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28.09.2014 14:03 Alter: 10 yrs

Erkenntnisse aus der BMWi-Verteilernetzstudie

Die deutschen Verteilernetze bilden eine wichtige Stütze für die Umsetzung der Energiewende. Rund 90 Prozent der installierten Leistung aller Erneuerbarer-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) sind an diese Netze angeschlossen. Am 12. September 2014 stellte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die aktuelle Studie zur Modernisierung der Verteilernetze vor. Die Studie wurde von einem Gutachterkonsortium, bestehend aus der E-Bridge Consulting GmbH, dem Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft (IAEW) der RWTH Aachen sowie dem Oldenburger Institut für Informatik (OFFIS) erstellt. Dr.-Ing. Jens Büchner, Geschäftsführer E-Bridge Consulting GmbH, informiert über die Studie und die Empfehlung für den Einsatz neuer Konzepte.


Foto und Grafiken: E-Bridge Consulting GmbH

Um die von der Bundesregierung geplante Verdopplung der Einspeisungen aus EE-Anlagen bis 2032 effizient zu realisieren, reicht es nicht aus, dass die Verteilernetze die zusätzlichen Leistungen sicher und zuverlässig aufnehmen können. Die Netzintegration der Erneuerbaren sollte dabei auf eine kosteneffiziente Art und Weise erfolgen und erfordert die Anwendung innovativer Planungskonzepte und intelligenter Netztechnologien. Aber nicht nur die Netzbetreiber müssen ihre Planungs- und Betriebsstrategien anpassen, auch die Regulierung muss weiterentwickelt werden und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.

Um den Korridor für eine mögliche Entwicklung der Erneuerbaren Energien (EE) sowie ihre regionale Verteilung analysieren zu können, werden drei Zubauszenarien zugrunde gelegt. Ein Szenario basiert auf den aktuellen Zielen der Bundesregierung, welche eine Verdopplung der installierten Leistung an EE-Anlagen bis 2032 vorsehen („EEG 2014“). Ein weiteres Szenario „NEP“ basiert auf den Einschätzungen der Übertragungsnetzbetreiber aus dem Szenario B des Netzentwicklungsplans 2013. Das dritte Szenario spiegelt die kumulierten Ausbauziele der einzelnen Bundesländer wider, die in Summe bis 2032 zu einer Verdreifachung der heute installierten Leistung an EE-Anlagen führen werden.

Zur Simulation des Ausbaubedarfs werden die Verteilernetze in repräsentative Modellnetzklassen untergliedert. Für jede dieser Modellnetzklassen wird eine Vielzahl an typischen Netzmodellen erstellt, um die heutige  heterogene Struktur der Verteilernetze abzubilden. Zudem werden unterschiedliche Zubaupfade von EE-Anlagen simuliert, um den Einfluss der regional unterschiedlichen Konzentrationen sachgerecht abzubilden. Für die Hochspannungsebene wird ein knoten- und zweiggetreues Modell aller deutschen Hochspannungsnetze entwickelt und hierin der unterstellte Zubau an EE-Anlagen simuliert. Die umfangreichen Analysen führen zu den folgenden Erkenntnissen:

1. Bis 2032 werden kumulierte Investitionen zwischen 23 Mrd. € und 49 Mrd. € in die Verteilernetze erforderlich sein. In den kommenden 20 Jahren müssen je nach Szenario zwischen ca. 130.000 km und ca. 280.000 km zusätzliche Leitungskilometer gebaut werden (siehe Abbildung 1). Der Netzausbaubedarf steigt dabei überproportional, wenn die Ziele der Bundesländer realisiert werden.

 » Legt man zunächst konventionelle Planungsmethoden zugrunde und verzichtet auf die Anwendung innovativer Planungsmethoden und intelligenter Netztechnologien, so kann aus gesamtdeutscher Sicht ein moderater, für einzelne Netzbetreiber aber signifikanter Netzausbaubedarf ermittelt werden.

2. Die jährlichen Netzkosten steigen in diesem Zeitraum um 10 % bis 20 %.

3. Bis zu 70 % des Netzausbaus ist bereits bis 2022 erforderlich. Die EE-Zubaurate kann in einigen Szenarien bis 2022 rund doppelt so hoch ausfallen wie in der darauf folgenden Dekade. Dies verursacht einen ebenso erhöhten Netzausbaubedarf.

4. Der Netzausbaubedarf betrifft nur wenige Netzbetreiber, diese aber besonders stark. Circa 35 % (bzw. 64 %) der Verteilernetzbetreiber sind Modellnetzklassen zugeordnet, in denen nennenswerter Ausbaubedarf in der Niederspannungsebene (bzw. Mittelspannungsebene) besteht. Bis 2032 müssen beispielsweise in den am stärksten betroffenen Modellnetzklassen in der Mittelspannungsebene die Netze sogar um bis zu durchschnittlich 70 % erweitert werden.

