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15.11.2016 12:16 Alter: 8 yrs

23. BBH-Energiekonferenz: Ein Resümee

Wer zahlt für die Energiewende - und wer trägt die Kosten? Unter diesem Thema stand die traditionelle und nunmehr 23. Energiekonferenz der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) in Berlin, die diesmal mit den Feierlichkeiten zum 25jährigen Bestehen der Kanzlei zusammenfiel. 550 Milliarden Euro sind - so schon etwas ältere offizielle Schätzungen - notwendig, um unser Energiesystem auf Erneuerbare Energien umzustellen. Diese abstrakt hohe Summe lässt sich rational kaum greifen. Gerade deshalb muss man sich aber ganz konkret fragen dürfen: Wo kommt das Geld überhaupt her? Foto: Marco Urban


Prof. Dr. Klaus Töpfer, unter anderem Umweltminister a. D., betonte auf der Vorabendveranstaltung zur Konferenz, dass eine solche grundlegende Frage die - weit überwiegenden - positiven Implikationen der Energiewende überlagern würde. Dennoch fallen Transaktionskosten an, die weitgehend die Energiewirtschaft tragen muss, auch wenn es zugleich Investitionen sind.

Die Rechnung jedenfalls wird nicht ohne Europa gemacht werden, mahnte Christian Held, der die europäische Keynote Speech für die Konferenz übernommen hatte. Zwar sei der nationale Energiemix noch immer Sache der Mitgliedstaaten, das nationalstaatliche Handeln werde allerdings von den Vorgaben der EU überlagert. Da diese Überlagerung tendenziell weiter zunimmt, werde die EU oft als Schuldiger für einzelne energiewirtschaftliche Entwicklungen identifiziert.

Europa gehört auf die Rechnung

Christian Held bestärkt die europäische Idee: „Europa ist nicht nur ein Hindernis, sondern vor allem auch eine Chance! Energiepolitik kann nicht allein national betrachtet werden.“ So bringt die EU viele Infrastruktur-Projekte auf den Weg, die von gemeinsamem europäischem Interesse sind. Es werden gemeinsame Anstrengungen zur Versorgungssicherheit unternommen, z. B. durch LNG und die Trans-Adriatic-Pipeline. In der Energieinfrastruktur werden europäische Lösungen für europäische Probleme entwickelt und auch die Digitalisierung erfordert letztlich eine europäische Strategie genauso wie der Bereich des Datenschutzes. Schließlich seien auch in der Energieeffizienz gemeinsame Ziele wichtig.

Auch Dr. Ines Zenke, Rechtsanwältin und Partner, die die Konferenzteilnehmer gewohnt souverän durch den Tag führte, ist von der europäischen Idee überzeugt. Allerdings sieht sie auch deutlichen Reformbedarf. „Europa muss sich auf die verabredete Aufgabenverteilung besinnen. Rahmengesetzgebung und Leitplanken setzen, bei Akzeptanz der nationalen Souveränität. Die EU-Kommission sollte weder oberste Vollzugsbehörde sein noch Ersatzgesetzgeber, der Harmonie in Gesamteuropa vor Verhältnismäßigkeit im Einzelfall stellt“, so Dr. Zenke.

Klimaschutz und Investitionssicherheit nicht trennen

Die deutsche Keynote der Konferenz hatte Rita Schwarzelühr-Sutter, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium übernommen. Für sie schließen sich Klimaschutz und Investitionssicherheit nicht aus. Vielmehr rechnen sich Investitionen in den Klimaschutz, da Innovationen hier weltweit zunehmend gefragt sind. Auch an der energieintensiven Industrie laufe der Klimaschutz nicht vorbei.

Schwarzelühr-Sutter sieht den Klimaschutzplan 2050 als die nächste Stufe in der deutschen Klimaschutzpolitik. Der Plan würde alle Elemente der Klimapolitik zusammenbringen und dabei auch die Sektorenkopplung mit dem Verkehrsbereich und die Vernetzung der Verkehrsträger in der Digitalisierung berücksichtigen, versprach die Umweltpolitikerin. Für den Klimaschutz sollten einheitliche Standards gesetzt und für Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft eine strategische Orientierung bereitgestellt werden.

