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Allheilmittel Wasserstoff: Nur nicht im Wärmemarkt?
Wasserstoff kann eine grose Zukunft haben: Das sieht auch Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-ERGIE Aktiengesellschaft in Nurnberg, so. Im aktuellen Hype um das Thema drangt sich ihm jedoch zuweilen der Eindruck auf, das „Wundermittel“ solle alle Probleme auf einmal losen.
In seinem Gastbeitrag betont Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender der N-ERGIE Aktiengesellschaft, Nürnberg, warum es besser wäre, sich frühzeitig auf die größten Potenziale zur Einsparung von CO2 zu fokussieren. Dass die Bundesregierung in ihrer Nationalen Wasserstoffstrategie ausgerechnet den Wärmemarkt weitgehend ausgeklammert hat, kann er nicht nachvollziehen
Die Pläne der Bundesregierung sind ambitioniert: Nicht weniger als eine weltweite Führungsrolle bei Wasserstofftechnologien solle Deutschland mit dem starken Maschinenbau sowie immerhin neun Milliarden Euro Fördervolumen im Rücken einnehmen. Ein mutiges Ziel von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dass ich angesichts der potenziell klimaschützenden Wirkung von Wasserstoff sehr begrüße.
Nun kommt aber auch schon der ganz große Haken: Im aktuellen Hype um das Thema geht leider zunehmend unter, dass uns nur sehr begrenzte Mengen grünen Wasserstoffs zur Verfügung stehen werden. Und das gilt sowohl für den unmittelbaren Markthochlauf als auch perspektivisch. Zur Erinnerung: Bis 2030 sollen lediglich fünf Gigawatt Elektrolyse- Leistung installiert werden – und auch darüber hinaus werden wir gemäß den Ausbauzielen nicht genügend grünen Strom zur Verfügung haben, um ihn in diesem energieintensiven Prozess massenhaft umzuwandeln. Die Erwartungen an Wasserstoff als Allheilmittel für den Klimaschutz sind deshalb überzogen.
Ehrliche Debatte führen
Zu einer ehrlichen Debatte um Wasserstoff gehört diese Erkenntnis: Soll Wasserstoff wirklich eine möglichst breite Anwendung erfahren, reichen auch die anvisierten Importe von grünem Wasserstoff bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Zwangsläufig wird dann massiv grauer oder blauer Wasserstoff zum Einsatz kommen, was den Klimaschutz aber keinen Schritt weiterbringt.
Aus diesem Grund erscheint es mir essenziell, die Planungen für den Einsatz von Wasserstoff auf die Bereiche zu fokussieren, in denen er potenziell die größten CO2- Einsparungen bewirken kann. Beenden wir also zum Beispiel besser heute als morgen die Träumerei vom Wasserstoff- Auto. Für den individuellen Straßenverkehr steht mit der Elektromobilität die klimaschonende Technologie mit dem weitaus besseren Wirkungsgrad schon parat. Und auch im ÖPNV kann zumindest in den urbanen Zentren ein großer Teil der Buslinien mit rein batterieelektrischem Antrieb bedient werden.
Hebel an richtiger Stelle ansetzen
Setzen wir den Hebel lieber verstärkt dort an wo Wasserstoff wirklich Klimaschutz entfaltet: Im Wärmesektor, der in Deutschland über die Hälfte des Endenergiebedarfs ausmacht. Gerade wir Energieversorger stehen bei der Dekarbonisierung des Wärmemarkts vor einer Mammutaufgabe.
Richtig, Wärmepumpen oder Pellets-Heizungen können einen Teil der heutigen Öl- und Erdgasheizungen ersetzen. Aber verbunden mit einer Gebäude-Sanierungsrate, die zwei Prozent pro Jahr kaum übersteigen wird, ist dieser Weg, die Emissionen herunterzufahren, ein äußerst langfristiger – und bleibt Millionen Haushalten ganz verschlossen.
Umfangreicher, schneller und nicht zuletzt sozialverträglicher kommen wir voran, wenn wir die Versorgung der heute knapp 20 Millionen Haushalte am Erdgasnetz sowie der knapp 6 Millionen Haushalte an den Fernwärmenetzen klimafreundlicher gestalten – durch reine Substitution des Brennstoffs. Im besten Fall sogar ohne oder mit nur einem geringen Anpassungsbedarf der häuslichen Installationen.
