanz bei Bauanfragenden. Wir verzeichnen mehr als 800 Anfragen/Woche, im Jahr sind es mehr als 40.000 Anfragen. Inzwischen können wir die bundesweite Verfügbarkeit und Nutzung vermelden. 30 Betreiber sind heute in BIL organisiert, darunter Gasnetzbetreiber, aber auch Unternehmen der Mineralölwirtschaft, der Chemie und auch die ersten Stadtwerke. Sogar die ausländischen Leitungsbetreiber GRTgaz Deutschland und die Fluxys Tenp GmbH sind der BIL eG Initiative beigetreten, weil die Unternehmen überzeugt davon sind, dass eine für Deutschland übergreifende, anwenderfreundliche und kostenfreie Anfragestelle für Leitungsauskünfte die alltägliche Tätigkeit der Tiefbauunternehmen vereinfacht und effizienter macht und dadurch die Sicherheit von allen Beteiligten bei Tiefbauarbeiten verstärkt wird.

Gegenwärtig sind wir unterwegs, um die Kooperationsbereitschaft mit lokalen Portalbetreibern voranzubringen. Letzteres würde gerade auf regionaler und örtlicher Ebene helfen die Einholung von Leitungsauskünften noch einfacher zu gestalten und nachgelagerte Prozesse, z. B. zur Baustellenkoordinierung und das Baustellenmanagement zu unterstützen.

Aktuell läuft die Diskussion über Datensicherheit. Wie reagiert hier BIL?

Zunächst einmal wird das BIL-Portal in einem externen Rechenzentrum betrieben, welches den BSI-Anforderungen zur Datensicherheit folgt. Eine öffentliche Bereitstellung der Geodaten zu den Netzinfrastrukturen wird als sicherheitskritisch eingestuft. Hier gibt es einen Widerspruch zu der EU Richtlinie INSPIRE. Energieversorgungsleitungen werden als kritische Infrastrukturen eingestuft.

Unsere Position als BIL ist klar umrissen. Wir bieten einen standardisierten Zugang an und die Weitergabe von Informationen durch die Betreiber erfolgt nur bei „Berechtigtem Interesse“. Möglicherweise ist BIL ein denkbarer Kompromiss aus Planungstransparenz und Sicherheitsbedürfnissen.

www.bil-leitungsauskunft.de