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Anreizregulierung auf dem Prüfstand: Ausblick auf die bevorstehende ARegV-Novellierung
Im März diesen Jahres hat das BMWi seine Eckpunkte für einen modernen Regulierungsrahmen veröffentlicht. Zentrales Thema der bevorstehenden ARegV-Novellierung soll danach die Sicherstellung der im Zuge der Energiewende benötigten Investitionen in die Verteilernetze sein. Dabei nimmt das BMWi im Wesentlichen die aus dem Evaluierungsbericht der BNetzA bekannten Vorschläge auf. Ob die geplanten Änderungen aus rechtlicher Sicht zielführend sind, wird im folgenden Beitrag von Rechtsanwältin Shaghayegh Smousavi, Partnerin bei CMS Hasche Sigle, behandelt.
Nachdem im Januar der ausführliche Evaluierungsbericht der Bundesnetzagentur (BNetzA) zum Stand der Anreizregulierung vorlag, hat am 16. März das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) nachgezogen und seine Eckpunkte für einen "modernen Regulierungsrahmen für moderne Verteilernetze" vorgestellt. Als wesentliches Ziel der anstehenden Novellierung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV-Novelle) nennt das BMWi die Verbesserung des Investitionsrahmens für Verteilernetze sowie die Stärkung von Effizienzanreizen. Die ARegV-Novelle soll die erforderlichen Anpassungen an die energiewendebedingt veränderten Aufgaben der Verteilernetzbetreiber vornehmen. Allerdings ist noch offen, ob die vom BMWi ins Auge gefassten Änderungen geeignet sind, die angestrebten Ziele zu erreichen.
Keine Beseitigung des Zeitverzugs für alle Investitionen in die Verteilernetze
Noch keine überzeugenden Lösungen enthalten die Eckpunkte für das als zentral bewertete Problem des Zeitverzugs bei Investitionen in die Verteilernetze. Das BMWi kündigt zwar an, in Anlehnung an die Empfehlung aus dem Evaluierungsbericht, der Zeitverzug beim Erwei terungsfaktor werde beseitigt und die Zielgenauigkeit des Erweiterungsfaktors erhöht. In welcher Form dies auch rechtssicher gewährleistet werden kann, bleibt jedoch offen.
Nicht aufgegriffen wird die von vielen Verteilernetzbetreibern und den Verbänden favorisierte Investitionskostendifferenz (IKD) auf Basis des vom Bundesrat empfohlenen Modells ("Schäfer papier"). Die Befürworter des IKD-Modells erhoffen sich davon den Wegfall des Zeitverzugs für alle Investitionen. Die angedachten Ver besserungen beim Erweiterungsfaktor betreffen hingegen nur einen Teil der Investitionen in die Verteilernetze.
Auch das Instrumentarium der Investitionsmaßnahmen soll nicht für alle, sondern nur für einen Kreis besonders betroffener Verteilernetzbetreiber geöff net werden. Aus recht licher Sicht problematisch scheint indes die Bestimmung von objektiven und sachgerechten Abgrenzungs kriterien. Dies gilt umsomehr, wenn man bedenkt, dass schon bei den in § 23 Abs. 6 und 7 ARegV vorgesehenen Vor aussetzungen keine Rechtsklarheit herrschte und diese häufig Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen waren.
Entscheidend für eine Verbesserung des Investitionsrahmens wird im Ergebnis die Genehmigungspraxis der BNetzA sein. Abzuwarten bleibt, ob sie an ihrer restriktiven Auslegung der Verordnungsvorschriften festhält.
Effizienzanreize fraglich
Weiter kündigt das BMWi an, zusätzliche Anreize für Investitionen setzen zu wollen, deren Nutzen sich nicht innerhalb einer Regu lierungs periode realisieren lässt. Für solche Inves titionen ist, entsprechend der Vor schläge der BNetzA, ein "Effizienzbonus" für effiziente Netzbetreiber als Aufschlag auf die Erlös obergrenze der folgenden Regulierungs periode angedacht. Wie dieser im Einzelnen ausgestaltet wird, bleibt abzuwarten. Zu hoffen ist, dass bürokratischer Aufwand und Nutzen dieses Instruments nicht außer Ver hältnis stehen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit wird auch hier die Regu lierungs praxis der BNetzA ausschlaggebend sein.
