Nachricht
„Die deutsche Energiewirtschaft verfügt über die notwendige Innovationskraft, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten“
Im Interview: Dr. Constantin Alsheimer, Vorsitzender des Vorstandes der Mainova AG und Dr. Peter Birkner, Technikvorstand der Mainova AG zu den technologischen Herausforderungen der Energiewende:
Derzeit wird viel über die Kosten der Energiewende diskutiert. Welche Herausforderungen bringt die Energiewende für die deutsche Energiewirtschaft darüber hinaus mit sich?
Dr. Alsheimer: Die Energiewende ist im Kern eine Technikwende. Fossile Energiequellen mit hoher Energiedichte werden durch regenerative Energiequellen ersetzt, die höchst volatil sind und nur eine geringe Energiedichte aufweisen. Um diese regenerativen Energiequellen zu nutzen, müssen wir eine gewaltige Infrastruktur aufbauen, die über weite Flächen verteilt ist.
Auf dem Weg zu diesem Ziel sind wir schon ein gutes Stück weit vorangekommen. Immer mehr Photovoltaikanlagen und Windparks speisen grünen Strom ins Netz ein. 2012 betrug der Anteil von Strom aus regenerativen Quellen am Gesamtverbrauch bereits 23 Prozent, Tendenz weiter steigend. Die eigentliche technologische Herausforderung bei der Energiewende ist aber nicht der Zubau von Solarpaneelen und Windrädern, sondern die möglichst kosteneffiziente Integration der erneuerbaren Energien in das bestehende System der Energieversorgung.
Wie lässt sich diese Herausforderung meistern?
Dr. Birkner: Die zur Umsetzung der Energiewende erforderlichen Technologien sind im Grundsatz vorhanden. Dies gilt für die Erzeugungstechnik, für die Energieübertragung und -verteilung, für Energiespeicher und für die Anwendungen. Revolutionäre Erfindungen sind nicht erforderlich, eine signifikante und evolutionäre Verbesserung von Komponenten und System jedoch schon. Manches muss durch beharrliche Entwicklungsarbeit jetzt zur Serienreife geführt werden. Außerdem sind noch in erheblichem Umfang Standardisierungsfragen zu klären, etwa im Bereich intelligente Stromnetze, den sogenannten Smart-Grids.
Bei welcher Technologie sehen Sie den größten Forschungs und Entwicklungsbedarf?
Dr. Birkner: Eine zentrale Bedeutung für das Gelingen der Energiewende kommt der Speicherfrage zu. Die hohen Volatilität der Stromproduktion aus regenerativen Quellen verlangt nach technischen Lösungen, die sicherstellen, dass das Stromangebot auch dann die Stromnachfrage befriedigt, wenn der Wind gerade nicht weht und die Sonne nicht scheint. Bis zum einem Anteil des Stroms aus Erneuerbaren Energien von 40 % lässt sich dies mit konventionellen Reservekraftwerken bewerkstelligen. Für einen Erneuerbaren-Anteil von 40 % bis ca. 60 % sind zusätzlich Lastverschiebungen erforderlich. Das Ausbauziel der Energiewende besteht allerdings in einem Erneuerbaren-Anteil von 80 Prozent des Stromverbrauchs. Dieser Zielwert lässt sich nur erreichen, wenn zusätzlich Speichertechnologien zum Einsatz kommen, die den grünen Strom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Phasen eines Überangebots aufnehmen und die so gespeicherte Energie in Phasen, in denen die Stromproduktion hinter dem Bedarf zurückbleibt, wieder ans Netz abgeben. Auf diesem Gebiet besteht noch großer Forschungs und Entwicklungsbedarf. Allerdings haben wir hier auch noch ausreichend Zeit zur Verfügung.
Der flächendeckende Einsatz von Speichertechnologien wird erst nach 2030 notwendig, wenn der Erneuerbaren-Anteil nach den derzeitigen Plänen der Bundesregierung über die 50-Prozent-Marke steigen soll. Kurzfristig stehen deshalb andere Technologien stärker im Fokus des Interesses: Beispielsweise virtuelle Kraftwerke oder Smart-Grid-Lösungen. Das alles macht eines deutlich: Entscheidend ist letztlich die richtige Schrittfolge und zeitliche Taktung der Technologieeinführung.
Mit der politischen Koordination der Energiewende steht es aber nicht zum Besten. Besteht nicht die Gefahr, dass die Energiewende in technologischen Sackgassen endet?