Beim Thema Dekarbonisierung sieht das Bundesumweltministerium höhere Zubaumengen an Erneuerbaren Energien mit gleichzeitiger Reduzierung der Kohleverstromung als erforderlich an. Vor einem offiziellen Kohleausstieg müssen aber alle Akteure gehört werden, unterstrich die Staatssekretärin den Dialogbedarf. Offen ist aus Sicht der Politik, ob eine Kommission für den Kohleausstieg ein geeignetes Gremium für die Verhandlung darstellen würde. Angesprochen auf die aktuelle Novellierung des Energie- und Stromsteuergesetzes verwies die Staatssekretärin darauf, dass diejenigen Schultern, die bereits geschwächt seien, nicht noch stärker belastet werden sollten. Dr. Dieter Steinkamp fragte aus der Sicht eines großen Energieversorgers, für den die Kraft-Wärme-Kopplung ein wichtiges Geschäftsfeld einnimmt, wie man hier vernünftig investieren solle, wenn das KWKG noch immer nicht abschließend in Form gegossen ist. Das Argument, die zuständige GD Wettbewerb sei wegen eines überhöhten Arbeitsanfalls überlastet, hilft den Unternehmen hier wenig. Damit leitete der Vorstandsvorsitzende der Rheinenergie AG thematisch auch zur politischen Podiumsdiskussion über.

Produziert die Energiepolitik zu wenig Investitionssicherheit?

Die politische Podiumsdiskussion gibt den Konferenzteilnehmern nicht nur Gelegenheit, unterschiedliche Meinungsbilder aufzunehmen. Auch auf der 23. Energiekonferenz bestätigte sich dies in der Diskussion zum Thema: Produziert die Energiepolitik zu wenig Investitionssicherheit? Diskutanten waren die Bundestagsabgeordneten Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU-Bundestagsfraktion), Johann Saathoff (SPD-Bundestagsfraktion), Dr. Julia Verlinden (Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) und Eva Bulling-Schröter (Bundestagsfraktion Die Linke).

Im Eingangs-Statement bekräftigte Dr. Herlind Gundelach den Titel der BBH-Energiekonferenz: „Man muss auch über die Kosten reden!“ Johann Saathoff ist sich sicher, dass die Voraussetzungen geschaffen worden sind, dass man in der Energiewirtschaft hervorragend investieren kann und ergänzte: „Nicht-Energiewende gibt es auch nicht zum Nulltarif!“ Grünen-Politikerin Dr. Julia Verlinden ist sich ob der Investitionssicherheit nicht so sicher und erinnert auch an den unglücklichen Verlauf der KWKG-Novellierung. Sie sieht zudem für Energiegenossenschaften neue Hürden durch das EEG 2017. Nach Ansicht ihrer Grünen-Fraktion würde man, was die Transformationskosten anbelangt, durch den Wegfall der Importe fossiler Rohstoffe auch Geld sparen. Ein Kohleausstieg, den sie für zwingend hält, erfordere einen Branchenfahrplan für Gewerkschaften und Unternehmen. Für Eva Bulling-Schröter von der Linksfraktion sind es vor allem die gesundheitlichen Folgekosten, die mit der Kohleverstromung einhergehen.

EEG-Umlage bleibt in der Diskussion

Mögliche Alternativen zur EEG-Umlage waren ebenfalls Gegenstand der Diskussion. So auch die ursprünglich von Prof. Dr. Klaus Töpfer entwickelte und von Staatsministerin Ilse Aigner aufgegriffene Idee, die Umlage einzufrieren und die Kosten durch einen Fonds zu finanzieren. Würde dies aber nicht einen weiteren Systemwechsel bedeuten und die Energiewende-Kosten auf kommende Generationen abwälzen? Wäre eine (Teil)-Finanzierung durch Steuern, wie z. B. über den Umlagen-Anteil aus den Begünstigungen der Besonderen Ausgleichsregelung, dann nicht besser? Solch unterschiedliche Meinungsbilder bestätigen den weiterhin erforderlichen Diskussionsbedarf. Dafür steht der SPD-Politiker Johann Saathoff, für den die EEG-Umlage nur einen Teil des Strompreises ausmacht. Und der sich in diesem Zusammenhang auch dafür aussprach, die vermiedenen Netzentgelte für die Kraft-Wärme-Kopplung beizubehalten.