Zwar kündigt das BMWi an, es sei unerlässlich, die zunehmende Vielfalt der Verteilernetzbetreiber schon bei der Festlegung der Vergleichsparameter zu berücksichtigen. Dies dürfte eine Reaktion auf die behördlichen und gerichtlichen Auseinandersetzungen der Vergangen heit um Besonderheiten der Versorgungsaufgabe (§ 15 ARegV) sein. Das BMWi stellt fest, dass die Vielfalt der Netzbetreiber noch weiter zunehmen wird. Fraglich bleibt, wie durch die von der BNetzA zu ermittelnden Parameter eine Vergleichbarkeit dieser heterogenen Gruppen gewährleistet werden kann. Betrachtet man die mit der Effizienzwert ermittlung verbundenen Unsicherheiten, ist die Ankündigung des BMWi, auf den "best of four" Ansatz zu verzichten, nicht nur verwunderlich, sondern auch aus rechtlicher Sicht kritisch zu beurteilen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verankerte Gebot der Erreichbarkeit und Übertreffbarkeit von Effizienzvorgaben.
Angesichts des in der ARegV bereits angelegten und vom BMWi bestätigten Umstands, dass die BNetzA künftig alle Vergleichsparameter ohne Bindung an bestehende Pflichtparameter bestim men soll, werden Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Verfahrens für die Akzeptanz des künftigen Effizienzvergleichs wesentlich sein. Die rechtliche Bedeutung der Verfahrensgrundsätze wiegt umso mehr, als auch die Rechtsprechung der BNetzA tendenziell weitere Beurteilungsspielräume zubilligt. So darf mit Spannung verfolgt werden, ob die im Evaluierungsbericht befürwortete Beibehaltung des generellen Produktivitätsfaktors (sog. "Xgen"), welcher ab der dritten Regulierungsperiode ebenfalls allein von der BNetzA festgelegt werden soll, im Rahmen der ARegV-Novelle rechtssicher umgesetzt werden kann.
Zugang zum vereinfachten Verfahren eingeschränkt
Die mögliche Halbierung der Schwellenwerte für das vereinfachte Verfahren (Zugeständ nis an die EU-Kommission) wird, sollte sie so umgesetzt werden, weitreichende Folgen für die Netzbetreiberlandschaft haben. Vermehrte Zusammenschlüsse von Netzbetreibern und Kooperationen zwischen kleineren Stadt werken zur Bündelung ihrer Netzaktivitäten bei der Bewältigung der höheren rechtlichen und bürokratischen Regulierungsanforderungen sind bereits jetzt absehbar. Insofern verwundert es nicht, wenn die Betroffenen eine "Strukturpolitik durch die Hintertür" beklagen.
Verfahrensvereinfachungen
Zu begrüßen ist der Vorschlag von BMWi und BNetzA zum Regulierungskonto: Hier soll die periodenübergreifende Saldierung aufgegriffen und entsprechend der früheren Regelung der Strom-/GasNEV ein zeitnaher Ausgleich von Minder- oder Mehrerlösen ermöglicht werden. Weitere, noch nicht näher erläuterte Vereinfachungsmöglichkeiten sieht das BMWi bei den Teilnetzübergängen und der Prüfung des Umlaufvermögens. Auch diese Änderungen sind zu begrüßen, sofern dadurch Rechtsunsicherheit und hierdurch bedingte Gerichtsverfahren beendet werden.
Fazit und Ausblick
Die Eckpunkte zeigen, dass auch das BMWi den Ansatz einer kontinuierlichen Fortent wicklung der ARegV verfolgt, was angesichts der Bedeutung eines verlässlichen Regu lie rungs systems zu begrüßen ist. Dagegen ist fraglich, ob die geplanten Änderungen zielführend sind. Die neue ARegV wird sich daran messen lassen müssen, ob es gelingt, die für den Netzumbau erforderlichen Investitionen in die Verteilernetze zu generieren und zugleich die Effizienz dieser Investitionen sicherzustellen. Darüber hinaus muss die novellierte ARegV in den allgemeinen regulierungsrechtlichen Rahmen eingepasst werden. Dazu sind die Eckpunkte, ähnlich wie schon der Evaluierungsbericht, wenig ergiebig. Eine eingehendere Bewertung wird möglich sein, wenn ein Referentenentwurf vorliegt. Dieser ist bald zu erwarten, denn ein Kabi netts beschluss soll noch vor der Sommerpause er folgen. Die novellierte ARegV soll nach den bisherigen Plänen zum 31.10.2015 in Kraft treten.
Zum Evaluierungsbericht s. Smousavi/Küll, RdE 4/2015 (im Erscheinen)
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