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01.02.2019 16:17 Alter: 6 yrs

Ausblicke für die Energiewirtschaft

Eine aktuelle „Strommarktstudie 2030“ von Deloitte liefert Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Trends der Energiewirtschaft. Der Fokus liegt dabei auf den Segmenten Erzeugung, Netze und Endkundengeschäft. Eine Kernaussage in Richtung Strommarkt 2030: Neue Treiber des Wandels setzen das traditionelle Versorgungsgeschäft auch weiterhin unter Druck.


Dr. Thomas Schlaak, Deloitte Deutschland, Partner und Leiter Power & Utilities beleuchtet für THEMEN|:magazin Kernaussagen der Studie zur Zukunft des Strommarkts.

Foto: Deloitte Deutschland

Herr Dr. Schlaak, die neue Deloitte- Strommarktstudie analysiert zu erwartende Entwicklungen bis 2030. Welche wesentlichen Veränderungen zeigen sich gegenüber der vorherigen Ausgabe mit dem Zieljahr 2025?

Das traditionelle Versorgungsgeschäft ist auch weiter stark unter Druck, die Herausforderungen sind nicht kleiner geworden. Überraschend ist die Effektivität des Auktionsmodells für Erneuerbare, der Fortschritt im Bereich Speicher (was Wirtschaftlichkeit und Einsatz angeht) sowie die Konsequenz, mit der die großen Versorger ihr Portfolio angepasst haben.

Eine der größten Veränderungen im Vergleich zur letzten Ausgabe der Strommarktstudie ist im Bereich Erzeugung sicherlich die Erholung der Großhandelspreise, getrieben durch den zunehmenden politischen Druck zur Dekarbonisierung: Eine mögliche CO2-Bepreisung ist keine Utopie mehr und der Abbau von konventionellen Überkapazitäten schreitet voran. Ein Großhandelspreis von 50 - 60 EUR/MWh in 2030 scheint durchaus realistisch – vor einiger Zeit war dies noch unvorstellbar.

Trotz wichtiger Anpassungen der Versorger sind die meisten aus der Strommarktstudie 2015 ersichtlichen Herausforderungen weiterhin aktuell. Überkapazitäten in der Erzeugung werden nur langsam abgebaut und werden zu einem anhaltenden Margendruck führen. Die Anzahl der Dispatch-Vorfälle im Netzgeschäft steigt durch ein Ungleichgewicht von Verbrauch und Erzeugung. Kunden können im Endkundengeschäft bevorzugte Technologien für die Stromerzeugung wählen.

Wie reflektiert sich die Entwicklung in ausgewählten Bereichen?

Hinsichtlich Entwicklung in der Erzeugung ist anzumerken, die Dekarbonisierung wird als Haupttreiber die zukünftige Erzeugungslandschaft und die Sektorkonsolidierung prägen.

Erneuerbare Erzeugung wird zunehmend profitabel und dank steigender Großhandelspreise wird deren Vermarktung künftig häufiger über den Handelsmarkt erfolgen. Damit verbessert sich die Ertragssituation für Energieversorger. Gleichzeitig zeigt sich, die zentrale, konventionelle Erzeugung ist nicht „tot“ und bleibt für die Systemstabilität auch weiterhin von Bedeutung. Vergleichsweise CO2-arme, flexible Gaskraftwerke könnten – mit entsprechenden Anreizen – eine Renaissance erleben.

Im Netzgeschäft wurden die Erkenntnisse der letzten Studie nochmals bestärkt. Die Netzbetreiber stehen durch verschärfte regulatorische Anforderungen unter Ergebnisdruck. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit bleibt der Netzausbau weiterhin unabdingbar.

Aufgrund der sinkenden Eigenkapital-Verzinsung tun Netzbetreiber gut daran, sich neue Einnahmequellen aus nicht-reguliertem Geschäft zu erschließen. Auch durch Investitionen in den dringend erforderlichen Netzausbau sowie die Bereitstellung angrenzender Infrastruktursysteme (z. B. Kommunikations-, Daten- und Verkehrsinfrastruktur) kann der Ergebnisdruck reduziert werden. Und um von verändertem Kundenverhalten zu profitieren und auf den Ergebnisdruck zu reagieren, sind zudem neue Service- Lösungen erforderlich.