Dekarbonisierung und „Kosten für die Menschen“

Zum Thema Dekarbonisierung aus Sicht des Energieträgers Braunkohle sprach MIBRAG-Geschäftsführer Heinz Junge auf der Konferenz. Er zeigte den Teilnehmern an Beispielen auf, welchen Aufwand eine Konzerntransformation mit sich bringt. Zugleich forderte er eine systembezogene und sachliche Diskussion zum Thema. Geht es doch in der Kohleindustrie nicht nur um Konzernwandel, sondern immer auch um den Wandel von Regionen und Lebensbedingungen.

Für Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds, ist erforderlich, in der gesamten Diskussion auch von den „Kosten für die Menschen“ zu sprechen. Man müsse die Energiewende sozial gestalten, armutsfeste Löhne auf dem Arbeitsmarkt und vor allem die Tariflöhne sichern. Die Beschäftigten seien Treiber und Vorfinanzierer von Innovationen, von denen unsere Nachkommen profitieren würden. Auch kann man nicht die Augen verschließen, dass rd. 5 Millionen Menschen in Deutschland „elektrizitätsarm“ seien, da sie über 5 Prozent ihres Einkommens für Strom ausgeben.

Eine Lanze brach Hoffmann für die Industrie. Sie ist nicht mehr Problemverursacher, wie von manchen Politikern unterstellt, sondern vielmehr Problemlöser. Ausnahmeregelungen für die Industrie sind im Rahmen der Energiekosten deshalb notwendig. Er könnte sich für die Finanzierung der Energiewende vorstellen, die Technologie-Entwicklungskosten der Erneuerbaren Energien von den zukünftigen Kosten zu trennen. Indem man den aufgeblähten Rucksack der Anschubfinanzierung abschnallt und dadurch Haushalte und kleinere Unternehmen entlastet. So plädiert er für einen steuerlich-bezuschussten Energiewendefonds, mit gleichzeitiger Einführung eines Soli-Beitrages für abgeschriebene Erneuerbare-Energien-Anlagen, die von einer höheren Anschubfinanzierung profitiert hatten.

Die Perspektive eines der energieintensivsten Unternehmen Deutschlands brachte Dr. Martin Iffert ein. Der Vorstandsvorsitzende der TRIMET Aluminium SE führte an, dass mittlerweile 60 Prozent der weltweiten Aluminium-Produktion in China stattfinden. Von 36 Aluminiumhütten in Deutschland in den 1990er Jahren gibt es heute nur noch 15. Dies hat auch mit der Energiepolitik in Deutschland zu tun. Dennoch blickt er optimistisch in die Zukunft: Frei nach Darwin müsse man sich den Veränderungen am Markt anpassen und die Produktion von Baseload auf Flexibilisierung umstellen.

Wer zahlt nun für die Energiewende?

Am Ende eines spannenden und abwechslungsreichen Konferenztages mit knapp 350 Teilnehmern bleibt die Frage: Und wer zahlt nun für die Energiewende?

Das Fazit aus der 23. BBH-Konferenz ist, dass die Energiewirtschaft durchaus bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und die notwendigen Investitionen zu tätigen. Die Transformationskosten zum Umbau unseres Energiesystems müssen aber fair verteilt werden. Für die Investitionssicherheit, die für die Wahrnehmung dieser Aufgabe wesentlich ist, ist allerdings die Politik zuständig. Und aus Worten müssen Taten folgen.
Beitrag: Hans Löwenhertz und Manuel Schrepfer
www.bbh-online.de.de