5. Netzausbaubedarf ist regional sehr unterschiedlich. Rund 60 % des Ausbaubedarfs in der Niederspannung fallen in Süd- und rund 70 % des Ausbaubedarfs in der Hochspannung in Nordund Ostdeutschland an. Für Kunden ohne registrierende Leistungsmessung wachsen damit die Entgelte bis 2022 in nicht großstädtisch geprägten Gebieten um lediglich ca. 4 % im Westen, aber bis über 15 % im Osten.

6. Die regionale und technologische Ausprägung des EE-Zubaus beeinflusst deutlich den Netzausbedarf. In der Niederspannungsebene ist der Ausbaubedarf primär durch die Höhe der installierten Leistung der PV-Anlagen getrieben. Der Ausbaubedarf in der Hochspannungsebene wird unter anderem deutlich durch die regionale Konzentration des EE-Zubaus bestimmt.

7. Der gesamte Netzausbaubedarf kann durch innovative Planungskonzepte und Nutzung intelligenter Technologien um mehr als 60% reduziert werden. Die Berücksichtigung des Erzeugungsmanagements in der Netzplanung ist eine sehr wirkungsvolle Maßnahme zur Reduktion des Netzausbaubedarfs. Durch Abregelung von lediglich drei Prozent der jährlichen Einspeisung von EE-Anlagen können mindestens 40 % des Netzausbaus eingespart werden (siehe Abb. 2). Die zusätzliche Installation regelbarer Ortsnetztransformatoren kann den Netzausbau um weitere 20 % reduzieren.

8. Innovative Planungskonzepte und intelligente Netztechnologien senken die durch EE-Zubau induzierten Zusatzkosten um mindestens 20 %. Kosteneinsparungen durch vermiedenen Netzausbau stehen erhöhte Kosten für die IKT, die Ersatzbeschaffung für die abgeregelte Energie sowie für regelbare Ortsnetztransformatoren gegenüber. Der Anteil der Betriebskosten an den jährlichen Zusatzkosten steigt von 16 % auf bis zu 40 %.

9. Die durch die Integration von EE-Anlagen verursachte regionale Spreizung der Netzentgelte kann gedämpft werden. 10. Die Umsetzung der politischen Ziele wird gestärkt. Die EE-Ausbauziele werden auch bei der Berücksichtigung des Einspeisemanagements in der Netzplanung vollständig sichergestellt, da nur wenige Prozente der EE-Einspeisung abgeregelt und eine vollständige Kompensation dieser Energie durch zusätzliche EE-Neuanlagen sichergestellt wird. Auch die Versorgungssicherheit wird bei steigender IKT-Durchdringung durch Einhaltung der BSI-Sicherheitsstandards und automatischer Einspeisebegrenzung bei IKTAusfällen gewährleistet werden.

Das Erzeugungsmanagement sollte in der Netzplanung berücksichtigt werden , um den Netzausbau für das letzte Kilowatt aus Erneuerbaren Energien zu vermeiden. Sinnvoll ist zunächst eine Begrenzung der Abregelung von bis zu 3 % der jährlichen Einspeisung je EE-Anlage. Die Grundsätze des Leitfadens zum Einspeisemanagement der Bundesnetzagentur sind auf ihre Umsetzbarkeit im Netzbetrieb zu prüfen und ggfls. weiterzuentwickeln.

Die Entscheidung über die Ausgestaltung innovativer Planungskonzepte und in - telligenter Netztechnologien sollten beim Netzbetreiber liegen. Der kostenoptimale Ausbau kann nur vom Netzbetreiber gemäß den individuellen Besonderheiten in seinem Netz festgelegt und durchgeführt werden. Alle mit der netzdienlichen Anwendung der innovativen Planungskonzepte bzw. der intelligenten Technologien verbundenen Kosten werden durch den Netzbetreiber getragen, einschließlich der Kosten zur Ersatzenergiebeschaffung sowie zur Um- bzw. auch Nachrüstung von EE-Anlagen mit entsprechender IKT-Technologie.

Das Regulierungsregime sollte weiter - entwickelt werden, um die optimale Umsetzungslösung durch den Netzbetreiber zu fördern. Dabei sollen unterschiedliche Lösungen vor allem nach ihrer Gesamtkosteneffizienz, unabhängig von der individuellen Kostenstruktur, beurteilt werden.

Ebenfalls sollten langfristige Effizienzvorteile adäquat berücksichtigt und die Heterogenität der Netzbetreiber sachgerecht und fair abgebildet werden. Die der Studie zugrunde liegende Einteilung in Modellnetzklassen kann ggfls. einen Beitrag zum sachgerechten Vergleich leisten.

Die Schriftfassung der Studie kann unter www.e-bridge.de heruntergeladen werden.