Dr. Alsheimer: Die deutsche Energiewirtschaft verfügt über die notwendige Innovationskraft, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Allerdings müssen auch die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen. Das ist derzeit leider nicht der Fall. Hier besteht Handlungsbedarf. Die Energiewende ist ein komplexer, teilweise zukunftsoffener Prozess. Deshalb brauchen wir einen in sich stimmigen marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen, der dafür sorgt, dass sich die volkswirtschaftlich effizientesten Technologien durchsetzen und die Unternehmen die richtige Schrittfolge auch einhalten können. Die zunehmenden dirigistischen Eingriffe des Staates bergen dagegen die Gefahr, zu unwirtschaftlichen Ergebnissen zu führen.
Welche technischen Innovationsprojekte führt die Mainova AG konkret durch?
Dr. Birkner: Wir sind auf zahlreichen Feldern aktiv. Beispielsweise haben wir zusammen mit den Kooperationspartnern Bergische Universität Wuppertal, SAG GmbH sowie der Bilfinger Mauell GmbH die intelligente Ortsnetzstation (iNES) entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Smart-Grid-Lösung, mit der sich die Kosten für den notwendigen Ausbau der lokalen Verteilnetze zur Integration erneuerbarer Energien minimieren lassen.
Ein anderes Beispiel ist die Speichertechnologie Power-to-Gas: Gemeinsam mit zehn weiteren kommunalen Unternehmen der Thüga-Gruppe errichten wir in Frankfurt in diesem Jahr eine Demonstrationsanlage, die aus überschüssigem Windstrom mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugt und diesen in das kommunale Gasnetz einspeist. Das Gasnetz könnte so zur Batterie der Zukunft werden.
Die Beispiele legen nahe, dass Sie bei Forschung und Entwicklung auf Kooperationen setzen ...
Dr. Alsheimer: Auch für die Energiewirtschaft gilt, dass es vor allem mittelständische Unternehmen sind, die Innovationen vorantreiben und so entscheidend zum Gelingen der Energiewende beitragen. Kommunale Energiedienstleister wie die Mainova verfügen - anders als die Großkonzerne – über die notwendige Flexibilität, um Innovationsprojekte erfolgreich voranzutreiben. Zugleich besitzen sie das notwendige Know-how und die notwendige Größe, um die erforderlichen Investitionsvolumina zu schultern. Und in den Fällen, in denen die Aufgabe für ein Unternehmen allein doch einmal zu groß sein sollte, können sie auf Kooperationen mit anderen Stadtwerken setzen. Die Kooperationskultur, die die kommunalen Energiedienstleister untereinander pflegen, ist in Sachen Forschung und Entwicklung ein besonderer Trumpf. Sie kommt ihnen auch bei der Zusammenarbeit mit Universitäten, Forschungsinstituten und High-Tech-Unternehmen zugute.
Werden also die Stadtwerke als Sieger aus dem Technologiewettbewerb hervorgehen, der mit der Energiewende verbunden ist?
Dr. Alsheimer: Wenn die Rahmenbedingungen fair gestaltet werden, haben die kommunalen Energiedienstleister gute Chancen, erfolgreich zu sein. Im Zuge der Energiewende ist letztlich eine neue, intelligente Verknüpfung von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch gefragt, bei der ländliche Regionen und städtische Ballungsräume eng kooperieren.
Unternehmen wie die Mainova, die einen regionalen Ansatz verfolgen und die auf allen Wertschöpfungsstufen aktiv sind, sind dafür prädestiniert, entsprechende Systemlösungen zu entwickeln.
Wie wird diese Systemlösung im Falle Frankfurts aussehen?
Dr. Birkner: Das Ziel der Mainova ist, Frankfurt zu einer Energiedrehscheibe für die Region Rhein-Main weiterzuentwickeln Wir wollen dabei die Medien Gas, Strom und Wärme auf intelligente Art miteinander verknüpfen. Die Herausforderungen, die ein hoher Anteil Strom aus erneuerbaren Energien mit sich bringt, kann so auf ökonomisch effiziente Art gelöst werden: Windkraftanlagen im Frankfurter Umland produzieren grünen Strom. Bei einem Überangebot kann diese elektrische Energie mittels Power-to-Gas in Form Wasserstoff im kommunalen Erdgasnetz gespeichert oder zur elektrothermischen Erzeugung von Fernwärme genutzt werden.
Wärmespeicher erhöhen zusätzlich die Flexibilität der vorhandenen Mainova- KWK-Kraftwerke im Stadtgebiet. Schließlich ergänzen virtuelle Kraftwerke, gebäudeintegrierte Solaranlagen mit Batteriespeichern und regelbare elektrische Kompressionskälteanlagen das System.
Die vorhandene Elemente müssen also auf eine neue Art verknüpft und durch neue Technologien ergänzt werden, um Energiewende wirtschaftlich darstellen zu können.