Und wie steht es um das Endkundengeschäft?

Im Endkundengeschäft sehen sich Versorger neuen Kundenerwartungen gegenüber, die Kunden erwarten Veränderung. Altersunabhängig besteht ein großes Interesse an digitalen Kanälen, erwartet wird ein positives Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und ein wettbewerbsfähiges Kostenniveau zu erreichen, ist ein Um- oder Neubau bestehender Strukturen erforderlich.

Unsere Kalkulationsmodelle zeigen, dass wettbewerbsfähige Servicekosten zu einer Frage der Größe werden: Durch einen kompletten Neuaufbau lassen sich die Servicekosten auf unter 10 EUR senken – das dazu nötige Investitionskapital ist bei kleineren Versorgern aber meist nicht vorhanden. Das wiederum spricht für eine Konsolidierung im Vertriebsgeschäft. Derzeit konzentrieren sich deutsche Versorger auf Umbau. Disruption wird aber in der Branche selbst entstehen, wenn neue Standards durch „First Mover“ gesetzt sind und sich durch Konzentration und Kooperation etablieren.

Welche Konsequenzen sollten Energieversorger aus diesen Veränderungen ziehen?

Die Unternehmen sollten ihr Geschäftsmodell und ihre Investitionsentscheidungen neu priorisieren und ihr Betriebsmodell noch klarer konfigurieren. So kann es sinnvoll sein, schlankere Geschäftsmodelle für unterschiedliche Marktrollen aufzusetzen (Stichwort E.ON-RWE-Deal). Fragen, mit denen sich Energieversorger beschäftigen sollten, sind zum Beispiel, wie sich das Kerngeschäft mit digitalen Prozessen verbessern lässt und wie die Kundenzufriedenheit gesteigert werden kann. Aber natürlich auch, wie das Unternehmen über das Kerngeschäft hinaus wachsen kann bzw. mit welchen neuen Geschäftsfeldern. Dafür braucht es jedoch auch neue Kompetenzen und ebenso eine Anpassung der Unternehmenskultur.

Es ist ratsam, sich lieber auf ausgewählte Themen zu konzentrieren und diese dafür mit Herzblut und Konsequenz umzusetzen, anstatt einen Blumenstrauß an Themen aufzugreifen und am Ende ohne klare Strategie und Marktpositionierung dazustehen.

Mit der Übernahme der RWE-Tochter Innogy durch E.ON steht der Markt vor einer Neuordnung. Welche Folgen erwarten Sie für die Energiebranche durch diesen Schritt?

Dieser Schritt spiegelt die Neuausrichtung von Versorgern als Antwort auf die sich ändernden Marktbedingungen sehr gut wider. Das Streben nach Größe und damit auch nach Economies of Scale in der Energiebranche ist vor dem Hintergrund eines Sektors der durch hohe Kapitalintensität in der Erzeugung und im Netz sowie notwendigem Wachstum im Endkundenmarkt geprägt ist, strategisch eine logische Konsequenz. Die Abkehr von der vertikalen Integration bietet damit die Möglichkeit durch die Konsolidierung auf Wertschöpfungsebene – trotz der damit verbundenen Risiken – das Business Modell der EVU profitabler aufzustellen.

Die E.ON/Innogy Transaktion könnte der Startschuss für eine Erholung der Branche sein, die unter politischem sowie regulatorischem Druck, den Folgen der Energiewende und steigendem Wettbewerb leidet. Ob die Neuaufstellung allerdings eine Blaupause für die gesamte deutsche oder gar europäische Energieindustrie ist, bleibt aber abzuwarten.

Ich erwarte und hoffe, dass so wieder mutigere Unternehmensentscheidungen getroffen werden, damit man nicht abgehängt wird. Das bedeutet eine radikalere Sicht auf das Geschäftsportfolio, was zu Unternehmenskäufen und –verkäufen führt, als auch auf Investitionen in moderne Technologie zur Senkung der Prozesskosten und Umsetzung neuer Dienstleistungen.

Wir danken für den interessanten Einblick in die Strommarktstudie.

Weitere Informationen unter: Opens external link in new windowwww.deloitte.de