Augenmerk auf Fernwärme-Netze legen
Richten wir unser Augenmerk auf die Fernwärme-Netze in verdichteten Ballungsräumen: Dank hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung ist die Versorgung auch heute schon umweltfreundlich – aber äußerst schwierig CO2- neutral zu stellen. Wie viele andere Versorger erzeugen wir längst anteilig aus Biomasse und anderen CO2-freien Energieträgern und denken über weitere Schritte in diese Richtung nach.
Eine echte zusätzliche Chance gäbe uns aber die Aussicht auf den Einsatz von grünem Wasserstoff. Wir bereiten uns schon jetzt darauf vor und rüsten bei der nächsten Revision unseres Kraftwerks gezielt auf Turbinen um, die für den Einsatz von Wasserstoff geeignet sind. Die Perspektive: Mit dem sukzessiven Austausch von Erdgas an nur wenigen Stellen die Versorgung für unsere rund 50.000 Fernwärmekunden – Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen – ohne deren Zutun zunehmend klimaneutral zu gestalten.
Ebenso könnten wir sehr schnell damit beginnen, kostengünstig grünes Gas bzw. grünen Wasserstoff in das Erdgasnetz beizumischen, das sich in Deutschland über 500.000 Kilometer erstreckt. Beginnend mit einem kleinen Anteil, der sich sehr schnell steigern könnte und sollte, scheint dies technisch und mengenmäßig gut machbar. Der Riesenvorteil dabei: Wir nutzen bestehende, hervorragend ausgebaute Infrastrukturen und beantworten zudem die Frage, wie Millionen von Haushalten zukünftig ihre Wärmeversorgung klimaneutral organisieren sollen.
Leider nur eine Randnotiz
Allein: In der aktuellen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist der Einsatz im Wärmemarkt kaum mehr denn als Randnotiz berücksichtigt. Die Chancen für die klimafreundliche Wärmeversorgung von rund 25 Millionen Haushalten an den Fernwärme- und Erdgasnetzen werden damit verkannt. Das ist bedauerlich, denn die Einführung von verlässlichen Grundlagen für die Nutzung von Wasserstoff ist weitaus drängender als landläufig angenommen. Ganz gleich, welchen strukturpolitischen Pfad Deutschland verfolgt: der Umbau der hierzu erforderlichen Infrastruktur dauert Jahrzehnte und muss zeitnah beginnen. Eine Technologieoffenheit in dieser Frage kann sich Deutschland nicht leisten. Denn diese führt entweder zum parallelen Infrastrukturausbau, der für die Haushalte und Unternehmen schlicht zu teuer wird oder aber zum Abwarten auf Seiten der Akteure, da die Investitionsrisiken – und hier vor allem die politischen und regulatorischen Risiken – viel zu hoch sind.
Mit Förderinstrumenten und Umlagebefreiungen für die ersten Elektrolyseure sind erste Schritte bei der Erzeugung getan. Doch ist noch nichts auf den Weg gebracht, was die Verteilung von Wasserstoff organisiert oder Investitionsrisiken reduziert. Je früher aber erkannt wird, dass der Einsatz von grünem Wasserstoff im Wärmemarkt unerlässlich ist, um die Klimaschutzziele zu erreichen, desto zielführender können wir die Wasserstoffwirtschaft in Deutschland aufbauen und desto eher wird Wasserstoff zu einem echten Treiber der Energiewende.
www.n-ergie.de
Das Heizkraftwerk der N-ERGIE AG in Nürnberg- Sandreuth besteht unter anderem aus einer modernen, erdgasgefeuerten Gas-und- Dampfturbinen-Anlage und einem Biomasse-Heizkraftwerk. Es erzeugt im hocheffizienten Kraft-Wärme- Kopplungsprozess Strom und einen großen Teil der Fernwärme für die rund 50.000 Kunden im Nürnberger Stadtgebiet. Ein Wärmespeicher, der Ende 2014 in Betrieb ging, macht das Heizkraftwerk noch flexibler.