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Ökonomische Effekte eines deutschen Kohleausstiegs
Aktuell wird in der politischen und öffentlichen Debatte ein politisch induzierter Ausstieg aus der Kohleverstromung in Deutschland diskutiert. Befürworter sehen darin eine zusätzliche CO2-Minderung im deutschen Stromsektor. Zu den ökonomischen Effekten eines deutschen Kohleausstiegs auf den Strommarkt in Deutschland und der EU liegt nun eine aktuelle Studie der ewi Energy Research & Scenarios gGmbH (ewi ER&S) aus Köln vor. ewi ER&S möchte damit einen Beitrag zur Debatte um den deutschen Kohleausstieg liefern.
Die Studie soll die Auswirkungen eines Ausstiegs aus der Kohle auf den Stromsektor aus ökonomischer Perspektive deskriptiv beleuchten und will keine Position für oder gegen einen Kohleausstieg beziehen. Untersucht werden zwei Szenarien: Eine vorzeitige Stilllegung der deutschen Braun- und Steinkohlekraftwerke bis 2040 und eine entsprechende Stilllegung von CO2-Zertifikaten im europäischen Emissionshandelssystem (EU-ETS) in Höhe der im Zuge des Kohleausstiegs zusätzlich vermiedenen CO2-Emissionen. Die Analyse umfasst Wirkungen im gesamten europäischen Strommarkt (inklusive deutscher Kraft-Wärme-Kopplung [KWK]). Grundlage der Untersuchung ist ein gemeinsam von Agora Energiewende und der Unternehmensberatung enervis vorgelegtes Konzept für einen deutschen Kohleausstieg.
Beide Szenarien fußen auf folgenden Annahmen des Agora-Konzepts: Kohleausstiegspfad, technische Lebensdauer von deutschen Kohlekraftwerken im Referenzszenario (Braunkohle: 50 Jahre; Steinkohle: 40 Jahre; keine Retrofitoption), Ausbaupfad der Erneuerbaren Energien (EE), grenzüberschreitende Stromübertragungskapazitäten, Stromnachfrage sowie Brennstoff- und CO2-Preise. Die ewi-Analyse lässt sich in den folgend aufgeführten zentralen Ergebnissen zusammenfassen, die hier in verkürzter Fassung skizziert werden:
Eine vorzeitige Stilllegung deutscher Kohlekraftwerke verringert den CO2-Ausstoß im Zeitraum von 2020 bis 2045 um insgesamt 859 Millionen Tonnen CO2. Europaweit vermindert die Maßnahme aber aufgrund von Kompensationseffekten im EU-ETS keine CO2-Emissionen.
Die Stilllegung von Kohlekraftwerken reduziert insbesondere in den Jahren ab 2035 den CO2-Ausstoß im deutschen Stromsektor (inklusive KWK) – um 39 bis 62 Mio. Tonnen CO2 jährlich. Somit könnte der Stromsektor einen mindestens proportionalen Beitrag zu den sektorübergreifenden nationalen Klimazielen der Bundesregierung leisten. Allerdings bewirkt die Maßnahme allein effektiv in der europäischen Bilanz und global keine CO2- Vermeidung, da das in Deutschland vermiedene CO2 aufgrund von Kompensationseffekten im EU-ETS andernorts emittiert würde.
Allein die flankierende Maßnahme einer Stilllegung von CO2-Zertifikaten im EU-ETS stellt sicher, dass tatsächlich europaweit CO2 eingespart wird.
Werden die im Zuge der vorzeitigen Abschaltung deutscher Kohlekraftwerke frei werdenden CO2-Zertifikate im EU-ETS stillgelegt, reduziert sich der europäische CO2-Ausstoß inklusive Deutschland im Zeitraum 2020 bis 2045 effektiv um insgesamt 634 Mio. Tonnen CO2. Die Minderung des gesamteuropäischen CO2-Ausstoßes ist abhängig von der Frage, ob Deutschland die Zertifikatsstilllegung auf europäischer Ebene politisch durchsetzen kann. Zudem ist es de facto unmöglich, aus heutiger Perspektive die Menge an Zertifikaten zu bestimmen. Je nachdem wie sich unsichere Zukunftsentwicklungen darstellen, ergeben sich jeweils andere Mengen die notwendig sind, stillzulegen.